Donnerstag, 19. Januar 2023

Wie steht es um die deutsch-französische Freundschaft?

Anlässlich des 60. Jahrestags der Unterzeichnung machen sich Kommentatoren Gedanken um den Zustand der deutsch-französischen Freundschaft

Nicht tot, aber verblüht

In einem Essay für die Süddeutsche Zeitung ist Nicolas Richter Optimismus. Die deutsch-französischen Freundschaft wirkt verblüht, die Differenzen können aber überwunden werden.

Die Differenzen waren bereits früh angelegt, können aber überwunden werden, wenn Präsident und Kanzler es wirklich wollen.
Die Nähe zwischen Präsident und Kanzlerin waren entscheidend - Weil Deutschland und Frankreich so eng verbunden sind, müssen es die Männer an der Spitze halt auch sein oder wenigstens so tun
Das Verhältnis zur USA ist eine ewige Quelle für Eifersucht und Verstimmung. De Gaulle wollte mit dem Vertrag den Einfluss der USA eindämmen, Deutschland wollte gleichzeitig aber die Nähe zur USA erhalten.
Der dritte Punkt ist das Ungleichgewicht der Macht. War anfangs Deutschland als Kriegsverlierer Juniorpartner, hat sich Deutschland als wirtschaftlich stärkerer Partner etabliert. Umso wichtiger ist es deshalb, Frankreich besser einzubinden und Alleingänge wie die von Scholz zu unterlassen.

Die Entfremdung

Der SPIEGEL beschreibt die Krise zwischen Deutschland und Frankreich. Der Ukrainekrieg stellt die deutsch-französischen Beziehungen vor historische Herausforderungen. Es geht um eine gemeinsame Verteidigungspolitik, um die Energieversorgung von morgen, um eine einheitliche Positionierung Europas gegenüber Russland

Sprachlosigkeit zwischen den Partnern

Im Bericht kommt Daniel Cohn-Bendit zu Wort, der beide kritisiert: »Scholz fehlt das notwendige europäische Gen, wie Helmut Kohl es besaß. Macron hat es, aber sieht alles durch die französische Brille.«Besonders bedauerlich ist, dass die beiden nicht absprachen. Nachdem Scholz seine Rettungsmaßnahmen nicht mit Paris abgesprochen atte, irrigierte Macron mit der Ankündigung von Panzerlieferungen.

Zusammenarbeit in schwierigen Zeiten

Bisher bewährte sich die deutsch-französische Freundschaft in schwierigen politischen Zeiten. Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt hatten die Grundlagen für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion geschaffen, Helmut Kohl und Francois Mitterand den Vertrag von Maastricht vorangetrieben. Merkel hat mit verschiedenen Präsidenten zusammengearbeitet, mit Macron hat sie 2020 die gemeinsame Schuldenaufnahme durchgesetzt.

Einigkeit und Zukunftsfähigkeit demonstrieren

Nach der Absage des deutsch-französischen Ministerrats sind nun beide Seiten bemüht, wieder gemeinsam voranzugehen. Geplant ist eine Erklärung, die die großen Linien definieren soll, Vorhaben für die kommenden 15 Jahre und die Frage, welches Europa Deutsche und Franzosen wollen, so hört man es aus dem Élysée. Man wolle sich zu diesem Datum nicht im Klein-Klein verlieren, sondern Einigkeit und Zukunftsfähigkeit demonstrieren.