Freitag, 15. Mai 2020

Die sieben größten Irrtümer des Euro

Ein etwas reißerischer Titel, manchen Unschärfen und auch die Argumentation ist manchmal holprig, sehenswert ist es trotzdem. In einer Dokumentation des ZDF geht es um Aspekte des Euros.

1 Euro oder Teuro

Das ist unstrittig: Der Euro ist kein Teuro. Die Vorurteile stimmen nicht, der schlechte Ruf am Anfang war unberechtigt und gerade die letzten Jahre zeigen, dass die Preise langsam steigen.

2 Stopp auf halbem Weg

Hier verweisen die Autoren zurecht auf eine Reihe von Faktoren: 
der Verzicht auf eine politische Union, die mangelnde Währungsdisziplin und die gegensätzlichen Wirtschaftskulturen der Mitgliedsländer, der Einsatz von Schulden als politisches Druckmittel, der permanente Braindrain der wirtschaftlich schwachen Euro-Staaten, der rigide Sparzwang als Mittel der Krisenbekämpfung und nicht zuletzt das schlechte Image des Euro in weiten Bevölkerungsteilen.

3 Zwei Motoren, keine Richtung

Hier geht es um den deutsch-französischen Motor. Fragwürdig finde ich, dass die von Theo Waigel und anderen längst widerlegte Geschichte, dass Deutschland die D-Mark opfern musste. Haltlos auch die These, dass Deutschland und Frankreich keine Richtung vorgeben nicht berechtigt. Gerade aufgrund der Freundschaft – auch zwischen den jeweiligen Präsidenten und Bundeskanzlern – wurde vieles erreicht. Zustimmen kann ich natürlich der These, dass sich Deutschland und Frankreich einig sein sollten.

4 Alle in einem Boot

Hier geht’s um die Sünden der Vergangenheit und Gegenwart und die mangelnde Währungsdisziplin fast aller Mitgliedsländer. „Von Anfang an wurde geschummelt. Das zeigte sich schon beim Beitritt Griechenlands zum Euro. Obwohl das Land die wirtschaftlichen Kriterien nicht erfüllte, drückten die anderen Mitgliedsländer aus geostrategischen Gründen ein Auge zu. Doch nicht nur Griechenland, auch andere Euro-Staaten verstießen immer wieder gegen die Defizit-Kriterien, darunter auch Deutschland und Frankreich. 2018 konnten gar nur zehn von 19 Mitgliedsländern die Kriterien erfüllen, die man zur Sicherung des Euro beschlossen hatte.“

5 Sparen um jeden Preis

War die Euro-Rettungspolitik ein Erfolg? Darüber kann man trefflich streiten, ebenso wie die beschlossenen Maßnahmen. Die Autoren verweisen auf den erfolgreichen Beispiele wie Portugal, die ihren eigenen Weg gegangen sind. „Sparen um jeden Preis“ ist rückblickend sicher nicht richtig, weder in den betroffenen Ländern, noch in Deutschland, wo die schwarze Null bereits vor der Corona-Krise zunehmend in der Kritik war.

6 Schulden als Waffe

Auch der Titel dieses Irrtums klingt etwas bombastisch, die in diesem Abschnitt behandelten Punkte sind aber wichtig:
Die Debatte über die Corona-Bonds haben erneut gezeigt, wie erbittert nach wie vor über die Übernahme von Schulden gestritten wird, die Deutschland damals durchgesetzt hat.
Deutschland war eines der ersten Ländern, die Regeln verletzt hatte
Die niedrigen Zinsen haben Länder dazu gebracht, sich zu verschulden.
Der Titel „Schulden als Waffe“ ist nur im Fall Italiens versucht worden – mit letztlich überschaubarem Erfolg: Die Regierung Conte mit dem umtriebigem Innenminister Salvini hatte letztlich kein Erfolg.

7 Der Ruf des Geldes

Im letzten Teil geht es um einen Aspekt, der nicht so oft im Fokus steht: Die Abwanderung von Fachkräften aus den Krisenländern – allein 18000 Ärzte aus Griechenland – verschärft die Probleme der ohnehin fragilen Gesundheitssystemen. Oft

Fazit

Ich bin kein großer Fan des Ökonomen Hans-Werner Sinn, ein Vergleich von ihm gefällt mir aber. So groß die Probleme des Euros auch sind, es gibt kein Weg zurück: Man kann aus einem Rührei kein Ei mehr machen.
Man kann aber die Probleme angehen, ob es wirklich die sieben in diesem Video beschriebenen Irrtümer sind, ist ein anderes Thema. Aber überzeugen Sie sich selbst:

Donnerstag, 7. Mai 2020

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur EZB – Sieg der Demokratie oder osteuropäischer Rechtspopulisten?

