Sonntag, 27. Dezember 2020

Einigung im Brexit-Streit - Hauptsache ein Vertrag?!

Nach mehr als vier Jahren nach der historischen Volksabstimmung ist es endlich soweit. Der Handelsvertrag zwischen der EU und Großbritannien steht. Er hat über 1240 Seiten und soll die zukünftigen Beziehungen regeln – aber es bleiben viele Fragen offen.
Boris Johnson sieht sich als großer Sieger, der den Brexit geliefert hat. Bei genauerem Blick bleibt aber von seinen Versprechen nicht viel übrig.

Splendid Isolation vor leeren Supermarktregalen

Die meisten Kommentare sehen in Boris Johnson und Großbritannien als Verlierer.
Stefan Kornelius sieht einen „saftigen Preis“ und prophezeit, dass Johnsons Fiktion der "splendid isolation" vor leeren Supermarktregalen endet.
Sein Landsmann Alan Posener beschreibt in der ZEIT die Ereignisse: „Wie Boris Johnson von Angela Merkel und Ursula von der Leyen ausmanövriert wurde, war für mich zugleich schmerzlich und schön - “ - schmerzlich für mich als Mann und als Brite. Schön für mich als Feminist und Europäer".

Der Handel bleibt zollfrei

Positiv ist auf jeden Fall für beide Seiten, dass der Handel grundsätzlich zollfrei bleibt. Für die EU ist Großbritannien der fünftgrößte, für Großbritannien die EU der größte Handelspartner.
Als großen Erfolg verkauft Johnson, dass Großbritannien zukünftig vom EU-Standard abweichen und Verträge mit anderen Staaten und Regionen schließen kann. In dem Moment, in dem Großbritannien vom Standard abweicht, schließen sich aber die Türen für den Binnenmarkt.
Auch das Recht eigene Handelsverträge abzuschließen hat einen Haken. Produkte aus diesen Ländern dürfen nicht ohne Kontrolle und gegebenenfalls Zölle in die EU kommen. Außerdem bleibt abzuwarten, wie viele Staaten und Regionen überhaupt Abkommen mit Großbritannien schließen werden.

Ende der Freizügigkeit

Die Freizügigkeit endet, die EU-Bürger müssen Auflagen erfüllen, wenn sie sich in Großbritannien niederlassen wollen. Durch Einkommensschwellen soll vor allem der Zuzug von Geringqualifizierten verhindert werden. Umgekehrt verlieren aber auch Briten das Recht, in allen Staaten der Europäischen Union zu leben und zu arbeiten.

Ende von ERASMUS

Als jemand der dank des ERASMUS-Programms die Zeit des Lebens erlebt hat, trifft mich besonders, dass britische Studierende künftig nicht mehr am Austauschprogramm Erasmus teilnehmen können. Dies mit den hohen Kosten zu begründen ist angesichts der zu erwartenden Verluste in anderen Bereichen schon dreist. Es bleibt zu hoffen, dass der von Boris Johnson versprochene Ersatz dazu beiträgt, dass ein Austausch von jungen Menschen auch zukünftig möglich ist.

Ein bisschen weniger Fisch

Europäische Fischer müssen in den kommenden Jahren 25 Prozent ihrer Fangquoten aufgeben – Johnson hatte 80 % gefordert. Auch in diesem Punkt ist Johnson weit entfernt von seinen Zielen, zumal Fisch gesamtwirtschaftlich kaum eine Rolle spielt.  

Ausblick 

Zunächst müssen die EU-Staaten sowie die Parlamente von Großbritannien und das EU-Parlament zustimmen. Es bleibt zu hoffen, dass es für alle Beteiligte eine gute Lösung gibt.

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Merkels Triple: Dreifache Einigung beim EU-Gipfel

Am Ende der deutschen Präsidentschaft kann Angela Merkel doch noch auf Erfolge verweisen: Einigung im Haushaltsstreit, Corona-Hilfspaket, schärferes Klimaziel: Der SPIEGEL kommentiert dies als Merkels Triple.

Einigung beim Sieben-Jahres-Haushalt und der Corona-Hilfe

Ungarn und Polen hatten mit einem Veto gedroht, da sie nicht mit dem Rechtsstaatsmechanismus einverstanden waren.  Letztlich ist es den beiden gelungen, den Rechtsstaatsmechanismus stark zu verwässern. Lediglich bei Betrug und Korruption müssen die beiden negative Folgen befürchten, bei Diskriminierung von Minderheiten, der Einschränkung der Pressefreiheit und anderen Verletzungen der Grundwerte jedoch nicht. 

Ambitioniertere Ziele beim Klimawandel.

Die Beilegung des Haushaltsstreits war zentral, weil sie den Weg für die Verschärfung des Klimaziels ebnete: Bis zum Jahr 2030 will die EU ihre Treibhausgas-Emissionen nun um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Diese Entscheidung bestätigt nochmals die Notwendigkeit für den Green Deal, den die Kommission angekündigt hat.

Handlungsfähigkeit erhalten

Besonders bei der Frage der Rechtsstaatlichkeit finde ich den Preis sehr hoch, aber ein Scheitern hätte nicht nur finanzielle Folgen gehabt. Die EU hat es geschafft, Handlungsfähigkeit zu zeigen - nach innen und außen. Letztlich wird es am Willen der Staaten und der Kommission liegen, ob und wie den Ankündigungen Taten folgen werden. 

Samstag, 12. Dezember 2020

Die Geldschwemme der EZB – kommt jetzt die Inflation?

Ich habe mich schon in mehreren Beiträgen mit der Finanzkrise beschäftigt. In diesem Beitrag möchte Argumente von Hans-Werner Sinn und Thomas Fricke vorstellen.

Die Geldschwemme der EZB

Ein Video auf Focus zeigt die Argumentation von Hans-Werner Sinn: Seit Jahren kauft die Europäische Zentralbank massiv Staatsanleihen auf, damit sich die Staaten weiter günstig verschulden können und Geld in Umlauf kommt.
Sinn zeigt auf, dass sich durch die Geldmenge M0, das Bargeld bei Banken und Nichtbanken und die Girokonten der Geschäftsbanken bei den Zentralbanken, sehr stark gestiegen aus. Bis Juni 2021 geht er von 6 Billionen Euro aus. Die Geldmenge M1 – das Bargeld außerhalb der Banken und die Sichteinlagen bei den Banken - sind dagegen kaum gestiegen – Sinn sieht hier eine Liquiditätsfalle.

Kommt jetzt die Inflation?

Anders als der Titel im Fokus suggeriert, formuliert Sinn sehr vorsichtig, in dem er über die Zeit nach Corona sinniert:
Corona ist überwunden, die Weltwirtschaft zieht allmählich an, die Produktionskapazitäten ist lädiert, die Ölpreise steigen, und es ergibt sich eine Lohn-Preis-Spirale. Die Inflationserwartungen ändern sich, Konsumgüterkäufe werden vorgezogen, die Inflation beginnt zu traben, und aus dem Trab wird ein Galopp.
Ein Grund: Die EZB kann nicht mehr den Rückwärtsgang einlegen, denn wenn sie die Staatsanleihen wieder verkaufen würden, würde das die Krisenländer in Gefahr bringen.

Niedrige Zinsen – es wird zu viel gespart und zu wenig nachgefragt

Thomas Fricke hält eine Hyperinflation für unwahrscheinlich, wie er bereits 2019 im SPIEGEL ausgeführt hat. Gründe für die niedrigen Zinsen sieht er darin, dass zu viel gespart wird: Babyboomer konsumieren weniger und sparen mehr, außerdem gibt es viele Reiche, die sparen und Geld nicht ausgeben (können). Es wird auch zu wenig nachgefragt: Digitale Wirtschaft benötigt weniger Kapital, Wirtschaft investiert weniger. Seit der Finanzkrise haben Staaten zu wenig investiert.

