Montag, 14. März 2022

Deutschland mit Soft-Power als Leuchtturm?

In den Debatten dominieren die Realisten, diejenigen die es immer schon wussten, dass nur Hard-Power, also militärische Abschreckung zählt. Andere, die auf Diplomatie und sanfte Methoden gesetzt haben, gelten als naiv. Deshalb war der Beitrag in der Süddeutschen Zeitung von Andrian Kreye wohltuend: Deutschland als Leuchtturm

Soft-Power Strategie

Das Konzept „Soft power“ wurde von Joseph Nye geprägt. Es geht davon aus, dass es eine erfolgsversprechende Strategie ist, andere Staaten zu überzeugen, statt sie aktiv zu bezwingen. Die Strategie besteht aus drei Säulen: Kultur, Konsum und Hilfe – Die eigenen Werte sollen als Vorbild in die Welt projiziert werden. Beispiele für diese Strategie sind die USA, die mit Kultur wie Jazz, Coca-Cola oder Hollywood.

Deutschland als Großmacht der Soft-Power-Strategie?

Deutschland hat bereits 2015 durch große Hilfsbereitschaft bei der Aufnahme von Flüchtlingen gezeigt, was sie für viele Analysten zu den wichtigsten Soft-Power-Ländern gebracht haben. Allerdings ist der Erfolg hier schwerer bestimmbar, denn anders als wirtschaftliche und militärische Eroberungen haben sie keine klaren Ergebnisse. Schon vor dem Krieg in den Ukraine-Krieg gab es Kritik an diesem Gutmenschentum, soziales Engagement gilt als weltfremd und nativ.

Smart Power als Ausweg

Mit dem Krieg wurden die Schwächen deutlich – Kulturaustausch und Handel sind zwei der drei Säulen zerstört. „Realisten“ wie Politikwissenschaftler John Mearsheimer, Niall Fergussan oder der General Carlo Massala triumphieren.
Kreye betont aber, dass Soft-Power-Strategien weiterhin sinnvoll sein können, in dem diese mit harter Macht verbindet. Eine humane Flüchtlingspolitik kann einen Beitrag dazu leisten.
„Wenn es Deutschland also schafft, sich trotz Krieg und zwölftstelliger Rüstungssonderzulagen auf seine Rolle als Großmacht der Soft Power zu besinnen, kann man auch als Pazifist rufen: Auf in den Kampf!“

Mittwoch, 2. März 2022

Drei Sorten von Putin-Fans

Christian Stöcker beschreibt in seiner Kolumne im SPIEGEL drei Arten von Putin-Fans – und neue Klarheiten

Erkenntnisse und Klarheit

Die erste Erkenntnis: „Alle, die seit vielen Jahren sagen, dass der Mann ein unberechenbarer, soziopathischer Egomane ist, der Verhandlungen als Show aufführt, lügt, betrügt, manipuliert und bei Bedarf tötet, hatten recht“ Die zweite Erkenntnis ist, dass die Linien nicht entlang von Parteien verlaufen.

Linksradikale und selbstsüchtige Putin-Fans

Die beiden ersten Sorten werden von Sahra Wagenknecht und Gerhard Schröder repräsentiert.
Wagenknecht seht für die Linken, die Putin immer noch die Treue halten, Schröder für die „völlig ideologiefrei, rein opportunistisch und selbstsüchtig agierende Putin-Fans“

Die rechte Internationale

Die größte und gefährlichste Gruppe ist die rechten Internationale: Dazu gehören Donald Trump und sein früherer Wahlkampfberater Stephen Bannon, oder Fox News-Propagandisten Tucker Carlson die Putin cool finden, weil er gesellschaftlich genauso rückständig denkt wie sie. Trump verstieg sich sogar zu einem Verweis auf die große Lüge, mit der er seit der verlorenen Wahl hausieren geht: »Und all das wegen einer manipulierten Wahl. Stöckers passender Kommentar zu diesem Verhalten: Brechreizerregend
Aber auch in Europa gibt es Unterstützung von Leuten, die von ihnen selbst wahrgenommenen Bedrohung der »Freiheit« durch Gendersternchen und »woke« Kultur schwadronieren, Die Freiheit der westlichen Industrienationen wird ganz sicher nicht von Gendersternchen bedroht, aber definitiv vom russischen Aggressor.

Erfolgreiche Vereinnahmung

Die von Russland viele Jahre betriebene Vereinnahmung der globalen Rechten, vereint durch pseudochristlich unterfütterten Rassismus, die Ablehnung alternativer Lebensformen, den festen Glauben an starke Männer und »traditionelle« Frauenrollen war erschreckend erfolgreich. Putin hat beim Brexit mitgemischt und nicht nur die Wahlen in den USA beeinflusst.
Die Bewegung ist auch eine Anti-Klimaschutzbewegung, die noch viel Unheil anrichten kann. Stöcker sieht ein Albtraumszenario der kommenden Jahre und Jahrzehnte und fordert eine klare Distanzierung.