Eine der wichtigsten Maßnahme der Europäischen Zentralbank zur Rettung des Euros war der Ankauf von Staatsanleihen. Mittlerweile hat die EZB Staatsanleihen im Wert von mehr als 2 Billionen in ihren Büchern. Da die EZB nach einem Verteilungsschlüssel  kauft, ist der größte Anteil mit über 530 Mrd. übrigens Deutschland.
So finanziert die EZB die Staaten nicht direkt, sondern kauft sie auf dem Markt. Das war hochumstritten und wurde heftig diskutiert, hat aber mit dazu beigetragen, dass der Euro überlebt hat – mit allen Mitgliedern.
Die Kläger, unter ihnen Peter Gauweiler und der AfD-Gründer Bernd Lucke haben gegen das Programm geklagt und nun teilweise Recht bekommen. Es ging bei diesem Urteil ausdrücklich nicht um das aktuell aufgelegt Programm zur Bekämpfung der Corona-Krise

Scharfe Kritik an Europäischer Zentralbank und dem Europäischen Gerichtshof

Das Bundesverfassungsgericht hat nun festgestellt, dass das Aufkaufprogramm teilweise gegen das Grundgesetz verstößt. Neben der Europäischen Zentralbank, die laut den Verfassungsrichtern jenseits ihrer Kompetenzen gehandelt hat, bekam auch das Europäische Gerichthof sein Fett ab. Der EuGH habe bei seinem Urteil „methodisch nicht vertretbar“ agiert und das Rettungsprogramm zu Unrecht durchgewunken.

Die konkreten Folgen wahrscheinlich überschaubar

Die Bundesbank hat jetzt drei Monate Zeit, zusammen mit der EZB überprüfen zu lassen, ob die Aufkäufe der Staatsanleihen verhältnismäßig sind. Es ist anzunehmen, dass die Europäische Zentralbank diese Argumentation nachliefert und der Spielraum auch nicht dauerhaft. Die Kommentatoren beschäftigten sich deshalb auch vorrangig mit Folgen für Demokratie, Europa – und europäische Rechtspopulisten.

Ein Zeichen für mehr Demokratie und Rechtsstaat

Reinhard Müller feiert das Urteil in der FAZ als Zeichen für mehr Demokratie und Rechtsstaat. Er lobt das Beharren auf diese Form demokratischer Legitimation der EU „Selbstermächtigungen ohne Kontrolle haben in einem demokratischen Staat, aber auch in einem solchen Staatenverbund nicht verloren“

Die Richter mischen sich in einen politischen Streit ein

Angesichts der intensiven Diskussion über Nebenwirkungen hält Stefan Kaiser den Vorwurf, dass die „wirtschaftspolitischen Auswirkungen nicht ausreichend diskutiert“ für nicht gerechtfertigt. Er kritisiert die Machtdemonstration des Verfassungsgerichts: "Es ist eine Pose der Stärke gegenüber der EZB, die nun gezwungen werden soll, das Offensichtliche – die Nebenwirkungen der Anleihekäufe – doch bitte noch mal offiziell und schriftlich festzuhalten. Am Kaufprogramm muss sie dagegen wohl kaum etwas ändern. Wem das am Ende nützen soll, bleibt offen. Den deutschen Sparern jedenfalls nicht."

Eine schlechte Nachricht für Europa

Cerstin Gammelin sieht in dem Urteil eine schlechte Nachricht und befürchtet eine Schwächung der europäischen Rechtsgemeinschaft:
Das Bundesverfassungsgericht könnte ein schlechtes Vorbild für andere nationale Gerichte werden.
Stellen sich die Deutschen gegen die Richter in Luxemburg, können wir das auch. Es sei hier nur an die Vorgänge in Polen und Ungarn hingewiesen, wo Rechtsprechungen aus Luxemburg schlicht ignoriert werden.

Jubeln am Ende osteuropäische Rechtspopulisten?

Jan Puhl befürchtet, dass das Urteil rechtspopulistische Regierungen in Polen und Ungarn bestärken könnte. Das Urteil ist eine Steilvorlage für viele, die den Europäischen Gerichtshof zurückdrängen wollen. Dabei war zuletzt der Europäische Gerichthof einer der wenigen Stimmen, die dem Rechtsstaatsabbau in Polen und Ungarn noch etwas entgegen gesetzt haben.
Er verweist auf das ungarische Nachrichtenportal, die das Urteil in eine Reihe mit dem Brexit.
Mit dem Kompetenzverlust des EuGH verliere die EU grundsätzlich die Fähigkeit, gemeinsame demokratische Werte unter seinen Mitgliedern zu wahren.“ Verliert die EU grundsätzlich die Fähigkeit, gemeinsame demokratische Werte zu wahren?
Diese Folgen wären weitreichend – weit über irgendwelche Erklärungen der EZB hinaus.