Samstag, 28. November 2020

Neuer Präsident Biden – Hoffnung für die transatlantischen Beziehungen

Donald Trump hat seine Niederlage immer noch nicht eingestanden, dennoch gibt es intensive Diskussionen über die zukünftigen transatlantischen Beziehungen. Neben vielen Hoffnungen warnen Autoren vor Illusionen „Die Amerikaner haben Biden nicht gewählt, um der Welt eine Freude zu bereiten“.

Mehr internationale Zusammenarbeit und ein anderer Stil

Es gibt berechtigte Hoffnungen auf Besserungen: Biden hat unter anderem den Wiedereintritt in die Weltgesundheitsorganisation und das Pariser Klimaabkommen angekündigt. Er wird einen anderen Stil prägen und ein berechenbarer Partner sein.

Freut euch nicht zu früh

Vor Illusionen warnt nicht nur Daniel Brössler in der Süddeutschen Zeitung. Auch Biden wird mehr Verantwortung von Europa und mehr Engagement für die Verteidigung einfordern. Er hat eine kritische Haltung gegenüber China und wird die EU zu Solidarität im Handelsstreit auffordern.

Das Projekt Westen wiederbeleben?

Gero von Randow fordert in der ZEIT  das Projekt des Westens wiederzubeleben. „Der Westen hat keines mehr, ist keines mehr. Trump will auch keines“. Während andere Akteure Fakten schaffen und sich nicht um Menschenrechte scheren sollte sich der Westen die Ziele „Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat“ setzen. Der Autor fragt selbst: „Ob das geht?“

Dienstag, 10. November 2020

Mit Menschenverstand zu mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft

Zu meinem Blogeintrag über die EU-Agrarpolitik passt ein Kommentar in der ZEIT. In seinem Kommentar in der ZEIT kritisiert Claas Tatje das Verhalten von Supermärkten und Verbraucher*innen (nur für Abonnenten).

„Wir haben es in der Hand“

Er beschreibt einige Absurditäten beim Einkaufen: Kartoffeln aus Ägypten, Äpfel aus Italien. Die Ablehnung dieses Irrsinns hat nichts mit Nationalismus zu tun – es geht um den gesunden Menschenverstand Auch bei Bioprodukten kann man nicht sicher sein, denn aufgrund lascherer Vorgaben und Billiglöhnen werden auch diese Produkte oft Tausende Kilometer entfernt angebaut und dann verschifft.

Nach regionalen Produkten suchen

Tatje kritisiert die Supermärkte, die mit ihren Kampagnen den Wunsch nach immer billigeren Lebensmitteln befeuern. Er sieht aber auch die Verbraucher*innen in der Pflicht: sie können nach regionalen Produkten suchen und diese auch verlangen.

Bewertung

Der Untertitel des Artikels lautet „Für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft brauchen wir keine EU-Reform – sondern mehr gesunden Menschenverstand. Ich sehe darin keinen Widerspruch – eine andere EU-Reform wäre nötig gewesen – und natürlich müssen auch die Verbraucher*innen ihren Teil beitragen. Denn mit einem Satz hat er sicherlich recht „Wir haben es in der Hand“.

Donnerstag, 5. November 2020

Endlich - weniger Geld bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit

Ich habe mich schon in einigen Artikel über Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit aufgeregt, jetzt scheint es endlich eine Lösung zu geben. Ich erwarte nicht, dass sich die EU-Staaten immer einig sind, wenn es aber rechtsstaatliche Prinzipien angezweifelt und abgeschafft werden und auch Appelle nicht mehr helfen, geht es wohl nur über Geld.
„Niemand hätte solche Rückstände vor 20 Jahren für möglich gehalten“ beklagt Matthias Kolb in der Süddeutschen Zeitung zurecht.

Andere Mechanismen haben nicht gewirkt

Seit dem Vertrag von Lissabon gibt es mit Artikel 7 ein Verfahren, an dessen Ende des Stimmrechts stehen könnte. Da dies aber Einstimmigkeit erfordert und sich Polen und Ungarn gegenseitige Unterstützung geschworen haben, funktioniert dies nicht. Auch der Weg über die Gerichte hat bisher nur zu minimalen Korrekturen geführt.

Mechanismus gegen Trickser und Täuscher

Der neue Mechanismus sieht vor, dass erstmals in der Geschichte der Europäischen Union EU-Gelder in großen Stil wegen Rechtsstaatlichkeitsverstößen gekürzt werden könnten.
Konkret soll dies zum Beispiel dann der Fall sein, wenn im Empfängerstaat für mögliche Prüfungen der Mittelvergabe zuständige Gerichte nicht vollständig unabhängig agieren können. Der Kompromiss sieht eine qualifizierte Mehrheit vor, d.h. 14 Staaten müssen zustimmen, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren.

Die EU kann zeigen, wie wichtig ihr das Thema ist

Dies hört sich im ersten Moment schwierig an, zwingt aber die Staaten klar Position zu beziehen.
Wäre es bei der ursprünglichen Idee geblieben, der zufolge Strafen nur durch eine qualifizierte Mehrheit verhindert werden hätten können, hätten die betroffenen Länder weiter am Opfermythos gestrickt, jetzt müssen und könnten die Staaten endlich zeigen, wie wichtig ihnen das Thema ist.

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Die EU vor der US-Präsidentschaftswahl - Alles wieder gut mit Biden?

Ein Präsident Biden wäre für die EU besser. „Gewinnt Trump, könnte er sein Zerstörungswerk in den internationalen Beziehungen vollenden“ schreiben Daniel Brössler und Matthias Kolb in der Süddeutschen - wird aber alles gut?

Zurück zur internationalen Zusammenarbeit

Joe Biden hat für den Fall seines Sieges bereits einige Maßnahmen angekündigt, die den Multilateralismus stärken: Wiedereintritt in die Weltgesundheitsorganisation und die UNESCO, Rückkehr ins Pariser Klimaabkommen. Gerade für Deutschland, dessen Außenpolitik auf internationaler Zusammenarbeit basiert, ist dies eine gute Nachricht.

Loslösung von China – und dem internationalen Handel?

Ob Biden aber wirklich da weitermacht, wo Obama aufgehört hat, muss bezweifelt werden. Zu viel hat sich – nicht nur wegen Trump – in den letzten Jahren verändert. Bidens Versprechen in der Handelspolitik lassen eher eine Weiterführung der „America first“-Politik befürchten, auch zu China schlägt er sehr kritische Töne an.

Wie das Kaninchen vor der Schlange – und wieder mal uneins

Der Artikel zitiert einen EU-Diplomaten der das Verhalten der EU mit dem Kaninchen vergleicht, das auf die Schlange starrt. Zu befürchten ist auch, dass die EU im Falle eines unklaren Wahlausgangs nicht einheitlich reagiert. Befürchtet wird, dass Orban und andere Brüder im Geiste schnell Trumps vermeintlichen Wahlsieg anerkennen und damit die Einigkeit innerhalb der EU ein weiteres Mal gefährden.

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Die neue EU-Agrarpolitik - viel (berechtigte) Kritik und eine vertane Chance

Die Reaktionen waren eindeutig „Katastrophe für den Natur- und Klimaschutz“, „Greenwashing übelster Sorte“. In der Tat ist die Einigung auf die neue EU-Agrarpolitik nicht der große Wurf, den Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner verkündigt hat. Während die Reaktionen von Naturschutzverbänden zu erwarten war, finde ich die Kritik in der konservativen Welt überraschend.

387 Milliarden für eine Idee aus dem letzten Jahrtausend

Es ist traurig genug, dass Landwirte nicht von ihrer Arbeit leben können, sondern von Direktzahlungen abhängig sind – im letzten Jahr waren dies etwa 300 Euro pro Hektar. Das Geld richtet sich vor allem nach der Fläche, d.h. große Betriebe bekommen besonders viel Geld. Obwohl in der Landwirtschaft nur noch ein Bruchteil aller Beschäftigten arbeitet und auch der Beitrag zur Wirtschaftsleistung gerade mal 1,5 % beträgt, ist der Agrarbereich weiterhin einer der größten Posten.

