Freitag, 26. Mai 2023

Abkommen könnten die europäische Migrationspolitik retten

In diesem Eintrag stelle ich zwei Artikel vor, die auf Abkommen mit Herkunftsländer setzen. Beide sehen massive Probleme für die EU, wenn dies nicht gelingt.

 "Wenn man wieder nichts hinbekommt, hat die EU ein Riesenproblem"

Auf Abkommen mit den Herkunftsländern setzt der Migrationsforscher Daniel Thym in einem Interview in der ZEIT.  Thym unterstützt die Idee, Verfahren an den EU-Außengrenzen durchzuführen. Da jeder Antrag individuell geprüft wird, bleibt das Asylrecht im Kern erhalten. Ein Problem wird die Sekundärmigration, die Menschen die von Spanien und Griechenland in andere Länder weiterreisen.

 Quoten, Kontingente, Resettlement – und effektive Rückführungen

Thym kritisiert, dass das europäische Asylrecht recht großzügig ist, andererseits alles unternommen wird, damit es möglichst niemand in Anspruch nimmt. Durch die abschreckenden Maßnahmen findet eine unfaire Selektion statt, da vor allem junge Männer kommen. Sein Vorschlag: schutzbedürftigen Menschen über Quoten, Kontingente und Resettlement helfen. Parallel fordert er effektive Rückführung ausreisepflichtiger Personen und legale Zugangswege.

Rechtliche Grundlagen

Thym betont die Unterschiede zwischen den Grundlagen: Die Genfer Flüchtlingskonvention ist nicht so streng und deckt das Vorgehen der USA und Australiens mit schnellen Verfahren und restriktiven Ma0nahmen ab. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist viel strenger, Er schützt auch Menschen vor nichtstaatlicher Verfolgung und vor Bürgerkriegen. Obergrenzen sind nicht möglich, sehr wohl aber Maßnahmen, dass weniger Menschen kommen.

Unterstützung für Italien und Griechenland

Thym fordert einheitliche und faire Verfahren an der Grenze. Langfristig sollten EU-Behörden das Verfahren übernehmen, um Kleinstaaterei im Innern und die Festung Europa nach außen zu verhindern.

 

Das deutsche Asyltheater zwischen Bund und Kommunen hilft nur der AfD

Steffen Lüdke kritisiert im SPIEGEL  die Flüchtlingsdebatte zwischen Bund und Länder, die mit der Realität an der EU-Außengrenze wenig zu tun hat – und am Ende nur der AfD hilft.

Falsche Versprechungen

Der tagelange Streit zwischen Bund und Ländern diente vor allem einem Zweck: Das deutsche Publikum sollte offensichtlich den Eindruck gewinnen, dass die hohe Zahl von Asylbewerbern endlich reduziert würde. Bereits jetzt ist Europa eingezäunt, Asylsuchende werden in Griechenland und Kroatien brutal zurückgedrängt. Die Forderung nach einem „physischen Schutz der Außengrenze“ erscheint hier bemerkenswert ahnungslos.

Alte und unrealistische Vorschläge

Einige der diskutierten Vorschläge sind alt – und nicht realistisch, wie der Gedanke ein Land mitten in Europa durch Grenzkontrollen abzuschotten. Auch der Vorschlag einer spezialisierten Einheit für Rückforderungen ist nicht zielführend, denn Abschiebungen scheitern in der Regel an den Herkunftsstaaten. „Das deutsche Asyltheater wird enttäuschte Wählerinnen und Wähler hinterlassen. Am Ende dürfte es einmal mehr nur die AfD stärken.“

Gemeinsame europäische Migrationspolitik ist notwendig

Die EU-Kommission hat bereits vor zwei Jahren Schnellverfahren an der Außengrenze vorgeschlagen. Der Autor hält es aber für unwahrscheinlich, wenn sich die Europäer auf eine gemeinsame Position finden. Die Mittelmeerstaaten dürften den Asylverfahren an ihren Grenzen nicht zustimmen, die Herkunftsländer werden die abgelehnten Asylbewerber nicht zurücknehmen. Dennoch wären diese Abkommen wichtig: Deutschland ermöglicht mehr legale Einwanderung, dafür nehmen die Partnerstaaten abgelehnte Asylbewerber zurück.

Migrationsdiplomatie ist mühselig

Die Verhandlungen sind schwierig, das Angebot an die Aufnahmestaaten muss so gut sein, dass die Abkommen nicht bei jedem Stimmungswechsel in sich zusammenfallen. „Gerade deshalb bräuchte es das, worauf der Kanzler normalerweise besonders stolz ist: effiziente Arbeit hinter den Kulissen – und weniger Theater.“

 

Freitag, 19. Mai 2023

Die europäische Migrationspolitik ist gescheitert

In meinen Beiträgen geht es diesen Monat mal wieder um die Migrationspolitik. Über einen tollen Vortrag zur globalen Migration berichte ich im Blog Politik verstehen. In diesem Beitrag geht es um zwei Kommentare in der Süddeutschen Zeitung  

Die Asylpolitik in Europa ist bankrott

Heribert Prantl kritisiert in der Süddeutschen Zeitung die Asylpolitik scharf. Er beklagt, dass seit 2014 über 25.000 Menschen im Mittelmeer gestorben. Aktuell in Deutschland und Europa diskutierten Vorschläge nach einer verstärkten Abschreckung erteilt er eine Absage. Die vorgeschlagenen Maßnahmen lassen von der Genfer Flüchtlingskonvention nicht mehr viel übrig. „Es gibt in der EU starke Tendenzen zu einer Trumpisierung, Salvinisierung, PiS-isierung und Orbánisierung der Asylpolitik, die aber einen wohlklingenden Namen tragen: "New Pact on Migration and Asylum" ist einer davon.

