Donnerstag, 24. Juni 2021

Bidens Reise durch Europa – die Wiederkehr des Westens?

Angesichts der Politik von Donald Trump sah nicht nur Joschka Fischer das Ende des Westens, wie wir ihn kennen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an Joe Biden, auch bei seiner Reise durch Europa.

Rückkehr zur internationalen Kooperation

Wichtigste Nachricht für Europäer: Joe Biden setzt auf internationale Zusammenarbeit. Er zeigt dies unter anderem durch den Wiedereintritt in die Weltgesundheitsorganisation und das Klimaabkommen von Paris. Auch die transatlantische Partnerschaft möchte er reaktiveren, verbindet dies aber auch mit einer hohen Erwartungshaltung an die Europäer

Reise durch Europa – der Westen steht zusammen

Dies verdeutlichte Biden auch bei seiner Europareise, die ihn zu dem G7-Treffen, der NATO, EU und abschließend zu einem Treffen mit Russlands Präsident Putin führte. So unterschiedliche die Aufgabe und die Zusammensetzung der Treffen war, eine grundlegende Botschaft war: Der Westen hält zusammen. Beim NATO-Treffen sprach Biden von der Beistandspflicht als heiliger Verpflichtung – nicht nur für die osteuropäischen Mitglieder eine beruhigende Äußerung, nachdem Trump diese öffentlich in Frage gestellt hatte.

China und Russland in der Kritik

Spätestens seit der Besetzung der Krim ist Russland Hauptadressat westlicher Kritik. Diese zeigte sich sowohl bei der NATO als auch beim G7-Treffen. Diesem Treffen führender Industriestaaten hatte Russland zwischen 1998 bis 2014 noch angehöhrt, mittlerweile sind auch hier die Fronten verhärtet.
Erstmals nannte eine NATO-Entschließung auch China als Herausforderung, Sorgen bereiten das steigende Waffenarsenal als auch der Einfluss in der Welt. Als Antwort darauf haben die G7-Staaten eine Alternative zur Seidenstraße angekündigt.

Differenzen bleiben

Die Einigkeit in vielen Punkten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in vielen Punkten Differenzen bleiben, auch in Bezug auf China: Während die Amerikaner China als militärischen und technologischen Rivalen betrachten, ist es für die Europäer ein Wachstumsmarkt. Auch beim Abbau der gegenseitigen Strafzölle gab es nur wenig Bewegung – die USA bleiben ein schwieriger Partner.

Wiederbelebung des Projekts Westens?

Diese Differenzen können aber in einem Dialog behandelt werden – ein weiterer großer Vorteil zu Trump Vorgehen. „Biden beschimpft die Europäer nicht, er bitte sie höflich zum Schwur – ob die Europäer dem immer folgen werden, bleibt ebenso abzuwarten wie die Frage, ob die Wiederbelebung des Westens wirklich gelingt.

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Deutschlandfunk: Gipfel in Brüssel

Dienstag, 15. Juni 2021

Wer hat das letzte Wort in Europa?

Mit einem Strafverfahren gegen Deutschland eskaliert der Streit zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof. Thomas Kirchner analysiert dieses Verfahren in der Süddeutschen Zeitung und zeigt Hintergründe auf.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Machtfrage gestellt

Eigentlich war das Thema schon fast durch. Im Mai 2020 stellte das Bundesverfassungsgericht bei einer Entscheidung zum Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank die Autorität der Luxemburger Richter in Frage – und wie: "objektiv willkürlich" und "schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar“. Die EZB hatte eine Erklärung zum Programm geliefert, die Deutschland akzeptiert hat.

Eigentliches Ziel Polen und Ungarn?

Nun hat die Kommission ein Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht ein. Urteile des obersten EU-Gerichts seien für alle Staaten verbindlich. Der Autor vermutet, dass dieses Urteil eher an Polen und Ungarn gerichtet ist, die mit Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts betont haben, dass ihre Verfassungen übergeordnet sind.

Pragmatische Lösung in Sicht

Der Artikel zitiert einige Experten, die bezweifeln, ob dieses Verfahren sinnvoll, denn sowohl der Streit mit Polen und Ungarn als auch die Frage nach dem letzten Wort kann nur politisch entschieden werden. Andere verweisen auf mögliche Zwischentöne: bisher habe die EU die Spannung zwischen nationalem und EU-Recht immer pragmatisch aufgelöst.