Engagement für Tierwohl und Umweltschutz belohnen

Die EU hat nun beschlossen, einen größeren Teil der Direktzahlungen vom Umweltschutz abhängig zu machen. Die Regeln sind aber so vage formuliert und die Teilnahme der Landwirte auch noch freiwillig, sodass viele die Wirksamkeit in Frage stellen. Nicht nur die Welt fordert, dass Engagement für Tierwohl und Umweltschutz stärker gefördert werden muss.

EU-Subventionen verhindern eine grünere Landwirtschaft

Auch wenn die Beschlüsse durch das Europaparlament noch „grüner“ werden könnten, bleibt zu befürchten, dass die Fehlentwicklungen der Vergangenheit weitergehen. Bereits im August hatte die Süddeutsche über eine Studie berichtet, die feststellt, dass EU-Subventionen eine grünere Landwirtschaft verhindert: Regionen mit hoher Artenvielfalt und einem geringen Ausstoß von Klimagasen erhalten nur wenig Zahlungen, Regionen mit intensiver Landwirtschaft. Absurd und ein bitterer Widerspruch zu den Zielen des Green Deals!

Mittwoch, 14. Oktober 2020

Irreguläre Migration reduzieren

Gerald Knaus wurde bekannt durch den Deal mit der Türkei. In einem Interview mit dem SPIEGEL verteidigt er den Deal und hat Vorschläge für die Reduzierungen illegaler Einwanderung.

Grenzschützer reduzieren nicht die Migration

Knaus warnt vor einfachen Lösungen: Grenzschützer reduzieren nicht die Migration, es bedarf anderer Lösungen. Er betont, dass keine Demokratie offene Grenzen für alle hat, eine Begrenzung der Migration also legitim ist.

Türkei-EU-Deal scheiterte an Fehlern der Beteiligten

Er verteidigt auch seine Vorschläge für den Türkei-EU-Deal gegen Kritik von rechts und links. Der Deal hat die Migration reduziert, Fehler in der Umsetzung haben aber letztlich zum Scheitern geführt. Dazu zählen für Knaus die langsamen Asylverfahren in Griechenland, die gescheiterte Rückführung und die fehlende Unterstützung anderer EU-Staaten, v.a. bei der Aufnahme anerkannter Flüchtlinge.

Verschiedene Maßnahmen zur Senkung illegaler Einwanderung

Mit einer Kombination aus verschiedenen Maßnahmen hofft Knaus irreguläre Einwanderung zu reduzieren.

  • schnelle und faire Asylverfahren,
  • dem Zurückschicken nicht anerkannter Bewerber*innen,
  • Direkte Ansiedlung von Flüchtlingen durch Resettlement
  • Abkommen mit den Herkunftsländern: Visaerleichterung im Gegenzug zur Rücknahme von Flüchtlingen. 

Bewertung

Es bleibt abzuwarten, ob die Verantwortlichen erneut auf Knaus hören. Einige Ansätze sind in den Vorschlägen der Kommission bereits enthalten, die aber ihrerseits hart umstritten sind. Positiv zu bewerten ist der pragmatische Kurs zwischen Abschottung und offenen Türen und die Nennung verschiedener Maßnahmen, denn die eine Lösung des Problems gibt es sicherlich nicht. 

Dienstag, 29. September 2020

Der EU-Migrationspaket: Basis für einen guten Kompromiss?

Endlich ist er da – mit einem Migrationspakt will die EU-Kommission den jahrelangen Streit beenden. Hier folgt ein Überblick über das was drin steht - und was nicht drin steht:  nämlich ein Verteilungsschlüssel und einige Bewertungen.

Die Kernpunkte im Überblick  

Die Tagesschau hat die wichtigsten Punkte zusammengestellt: 

Verfahren an der Grenze

Bereits an der Grenze soll es eine Vorüberprüfung geben – für Menschen aus Ländern mit einer geringen Anerkennungsrate soll es ein schnelles Verfahren gibt. Denkbar sind hier auch geschlossene Lager.

Umverteilung innerhalb der EU

Eine verpflichtende Umverteilung soll es nicht geben. Dafür sind finanzielle Anreize für die Übernahme von Flüchtlingen vorgesehen. In Notsituationen soll es eine verpflichtende „flexible Solidarität“ geben, die auch durch „Abschiebe-Patenschaften“ erfüllt werden können.

Dublin-Verfahren

Das Dublin-Verfahren, demzufolge der EU-Staat für den Asylantrag zuständig ist, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat, soll beibehalten werden. Menschen, die in einem Land bereits gearbeitet haben oder Geschwister haben, sollen dort ihren Antrag stellen können.

Seenotrettung

Hier setzt die Kommission auf freiwillige Zusagen der Mitgliedstaaten. Sie möchte besser mit Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten, damit Grund- und Menschenrechte nicht verletzt werden.

Verbesserte Zusammenarbeit mit Drittstaaten

Mit maßgeschneiderten Partnerschaften soll der Kampf gegen Schleuser und die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber verbessert werden. Dazu zählen auch „Talent-Partnerschaften“, über die Arbeitskräfte angeworben können.

Scharfe Kritik von allen Seiten

An den Vorschlägen gab es viel Kritik. In den Lagern an der Grenze, an denen die Vorprüfung durchgeführt werden sollen, sehen Beobachter die Gefahr „vieler neuer Morias“. In der Tat, hat das Konzept der Hotspots schon bisher nicht funktioniert.
Maximilian Popp kritisiert im SPIEGEL den Begriff „flexible Solidarität“. Schon der Begriff ist für ihn ein Hohn, denn flexible Solidarität ist keine. Länder, die bisher keine Flüchtlinge aufnehmen wollten, dürfen jetzt mit „Rückführungspartnerschaften“ Flüchtlinge zurückschicken. Aber selbst diese deutlich abgeschwächte „Solidarität“ ist den bisher Verweigerern zu viel -schlechte Aussichten also.

Gute Basis für einen Kompromiss

Roland Preuss sieht in der Süddeutschen in den Vorschlägen eine gute Basis für einen Kompromiss.
Das Beharren auf Maximalforderungen erzeugte in der Flüchtlingspolitik vor allem eines: Stillstand. Die Kommission geht nun den pragmatischen Weg. Das Beharren auf Maximalforderungen hat in den letzten Jahren keine Lösung gebracht. Anders als 2015 haben viele Flüchtlinge kein Anrecht auf Asyl, eine Vorprüfung an der Grenze könnte den Druck reduzieren und für eine schnellere und humanere Asylpolitik führen.

Mittwoch, 16. September 2020

Moria - eine moralische Bankrotterklärung?

Verschiedene Kommentatoren beschäftigen sich mit den Bränden im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos und der Verantwortung der EU

Nie wieder Moria

Katrin Elger kritisiert im SPIEGEL die EU-Flüchtlingspolitik nicht nur als menschenverachtend – sie nimmt Europa auch den letzten Trumpf auf der Weltbühne. Sie fürchtet um die Autorität, denn die Kritik an Menschenrechtsverletzungen anderer Regierungen verliert an Glaubwürdigkeit.
Die Stärke der EU besteht in „Soft Power“ – die EU ist militärisch ein Zwerg, ist wirtschaftlich aber ein wichtige Akteur – umso wichtiger, europäische Werte auch in der Asylpolitik aufrechtzuhalten: durch humane Aufnahmezentren, eine gute Gesundheitsversorgung und rasche Prüfung der Anträge.

Der Hafen Europas

In der ZEIT betont Ulrich Ladurner, dass die Katastrophe von Moria hätte nie passieren dürfen – und dennoch ist die EU weder eine Festung noch unmenschlich.
Bei aller Kritik an den Zuständen – die EU darf sich von Brandstiftern nicht die Migrationspolitik diktieren lassen. Ladurner fragt, warum die 2,5 Mrd. für das „Management der Migration“ für Griechenland nicht besser genutzt wurden. Zurecht verwahrt er sich mit der Gleichsetzung europäischer Fehler mit der systematischen Repression der Uiguren durch China oder dem Bombardement syrischer Krankenhäuser. Zudem hat Europa Hunderttausenden aufgenommen – Europa ist keine Festung.

Samstag, 29. August 2020

Deutschland, die EU und die Flüchtlingspolitik - Was haben wir geschafft?