Dienstag, 1. März 2022

Stärkt Putin ungewollt den Westen?

Erreicht Putin das Gegenteil des Erwünschten, nämlich die Erstarkung des Westens? Diese Hoffnung drückt Joachim Käppner in seinem Kommentar „Unter Wölfen“ aus. Dazu gelingt seiner Ansicht nach aber nur, wenn sich die freie Welt, die Demokratien wieder dessen besinnen, was der Kern ihres Wesens ist.

Eine langsam gewachsene Gemeinschaft

Käppner verweist auf Heinrich August Winkler, der den Westen als langsam gewachsene Gemeinschaft freier Staaten und „ein weltgeschichtlich einzigartiges Ensemble von Errungenschaften“ bezeichnet.

Die transatlantische Partnerschaft steht

Käppner betont, dass Biden zwar nicht der stärkste Präsident ist, aber ein überzeugter Transatlantiker, der Europa beisteht. Von Donald Trump hätte Europa keine Hilfe zu erwarten gehabt, im Gegenteil hat Trump Putin kürzlich als genial und clever bezeichnet.

Beitrag zur Stärkung des Westens

Nach dem Abzug des Westens aus Kabul stand das Bündnis am Tiefpunkt, nun hat ausgerechnet Putin für die Wiederbelebung gesorgt. Es wird deutlich, was die NATO ist: „eine Lebensversicherung für demokratische Staaten in einer Welt voller Wölfe.
Putins Aggression könnte diese verunsicherte westliche Welt dazu bringen, sich wieder ihrer Werte und ihrer Stärke bewusst zu werden: Menschenwürde, Grundreche, Meinungsfreiheit.

Gemeinsamer Beitrag zur Abschreckung und Verteidigung

Käppner fordert, dass Deutschland die katastrophalen Defizite der Bundeswehr angehen und einen größeren Beitrag zur Abschreckung und Verteidigung leisten muss, betont aber auch, dass der Versuch im Gespräch zu bleiben richtig war. „Diesen Versuch war das Land, das vor acht Jahrzehnten den Vernichtungskrieg gegen Russland (und die Ukraine) entfesselte, vor allem dem russischen Versuch schuldig“.

Der Westen – Mythos und Wirklichkeit

Johan Schloemann beschäftigt sich in seiner Analyse „Ein Klub und seine Grenzen“ in der Süddeutschen Zeitung mit dem Westen - gibt es den überhaupt noch, und was war er noch am

Der Begriff ist in aller Munde – ist es die "zivilisierte demokratische Staatengemeinschaft" wie Vitali Klitschko, dem Bürgermeister von Kiew betont? Und was gehört dazu EU plus Amerika, die NATO oder die G20 „abzüglich einiger schwarzer Schafe“. Einig sind sich viele, dass der Westen nie geeinter war. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts breiteten sich Konsumgesellschaft und Kapitalismus aus, die freie Welt wurde aber uneins. Es gab Selbstzweifel von links und rechts. Das Spektrum reicht „von einem exzessiven Neoliberalismus über Nationalpopulismus zu radikalem Postkolonialisierung.

Die Entwicklung eines Begriffs

Der Begriff Westen wurde im Kalten Krieg bekannt, als Gegenüber der kommunistischen Welt. Auch konservative Deutsche, die vorher eher Abendland, Mitteleuropa oder gar an Reich dachten, wurde der Betriff anschlussfähig.
Verwendet wurde der Betriff aber bereits vorher: in der griechischen Antike und den Perserkriegen wurde zwischen Westen der Freiheit und dem Osten als Despotie unterschieden – die Chinesen sahen es genau umgekehrt. Im Westen leben Barbaren.

Der Aufstieg des Westens

Heinrich Augst Winkler prägte mit seinem Werk „Geschichte des Westens“ die Debatte: Er sieht die Kirchentrennung als Voraussetzung und die die transatlantischen Revolutionen als Grundlage des Westens. Niall Fergusan benennt als zentrale Ideen den Schutz des Privateigentums, den Siegeszug der Wissenschaft und den Wettbewerbsgedanken.

Fortschritt und Abschottung

Andere Forscher beschreiben die doppelte Funktion: Fortschritt und Container. Fortschritt als mitunter bevormundendes Ideal, dem der Rest der Welt zu folgen hat. „Container“ steht für Abschottung und Abgrenzung gegenüber fremden Kulturen: der Westen als Klub, der sich zu schützen hat.
In der aktuellen Krise muss der Westen das neue Selbstbewusstsein erst noch zeigen: Eine militärische Antwort auf Russlands Aggression wurde zurecht ausgeschlossen, der Westen kennt seine Grenzen, in einer Welt, die er nicht mehr beherrscht.