„Wir schaffen das“ – die Pressekonferenz mit dem wohl bekanntesten Satz von Angela Merkel jährt sich in diesen Tagen zum fünften Mal. Aus diesem Anlass blicken viele Medien zurück und ziehen Bilanz.

Gespaltene Bilanz – und gespaltene Gesellschaft?

Die Urteile fallen unterschiedlich aus, aber ohne Frage wurde einiges erreicht: Viele Geflüchtete haben einen Arbeitsplatz gefunden und sind gut integriert, andere haben es (noch) nicht geschafft. Ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung beschreibt anschaulich zwei Geschichten, deren Schicksale stellvertretend für viele stehen.
 

Fehler, die ich mache, zählen doppelt

Auch in der Bevölkerung wird das Thema noch intensiv und emotional diskutiert, wie eine interessante Dokumentation im ZDF zeigt. Zu Wort kommen hier auch einige Geflüchtete, die sich trotz Erfolgen nicht zuhause fühlen. Ein bedrückendes Zitat: Alles, was ich mache, zählt. Ich habe Angst, dass ich irgendetwas Falsches mache und dann wird es pauschalisiert. Die Fehler, die ich mache, zählen vielleicht doppelt.
 

Ein Armutszeugnis für die  EU

Eindeutiger ist das Urteil über die EU, die es auch nach fünf Jahren nicht geschafft hat, eine gemeinsame Asylpolitik zu erreichen.
Nicht mal bei der Entlastung der völlig überfüllten Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln funktioniert, ganz zu schwiegen von einer Regelung für alle Geflüchteten. In einer Dokumentation in der ARD kommt ein Mitarbeiter von Pro Asyl zu Wort, der der EU ein schreckliches Armutszeugnis ausstellt.
Informationen zu der Sendung, in der auch auf die vergangenen Jahre zurückgeblickt wird, finden Sie hier

Dienstag, 11. August 2020

Europäische Werte mit Geld verteidigen?

Gerald Knaus, österreichischer Soziologe, der als Initiator des EU-Türkei-Deals bekannt wurde, hat im SPIEGEL (leider nur für Abonnenten) ein spannendes Essay zu einem weiteren großen EU-Thema geschrieben: der Rechtsstaatlichkeit und der Frage, wie sich europäische Werte verteidigen lassen. Seine Antwort „Mit einer Sprache, die überall verstanden wird: der des Geldes.“

Fördermittel kürzen bei Verletzung des Rechtsstaatlichkeit

Es gibt viele Akteure, die die Kürzung von Geldern fordern, wenn Staaten rechtsstaatliche Prinzipien nicht einhalten. Groß war auch die Enttäuschung, das beim EU-Gipfel in dieser Frage nur ein schwacher Kompromiss erzielt werden konnte. Interessant finde ich die Diskussion, der die notwendige qualifizierte Mehrheit sogar als Vorteil sieht: Dann müssten die Staaten wirklich Geschlossenheit zeigen, Orban könnte nicht wie üblich wenigen Staaten die Schuld zu schieben.

Orientierung an Erweiterungspolitik

Interessant finde ich auch den Vergleich zur Erweiterungspolitik: Bevor Staaten der EU beitreten können, müssen sie strikte Kriterien erfüllen, erhalten jedes Jahr ein Zeugnis und erhalten Geld entsprechend der erzielten Fortschritte. Warum sollen diese Regeln nicht mehr gelten, wenn die Staaten der EU beigetreten sind?

Solidaritäts- und Demokratieverwaltung

Ein weiterer spannender Ansatz ist die Koppelung an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof. Diesem Modell zufolge würde der Europäische Gerichtshof Entscheidungen treffen, das Thema wäre nicht mehr von politischen Kompromissen abhängig.

Die Sprache des Geldes

Es ist traurig, dass wir innerhalb der Europäischen Union ernsthaft über die Einhaltung von rechts-staatlichen Prinzipien reden müssen. Ich finde es außerdem bedauerlich, dass Politiker*innen unterschiedlicher Couleur Ungarn, Polen und auch anderen Kandidaten nicht entschieden(er) entgegentreten (hier mein Blogeintrag). Gerade deswegen sind die Vorschläge von Knaus erfolgsversprechend, denn letztlich zählt (nur) die Sprache des Geldes.

Mittwoch, 29. Juli 2020

Durchbruch beim EU-Gipfel - Hamilton-Moment oder aufgebrauchte Gemeinsamkeiten?

Über 90 Stunden haben die Staats- und Regierungschefs verhandelt – dann war sie da – eine Einigung über den mehrjährigen Finanzplan in Verbindung mit einem 750 Mrd.-Paket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise.
Die Beobachter sind sich nicht einig – ist die gemeinsame Schuldenaufnahme der Hamilton-Moment und die erste Stufe zu den Vereinigten Staaten von Europa? Oder sind die Gemeinsamkeiten aufgebraucht?

Durchbruch geschafft

Einen guten Überblick über die Ergebnisse des Gipfeltreffens finden Sie in der Süddeutschen Zeitung.
Positiv ist auf jeden Fall zu werten, dass ein Ergebnis erreicht wurde. Alle haben etwas gewonnen haben: Merkel hat den Deal, der Süden bekommt Geld, der Norden Rabatte, Ungarn und Polen müssen wenig wegen der Rechtsstaatlichkeit befürchten.
Die Grundlage der Einigung basiert auf einem Kompromiss zwischen Macron und Merkel. Macron konnte die gemeinsame Kreditfinanzierung durchsetzen, Merkel verhinderte eine gesamtschuldnerische Haftung. Dies ist eine gute Lösung für von beiden Seiten erhöhte Debatte über Corona-Bonds.

Der Hamilton-Moment und Deutschland als Gewinner

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, beschreibt in einem Essay für den SPIEGEL  den Hamilton-Moment, bezogen auf die 1790 beschlossene Fiskalunion, die in den „Vereinigten Staaten von Amerika“ mündeten. Fratzscher sieht in den Beschlüssen eine Grundlage für die europäische Fiskalunion. Außerdem sieht er in Deutschland den große Gewinner des beschlossenen Programms. „Das deutsche Wirtschaftsmodell, das auf Offenheit und Handel beruht, kann nur als Teil eines wirtschaftlich und politisch stark integrierten Europas langfristig überleben und erfolgreich sein.“

Rechtsstaatsignoranten und Sparsamkeitspopulisten

Es galt aber auch einige Kröten zu schlucken. Die Sparsamen Vier (Niederlande, Österreich, Schweden, Dänemark, später ergänzt durch Finnland) ließen sich ihre Zustimmung teuer bezahlen. Statt der Abschaffung wurden die Rabatte für die sog. Nettozahler sogar noch erhöht. Nachgiebiger waren die Vier beim Rechtsstaat, hier gelang nur eine wachsweiche Erklärung, die Polen und Ungarn als Sieg feierten. Bernd Ulrich beklagt in der ZEIT „Rechtsstaatsignoranten und Sparsamkeitspopulisten“.

Ein lernendes System, offen und pragmatisch

Bernd Ulrich zieht in seinem Artikel ein positives Fazit, er sieht die EU in besserer Verfassung als die Vereinigten Staaten von Amerika, was allerdings aktuell keine große Anforderung ist. Spannend finde ich den zweiten Teil der Analyse. „Die EU ist ein lernendes System, offen und pragmatisch.“

Dienstag, 9. Juni 2020

Die EU und der Westbalkan – Beitritt oder Partnerschaft?

Driftet der Westbalkan von Europa weg?

In einem Beitrag meines Blogs Europa verstehen bin ich auf die EU-Erweiterung eingegangen.
Die wichtigsten Punkte: Auch wenn ein Beitritt in den nächsten Jahren nicht aktuell ist, ist die Frage für die Zukunft der Europäischen Union sehr wichtig – auch aus strategischen Gründen. Denn wenn die Europäer sich nicht um die Staaten kümmern – China und Russland tun es.

Die Europäer werden nervös

Der Einfluss von Russland und China wächst. Darauf verweist Ulrich Ladurner in einer Analyse für die ZEIT.  Aktueller Anlass war die Huldigung des serbischen Präsidenten für China als echte Freunde. Dabei hat die EU die Staaten nicht nur in einem Gipfel im Blick, sondern hat auch zur Bekämpfung der Pandemie Gelder zur Verfügung gestellt.
Viele Beitrittsländer zweifeln, ob sie wirklich erwünscht sind und für diese Skepsis gibt es gute Gründe. Frankreichs Präsident Macron lieferte mit seiner – offensichtlich innenpolitisch motivierten – Blockade der Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien für Frust– und das nachdem das Land allein mit der Umbenennung ein hohes politisches Risiko eingegangen ist.

Partnerschaft als Alternative?

Michael Martens fordert in seinem Kommentar Abgehängter Westbalkan in der FAZ  ein Spiel mit offenen Karten.  Kommt eine Vollmitgliedschaft auf absehbare Zeit nicht in Frage, sollte man das auch so sagen.
Stattdessen sollte es eine klare Alternative geben, um ein Abdriften der Region zu verhindern, z.B. durch die Debatte, ob die europäische Industrie nicht einen Teil der Produktion aus Asien nach Europa zurückbringen könnte.

Freitag, 15. Mai 2020

Die sieben größten Irrtümer des Euro

Ein etwas reißerischer Titel, manchen Unschärfen und auch die Argumentation ist manchmal holprig, sehenswert ist es trotzdem. In einer Dokumentation des ZDF geht es um Aspekte des Euros.

1 Euro oder Teuro

Das ist unstrittig: Der Euro ist kein Teuro. Die Vorurteile stimmen nicht, der schlechte Ruf am Anfang war unberechtigt und gerade die letzten Jahre zeigen, dass die Preise langsam steigen.

2 Stopp auf halbem Weg

Hier verweisen die Autoren zurecht auf eine Reihe von Faktoren: 
der Verzicht auf eine politische Union, die mangelnde Währungsdisziplin und die gegensätzlichen Wirtschaftskulturen der Mitgliedsländer, der Einsatz von Schulden als politisches Druckmittel, der permanente Braindrain der wirtschaftlich schwachen Euro-Staaten, der rigide Sparzwang als Mittel der Krisenbekämpfung und nicht zuletzt das schlechte Image des Euro in weiten Bevölkerungsteilen.

3 Zwei Motoren, keine Richtung

Hier geht es um den deutsch-französischen Motor. Fragwürdig finde ich, dass die von Theo Waigel und anderen längst widerlegte Geschichte, dass Deutschland die D-Mark opfern musste. Haltlos auch die These, dass Deutschland und Frankreich keine Richtung vorgeben nicht berechtigt. Gerade aufgrund der Freundschaft – auch zwischen den jeweiligen Präsidenten und Bundeskanzlern – wurde vieles erreicht. Zustimmen kann ich natürlich der These, dass sich Deutschland und Frankreich einig sein sollten.

4 Alle in einem Boot

Hier geht’s um die Sünden der Vergangenheit und Gegenwart und die mangelnde Währungsdisziplin fast aller Mitgliedsländer. „Von Anfang an wurde geschummelt. Das zeigte sich schon beim Beitritt Griechenlands zum Euro. Obwohl das Land die wirtschaftlichen Kriterien nicht erfüllte, drückten die anderen Mitgliedsländer aus geostrategischen Gründen ein Auge zu. Doch nicht nur Griechenland, auch andere Euro-Staaten verstießen immer wieder gegen die Defizit-Kriterien, darunter auch Deutschland und Frankreich. 2018 konnten gar nur zehn von 19 Mitgliedsländern die Kriterien erfüllen, die man zur Sicherung des Euro beschlossen hatte.“

5 Sparen um jeden Preis

War die Euro-Rettungspolitik ein Erfolg? Darüber kann man trefflich streiten, ebenso wie die beschlossenen Maßnahmen. Die Autoren verweisen auf den erfolgreichen Beispiele wie Portugal, die ihren eigenen Weg gegangen sind. „Sparen um jeden Preis“ ist rückblickend sicher nicht richtig, weder in den betroffenen Ländern, noch in Deutschland, wo die schwarze Null bereits vor der Corona-Krise zunehmend in der Kritik war.

6 Schulden als Waffe

Auch der Titel dieses Irrtums klingt etwas bombastisch, die in diesem Abschnitt behandelten Punkte sind aber wichtig:
Die Debatte über die Corona-Bonds haben erneut gezeigt, wie erbittert nach wie vor über die Übernahme von Schulden gestritten wird, die Deutschland damals durchgesetzt hat.
Deutschland war eines der ersten Ländern, die Regeln verletzt hatte
Die niedrigen Zinsen haben Länder dazu gebracht, sich zu verschulden.
Der Titel „Schulden als Waffe“ ist nur im Fall Italiens versucht worden – mit letztlich überschaubarem Erfolg: Die Regierung Conte mit dem umtriebigem Innenminister Salvini hatte letztlich kein Erfolg.

7 Der Ruf des Geldes

Im letzten Teil geht es um einen Aspekt, der nicht so oft im Fokus steht: Die Abwanderung von Fachkräften aus den Krisenländern – allein 18000 Ärzte aus Griechenland – verschärft die Probleme der ohnehin fragilen Gesundheitssystemen. Oft

Fazit

Ich bin kein großer Fan des Ökonomen Hans-Werner Sinn, ein Vergleich von ihm gefällt mir aber. So groß die Probleme des Euros auch sind, es gibt kein Weg zurück: Man kann aus einem Rührei kein Ei mehr machen.
Man kann aber die Probleme angehen, ob es wirklich die sieben in diesem Video beschriebenen Irrtümer sind, ist ein anderes Thema. Aber überzeugen Sie sich selbst:

Donnerstag, 7. Mai 2020

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur EZB – Sieg der Demokratie oder osteuropäischer Rechtspopulisten?

Eine der wichtigsten Maßnahme der Europäischen Zentralbank zur Rettung des Euros war der Ankauf von Staatsanleihen. Mittlerweile hat die EZB Staatsanleihen im Wert von mehr als 2 Billionen in ihren Büchern. Da die EZB nach einem Verteilungsschlüssel  kauft, ist der größte Anteil mit über 530 Mrd. übrigens Deutschland.
So finanziert die EZB die Staaten nicht direkt, sondern kauft sie auf dem Markt. Das war hochumstritten und wurde heftig diskutiert, hat aber mit dazu beigetragen, dass der Euro überlebt hat – mit allen Mitgliedern.
Die Kläger, unter ihnen Peter Gauweiler und der AfD-Gründer Bernd Lucke haben gegen das Programm geklagt und nun teilweise Recht bekommen. Es ging bei diesem Urteil ausdrücklich nicht um das aktuell aufgelegt Programm zur Bekämpfung der Corona-Krise

Scharfe Kritik an Europäischer Zentralbank und dem Europäischen Gerichtshof

Das Bundesverfassungsgericht hat nun festgestellt, dass das Aufkaufprogramm teilweise gegen das Grundgesetz verstößt. Neben der Europäischen Zentralbank, die laut den Verfassungsrichtern jenseits ihrer Kompetenzen gehandelt hat, bekam auch das Europäische Gerichthof sein Fett ab. Der EuGH habe bei seinem Urteil „methodisch nicht vertretbar“ agiert und das Rettungsprogramm zu Unrecht durchgewunken.

Die konkreten Folgen wahrscheinlich überschaubar

Die Bundesbank hat jetzt drei Monate Zeit, zusammen mit der EZB überprüfen zu lassen, ob die Aufkäufe der Staatsanleihen verhältnismäßig sind. Es ist anzunehmen, dass die Europäische Zentralbank diese Argumentation nachliefert und der Spielraum auch nicht dauerhaft. Die Kommentatoren beschäftigten sich deshalb auch vorrangig mit Folgen für Demokratie, Europa – und europäische Rechtspopulisten.

Ein Zeichen für mehr Demokratie und Rechtsstaat

Reinhard Müller feiert das Urteil in der FAZ als Zeichen für mehr Demokratie und Rechtsstaat. Er lobt das Beharren auf diese Form demokratischer Legitimation der EU „Selbstermächtigungen ohne Kontrolle haben in einem demokratischen Staat, aber auch in einem solchen Staatenverbund nicht verloren“

Die Richter mischen sich in einen politischen Streit ein

Angesichts der intensiven Diskussion über Nebenwirkungen hält Stefan Kaiser den Vorwurf, dass die „wirtschaftspolitischen Auswirkungen nicht ausreichend diskutiert“ für nicht gerechtfertigt. Er kritisiert die Machtdemonstration des Verfassungsgerichts: "Es ist eine Pose der Stärke gegenüber der EZB, die nun gezwungen werden soll, das Offensichtliche – die Nebenwirkungen der Anleihekäufe – doch bitte noch mal offiziell und schriftlich festzuhalten. Am Kaufprogramm muss sie dagegen wohl kaum etwas ändern. Wem das am Ende nützen soll, bleibt offen. Den deutschen Sparern jedenfalls nicht."

Eine schlechte Nachricht für Europa

Cerstin Gammelin sieht in dem Urteil eine schlechte Nachricht und befürchtet eine Schwächung der europäischen Rechtsgemeinschaft:
Das Bundesverfassungsgericht könnte ein schlechtes Vorbild für andere nationale Gerichte werden.
Stellen sich die Deutschen gegen die Richter in Luxemburg, können wir das auch. Es sei hier nur an die Vorgänge in Polen und Ungarn hingewiesen, wo Rechtsprechungen aus Luxemburg schlicht ignoriert werden.

Jubeln am Ende osteuropäische Rechtspopulisten?

Jan Puhl befürchtet, dass das Urteil rechtspopulistische Regierungen in Polen und Ungarn bestärken könnte. Das Urteil ist eine Steilvorlage für viele, die den Europäischen Gerichtshof zurückdrängen wollen. Dabei war zuletzt der Europäische Gerichthof einer der wenigen Stimmen, die dem Rechtsstaatsabbau in Polen und Ungarn noch etwas entgegen gesetzt haben.
Er verweist auf das ungarische Nachrichtenportal, die das Urteil in eine Reihe mit dem Brexit.
Mit dem Kompetenzverlust des EuGH verliere die EU grundsätzlich die Fähigkeit, gemeinsame demokratische Werte unter seinen Mitgliedern zu wahren.“ Verliert die EU grundsätzlich die Fähigkeit, gemeinsame demokratische Werte zu wahren?
Diese Folgen wären weitreichend – weit über irgendwelche Erklärungen der EZB hinaus.

Freitag, 24. April 2020

Über das Schuldenmachen und das Ende der EU

In einem Beitrag  habe ich bereits über die Crash-Propheten berichtet. Darunter war auch ein Streitgespräch zwischen Marc Friedrich und Peter Bofinger. Nun haben sich die beiden erneut zu einem Gespräch getroffen.

Sind Schulden das Problem oder die Lösung der Krise?

Bestsellerautor Marc Friedrich hat einen massiven Crash prophezeit und sieht sich durch die Pandemie bestätigt. Immerhin waren sich die beiden einig, dass sich die jetzige Krise deutlich von der Finanzkrise unterscheidet, da praktisch die ganze Wirtschaft betroffen ist, inkl. vieler Firmen, die gut funktioniert haben und keine Finanzierungsprobleme hatten.
Das war es dann auch – während Bofinger die Aufnahme neuer Schulden die einzige Möglichkeit ist, um aus dem Schlamassel herauszukommen, sind sie für Friedrich die Ursache aller Probleme.

Die Auflösung der EU?

Ich verfüge nicht über das Selbstbewusstsein der beiden Herren, die ihre Argumente ohne den Hauch eines Zweifels äußern. Deswegen möchte ich hier nur auf einen Lösungsansatz eingehen, den ich für völlig absurd halte: Friedrichs Forderung nach Abschaffung der „EU, EZB, all das, was zentralistisch und planwirtschaftlich fern der Menschen ist.“ Nach dem Brexit-Debakel haben viele rechte europäische Parteien die Forderung nach einem Austritt gestrichen – und Friedrich fordert genau das!

Viele wirtschaftliche, historische und politische Gründe für die EU

Es gibt viele Gründe gegen Friedrichs Argumentation. Zurecht bezweifelt Bofinger, dass sich europäische Staaten international behaupten können. Gewagt finde ich auch, in dieser Zeit, in der wirklich alle nach dem Staat rufen, auf die Heilkräfte des Markts zu hoffen. Der wichtigste Grund bleibt aber politisch: Die Europäische Integration und die Zusammenarbeit hat uns mehr als 70 Jahre Friede gebracht – das dürfen wir nicht gefährden.

Dienstag, 14. April 2020

Europäische Solidarität - mit oder ohne Corona-Bonds?

Nach langer Diskussion haben sich die EU-Finanzminister auf ein umfangreiches Rettungspaket geeinigt.
Es hat einen Umfang von 500 Mrd. Euro und besteht aus drei Bestandteilen:
  • Die Europäische Investitionsbank wird durch Bürgschaften bis zu 200 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten für Mittelständler ermöglichen.
  • Die EU-Kommission will zudem die Kurzarbeitergeld-Systeme der Staaten mit bis zu 100 Milliarden Euro unterstützen.
  • Der Euro-Rettungsschirm ESM soll Staaten mit der Gemeinschaftswährung vorsorgliche Kreditlinien zur Verfügung stellen.

(Noch) nicht dabei: Corona-Bonds

Fast interessanter ist aber das Element, das nicht in diesem Kompromiss dabei ist – die Corona-Bonds. Von Italien, Spanien und Frankreich gefordert, von Deutschland und den Niederlanden ebenso vehement abgelehnt. 

Corona-Bonds sind keine Euro-Bonds

Die Idee ist, dass die Mitgliedstaaten gemeinsam Kredite aufnehmen – wie sie es übrigens schon etliche Mal gemacht haben. Da Deutschland aufgrund seiner guten Bonität im Moment fast nichts für Kredite zahlen muss, die betroffenen Länder aber deutlich mehr, wären die Krediten für Spanien, Italien und andere billiger – und für Deutschland eben teurer.
Anders als bei den während der Finanzkrise diskutierten Euro-Bonds ginge es diesem Fall um eine klar definierte Aufgabe der Zukunft – den Wiederaufbau der Länder

Unterstützung von ungewohnter Seite

Die Corona-Bons sollen kein Dauerinstrument werden. Das betont auch der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Er gehört eher überraschend zu den Befürwortern, da sich nur so „europäische Solidarität“ organisieren. Den Europäischen Stabilisierungsmechanismen lehnt Hüther ab. Er ist aus der Finanzkrise entstanden und soll Banken stabilisieren. Er ist stigmatisierend und erhöht die Schulden weiter.



Corona-Bonds als Symbol - und Grund alte Vorurteile zu pflegen

Die Debatte ist auch sehr symbolisch, werden doch alte Vorurteile zwischen arroganten Nordeuropäern und faulen Südeuropäern neu belebt werden. Besonders bedauerlich finde ich, dass die Gemäßigten auf beiden Seiten auf ihren Positionen beharren zu müssen, damit sie nicht von Rechten (konkret: AfD in Deutschland, Lega in Italien) bedrängt werden.

Europäische Solidarität ist gefordert

Der Bundespräsident hat es in seiner Rede deutlich gemacht: Europäische Solidarität ist in unserem ureigensten Interesse. Noch pathetischer drücken es verschiedene Intellektuell, Künstler, Politiker und Ökonomen aus: „Europa kann nur weiterleben, wenn die Europäer jetzt füreinander einstehen“.

Weitere Informationen

Die verschiedenen Modelle werden in der ZEIT erklärt: Corona-Bonds, ESM oder doch lieber EZB?
Zum Hilfspaket: Süddeutsche Zeitung: Hilfspaket der EU
SPIEGEL: Was sind Corona-Bonds?
Die Tagesschau: Corona-Bonds sind kein Dauerinstrument
Aufruf in der ZEIT Europa kann nur weiterleben, wenn die Europäer füreinander einstehen

 

Montag, 6. April 2020

Es ist höchste Zeit, Polen und Ungarn zu stoppen

Im Blogeintrag Ungarn, Polen (und andere) auf Abwegen habe ich mich bereits meinen Frust zum Ausdruck gebracht - über Ungarn, Polen und die Reaktion der EU. Was sich Orban und Kacynski – und die EU! - aber während der Corona-Krise leisten, spottet jeder Beschreibung.

Ungarn – auf dem Weg in die Diktatur

In Ungarn ist das Parlament vorerst geschlossen. Die Notstandsgesetzgebung gilt bis auf Widerruf – durch das Parlament, das nicht mehr tagt. Nebenbei wird auch noch die Meinungsfreiheit bedroht durch ein Gesetz, das die Verbreitung falscher Nachricht unter Strafe stellt.

Abenteuerliche Veränderungen des Wahlrechts in Polen

Die Opposition kritisiert zurecht, dass die Präsidentschaftswahlen immer noch nicht abgesagt wurden. Während der Präsident durchs Land zieht (und dies von den mittlerweile auf Linie gebrach-ten Medien gefeiert wird), haben die anderen Kandidaten keine Chance.
Dann die Ideen zur Verdrehung des Wahlrechts. Um sie angeblich zu schützen, sollte das Recht auf Briefwahl nur für über 60jährige eingeführt werden – wohlwissend, dass diese treue Wähler/innen der PIS sind. Neuerster Clou: Die Amtszeit des Präsidenten soll verlängert werden, die Wahl damit gleich um zwei Jahre verschoben werden.

Die Reaktionen der EU – feige und ausweichend

Die Kommissionspräsidentin von der Leyen hat einen Tweet einige Punkte erwähnt, die eigentlich selbstverständlich sein sollten:
Notfallmaßnahmen dürfen nicht grundlegende Prinzipien verletzen, freie Medien sind wichtig, Rechtssicherheit und Meinungsfreiheit. Erstaunlicher ist, was sie nicht erwähnt hat: Um wen es geht, nämlich hanebüchene Gesetze von Polen und Ungarn, die diktatorische Tendenzen haben und – das ist der Gipfel – keine konkreten Gegenmaßnahmen. Kein Wunder, dass sich die Herrschenden in Polen und Ungarn ins Fäustchen lachen
Matthias Kolb bekommt es in einem Kommentar in der Süddeutschen über von der Leyen auf den Punkt:
Corona-Krise hin oder her: Sie darf sich nicht wegducken, wenn der Kern der EU bedroht ist, nämlich Rechtsstaat, demokratische Kontrolle und Medienfreiheit.

Entschlossenes Handeln

Der ungarische Politologe Daniel Hegedüs fordert im SPIEGEL (nur im Abo)
ein entschlossenes Handeln:
  • Die EU muss endlich verurteilen, dass EU-Grundwerte schwerwiegend verletzt werden.
  • Die Europäische Volkspartei muss die Orban-Partei Fidesz rausschmeißen
  • Die EU muss finanziellen Druck aufbauen
  • Durch Diplomatie und rechtliche Schritte müssen die Verstöße geahndet werden.

Am Ende macht Orbán, was er will, und kommt damit durch

Ähnlich wie viele Kommentator/innen bin ich skeptisch: Bis jetzt ist Orban immer durchgekommen und es spricht einiges dafür, dass er es wieder schafft. Verräterisch auch der Verweis auf das Totschlagargument „Es gibt Wichtigeres“, das von der Leyen und Kramp-Karrenbauer genutzt haben.
„Der Ungar darf zuhause über die Stränge schlagen, solange der in Brüssel halbwegs kooperativ bleibt“ so Krupas Fazit in der ZEIT.
"Sonst fällt dem Kampf gegen die Pandemie am Ende noch Europas Demokratie zum Opfer." wie es Stephan Israel im Tagesanzeiger befürchtet. 

Samstag, 28. März 2020

Europa in der Corona-Krise – gewinnt der Egoismus?

Die Corona-Krise stellt derzeit alles auf den Kopf. Sie wird langfristige Auswirkungen auf unsere Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben. Aufgrund der Bedeutung stelle ich in einem eigenen Blog Die Folgen der Corona-Krise Informationen zusammen.

In diesem Blog geht es um Europa: Rückt Europa in der Krise zusammen? Leider bisher nicht genug würde ich sagen, aber es ist auch noch nicht zu spät. In dieser Presseschau präsentiere ich Ihnen einige Kommentare, die mir aufgefallen sind.

Was für eine Enttäuschung

Der Titel des Essays im SPIEGEL vom 11. März spricht für sich. Nils Minkmar beklagt Kleinstaaterei und Konkurrenzdenken, die europäische Solidarität ist ein ferner Traum.

Alles nur Sonntagsreden?

Die EU-Staaten schlossen erst mal – unabgestimmt – ihre Grenzen, horteten medizinischen Materials und schauten erst mal auf sich:
Wie viele Sonntagsreden wurden zum Lob des großen Projekts gehalten? Wie oft wurde Europa als unser Rezept gegen Nationalismus, Irrationalismus und illiberale Tendenzen beschworen? Aber als es ernst wurde, waren Italien und dann Spanien allein.

Die Flüchtlingskrise ist auch noch da

In der Corona-Krise geht fast unter, dass wir auch noch eine Flüchtlingskrise haben. Auch hier legt Minkmar den Finger in die Wunde.

Unterdessen wurde auch schnell mal das Grundrecht auf Asyl außer Kraft gesetzt, auf das sich Flüchtlinge jederzeit berufen dürfen. Ein Schritt, den sich nicht einmal Trump traute. Das war also die berühmte Sicherung der Außengrenzen gegen die Ärmsten der Armen, was für eine Heldentat!  Unbewaffnete Zivilisten hart abzuweisen und sie wochenlang in schlimmsten Bedingungen hausen zu lassen ist kein Grund für Heldenrhetorik und eine Schande für Europa.

Der Egoismus gewinnt

Markus Becker beklagt in einem Kommentar auf SPIEGEL ONLINE die zögerliche EU.
Die Coronakrise bietet der EU die Chance, ihren Bürgern und ihren Gegnern zu zeigen, was sie kann. Doch die Europäer sind auf dem besten Weg, die einmalige Gelegenheit zu verspielen - wegen des Geldes.

Im Süden wird gestorben, im Norden wird gespart

Die hat mittlerweile gehandelt: Die Schulden- und Defizitregeln wurden ausgesetzt, im Haushalt wurden Milliarden umgewidmet. Aber beim Gipfel wurde wieder mal ums Geld gestritten, während China und Russland Italien beliefert – und sich diesen PR-Sieg nicht entgehen lässt.

Ein verstolperter Elfmeter

Dabei wäre durchaus die Chance gewesen, irrlichternden westlichen Partner eine Alternative aufzuzeigen, wie Becker ausführt:
Das Tragische daran: Noch nie war es für die EU so leicht wie jetzt, ihre Gegner vorzuführen. US-Präsident Donald Trump und der britische Premier Boris Johnson etwa beweisen gerade eindrucksvoll, dass sie einen Krisenmanager nicht einmal überzeugend spielen können. 

Europas Stunde schlägt noch

Stefan Kornelius ist in der Süddeutschen vom 28. März etwas optimistischer: Europas Stunde schlägt noch. Nationalstaaten sind nun mal die handlungsstärksten Institutionen – sie wirken mit Blick nach innen zum Wohl ihrer Schutzbefohlenen.
Wenn die Welle über den Kontinent zusammengebrochen ist und der Wiederaufbau beginnt, dann schlägt die Stunde der Gemeinschaft.

Die Hoffnung bleibt

So versuche ich auch in Bezug auf Europa optimistisch zu bleiben. Die Hoffnung habe ich auch durch die Menschen: Krankenhäuser übernehmen Kranke aus dem Elsass, die Bundeswehr hilft in Frankreich. Alles nur Symbole angesichts der gigantischen Probleme, aber manchmal sind auch Symbole wichtig.
Beeindruckend auch die Bilder in den Grenzgebieten, die angesichts der geschlossenen Grenzen zeigen: Das darf nur vorübergehörend sein, wir gehören zusammen!

Montag, 23. März 2020

Adieu Menschlichkeit, adieu Europa?

Trotz oder gerade wegen der Corona-Krise - durch den Virus verschlimmert sich die Situation der Geflüchteten - werfe ich in dieser Presseschau einen Blick auf die aktuelle Situation an den EU-Außengrenze.

Der fatale Rechtsbruch an den EU-Außengrenzen

Im Bericht des ARD-Magazins Titel Thesen Temperamente wird die Frage gestellt, ob wir an unseren humanitären Ansprüchen scheitern. Ja meinen die Interviewten dieses Berichts, darunter die Journalistin Heelberg, die die Aussetzung des Asylrechts kritisiert.
Für den Philosophen Julian Nida-Rümelin zeigt die Situation, dass die EU jahrelang nichts getan hat. Grenzsicherung hält er für gerechtfertigt, "aber sie sollten sie nicht unter Menschenrechtsverletzungen sichern. Schüsse zum Beispiel kommen nicht in Frage. Das ist auch nicht vereinbar mit europäischen Werten und mit europäischem Recht."



Griechenland braucht Hilfe 

Die Mitschuld und die perfide Taktik Erdogans wird im ARD-Bericht ebenso kritisiert wie von Tobias Zick, der in einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung Unterstützung für Griechenland einfordert. Die Europäer haben zu wenig gelernt aus den Ereignissen von 2015 und lassen Griechenland weitgehend allein mit den Asylsuchenden.
Die EU-Staaten müssen dafür sorgen, dass an ihrer gemeinsamen Außengrenze schnellstens wieder Recht und Ordnung einkehren; konkret: Sie müssen sicherstellen, dass nicht Sicherheitskräfte mit Tränengas und Bürgerwehren mit Knüppeln darüber entscheiden, wer in Europa ein Recht auf Schutz hat, sondern Beamte mit rechtsstaatlichen Mitteln.

Drei Dinge, die Merkel jetzt tun müsste 

Christoph Schult nimmt in einem Kommentar in SPIEGEL ONLINE die Kanzlerin in die Pflicht: Angela Merkel hat den EU-Deal mit der Türkei nach der Flüchtlingskrise von 2015 ausgehandelt, aber zu wenig getan, um den Syrienkrieg einzudämmen.  
Nach Schults Ansicht muss Merkel jetzt dreifach aktiv werden:
1. Ein neuer Deal mit Erdogan. Mehr Geld, aber auch die Hebel wie die Ansiedlung eines Volkswagen-Werks, das sich derzeit verzögert.
2. Merkel kann auch mit Putin verhandeln: Sie ist eine gute Vermittlerin und hat dies beim Thema Libyen bewiesen
3. Merkel muss sich (noch) stärker für einen Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU einsetzen.

Dossier zur Situation an der EU-Außengrenze 

Die Landeszentrale für politische Bildung hat ein interessantes Dossier zur Situation an der griechischen Grenze, mit Zusammenfassungen, einer Chronik sowie Zahlen und Fakten.

Sonntag, 23. Februar 2020

Billionen für Pfennigfuchser - der Streit um den Haushalt

Die Europäische Union soll immer mehr Aufgaben übernehmen, aber mehr bezahlen will keiner.

Umstrittener Plan

Schon die Berichterstattung über den Vorschlag aus dem Mai 2018 war hanebüchen (siehe Blogeintrag) und besser wurde es nicht. Einen ganzen Gipfel lang stritten sich die Staats- und Regierungschefs, ob die Mitgliedstaaten zukünftig 1,0 oder 1,1 % des Bruttoinlandsprodukts zahlen sollen.

Ein trauter Kinoabend

In seiner Kolumne Billionen für Pfennigfuchser rechnet Thomas Fricke vor, dass jede*r Bundesbürger*in aktuell etwa 300 Euro jährlich für die Europäische Union ausgibt. Eine mögliche Erhöhung würde also etwa 30 Euro ausmachen. Man kann darüber streiten, ob es viel mehr sein sollte, wie Fricke fordert, aber diese Erhöhung ist durchaus berechtigt angesichts der Herausforderungen – und in etwas soviel wie ein trauter Kinoabend kostet.

Neue Aufgaben, gleiche Ansprüche und ein Zahler weniger

Die EU hat sich (zurecht) viel vorgenommen: Der Green Deal soll Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen, mehr Geld für FRONTEX soll die Grenzen schützen, Wirtschaftsreformen und das Engagement für Flüchtlinge belohnen. Die gleichzeitig angedachte Reduzierung bei Struktur – und Agrarpolitik dürfte schwierig werden, da kaum jemand auf Gelder verzichten wird. Last but not least, gibt es mit Großbritannien einen Zahler weniger…

Investitionen für morgen

Fricke ist sicher, dass sich die Investitionen lohnen:
Es würde lohnen, die Zeit zu investieren – und dann auch reales Geld. Statt über Billionen zu orakeln, die in Wahrheit keine sind. Und die bei näherer Betrachtung eher Ausweis kurzsichtiger deutsch-europäischer Mickrigkeit sind. Auf Dauer wird so eine Investition in Welt und Klima von morgen allemal billiger, als jetzt Hundertstel Prozentpunkte zu sparen.

Mittwoch, 8. Januar 2020

Der Euro zerbricht dieses Jahr?

Seit ich mich intensiv mit der Euro- und Finanzkrise beschäftige – also im Prinzip seit dem Beginn vor 10 Jahren – bekomme ich bei der Internetrecherche immer wieder Werbung angezeigt, in dem ich auf das nahende Ende des Euros hingewiesen werde. Mal ist Gold die Alternativen, mal Ackerland oder Immobilien. Jetzt haben die beiden Crashpropheten Marc Friedrich und Matthias Weik ein neues Jahr für das Ende des Euros aufgerufen – 2023 – und stürmten die Beststellerlisten.

Fragwürdige Tipps

Ich kann Kleinsparer*innen verstehen – ich bin selber einer. Diesen aber hochriskante Bitcoins zu empfehlen finde ich mehr als fragwürdig. Ein weiterer dieser Propheten ist Max Otte, der zuletzt durch Auftritte bei AfD-Veranstaltungen Schlagzeilen machte. Interessanterweise sind die Fonds, in der sie ihr ganzes Wissen umsetzen, alles andere als erfolgreich, wie der Tagesspiel berichtete Wenn Crashpropheten selbst zu Bruchpiloten werden.

Sparschwemme statt Geldschwämme?

Marcel Fratzscher analysiert in seinem Gastbeitrag für den SPIEGEL, was an den Argumenten der Crash-Propheten dran ist. Ohne Frage ist die Überschuldung von Regierungen und Unternehmen tatsächlich ein großes Problem, was auch den Bankensektor verwundbar macht.
Statt einer Geldschwemme sieht Fratzscher aber „die viel zu hohen Ersparnissen von Bevölkerung und Unternehmen“ – auch die Deutschen sparen wie die Weltmeister. Hier treffen sich Überschul-dung und Geldschwemme: Die hohen Schuldenberge der einen können überhaupt erst dadurch zustande kommen, dass andernorts zu viel gespart wird.

Viele Menschen haben zu wenig vom Boom gespürt

Während man sich auch hierüber wieder treffend streiten kann, ist der weiteren Analyse zuzustimmen: Viele Menschen haben zu wenig vom Boom gespürt. Viele Menschen haben vom wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahre nur wenig profitiert, sie haben auch kein Vermögen, dass durch die niedrigen Zinsen gefährdet sein könnte. Hier muss die Politik handeln.
Auch seinem letzten Satz kann ich mich wieder ohne Einschränkung anschließen:
Ein Finanzcrash wäre weder die Lösung der heutigen Probleme noch ist er deren logische Konsequenz. Wir sollten uns daher nicht von falschen Propheten verführen lassen.