Entrechtungsmaßnahmen

Zu den „Entrechtungsmaßnahmen gehört die Ausweitung des Konzepts der sicheren Drittstaaten, Kriminalisierung der Seenotrettung, Unterstützung von Folterstaaten, die Küstenwache und das Konzept, Flüchtlinge in andere Staaten zu verfrachten. Auch die Forderung nach dem Bau von Mauern kritisiert er.

Europa muss nicht alle aufnehmen

Er betont, dass Europa nicht alle aufnehmen muss, die umfassende Illegalisierung muss aber beendet werden. „Europa muss legale Wege für Migration öffnen und befestigen - und damit klarmachen, dass es nicht einfach darum geht, die Flüchtlingszahlen niederzuknüppeln, sondern darum, Schutz und Hilfe auf einen guten Weg zu bringen.“

 

Wir brauchen schmutzige Deals

Auch Josef Kelnberger sieht die Europäische Migrationspolitik als gescheitert an. In der Süddeutschen Zeitung zieht er allerdings ein anderes Fazit: Wir brauchen schmutzigen Deal.
Alle Versuche einer europäischen Asylpolitik gescheitert, selbst bei der freiwilligen Seenotrettung steht nur noch Luxemburg auf der deutschen Seite. Viele Kommentare bezeichnen das Vorgehen der EU als zynisch. Eine der reichsten Regionen der Welt mit der Humanität als Wesenskern verbarrikadiert sich hinter Mauern und zahlt Autokraten und Milizionären viel Geld, um Menschen abzuhalten nach Europa zu kommen.

Je moralischer die Politik ist, desto größer wird das Problem

Es ist ein Gefühl der Machtlosigkeit, der Glaube an die Steuerungsfähigkeit stößt an die Grenzen.Es ist zu befürchten, dass Kriege und Klimawandel sogar noch mehr Menschen dazu bringt, den globalen Süden zu verlassen. Die Migrationsfrage ist aber mitverantwortlich für das Ansteigen rechter Parteien, viele Staaten fühlen sich überfordert: Mit den moralischen Standards, die Merkels Politik zugrunde lagen, lässt sich keine europäische Politik machen.

Alte Ideen wieder aktuell

Im Moment sind wieder Vorschläge aktuell, es werden „hohe Mauern und Zäune“ und Asyllager an den Außengrenze gefordert. Auch die „freiwillige Solidarität“ hat wieder Konjunktur, als das Prinzip, dass man sich freikaufen kann. Sollte Marine Le Pen in Frankreich zur Präsidentin gewählt werden, würde das vermutlich das Ende jeglicher europäischer Migrationspolitik bedeuten.Die Lage ist so verfahren, dass die Hoffnung im Zynismus liegt.

Mit Herkunftsländer über Wege der Migration verhandeln

Der Autor sieht die Lösung in Abkommen mit Herkunftsländern. „so schmutzig und unvollkommen er auch wirken mag“. Die Spielräume muss die EU nutzen, um über reguläre Migrationswege zu verhandeln und auch die Seenotrettung neu zu  organisieren. Die Alternative – gar kein Abkommen und ein Scheitern der EU – wäre noch schlimmer, denn was „ein zerfallendes Europa die blanke Unmenschlichkeit an seinen Grenzen bedeutet, dürfte jeder Realist prognostizieren, nicht der Zyniker.“

Freitag, 5. Mai 2023

Lobbyismus in Brüssel

Das ARD-Magazin FAKT berichtete in dieser Woche über Lobbyismus. Es stellte dabei vier Strategien der legalen Einflussnahme vor und verwies auf die Probleme. Nach dem Korruptionsskandal hat der Ruf ohnehin gelitten. In dem Bericht werden erfolgreiche Strategien legaler Einflussnahme vorgestellt.

Wiederhole die Botschaft

Am Beispiel des Lieferkettengesetzes wird aufgezeigt, wie Lobbyisten mit immer gleichen Botschaften auf verschiedenen Kanälen die Richtlinie abgeschwächt haben.

Keep it simple

Viele Lobbyisten schreiben gleich die konkreten Änderungswünsche, sodass die Abgeordneten nur noch den Antrag einbringen müssen. Ein Abgeordneter berichtet, dass er täglich rund 50 Anfragen bekommt, oft ist der konkrete Wunsch als Handlungsanweisung formuliert.

Geld und Ideen

„Wer überzeugen will, muss Geld in die Hand übernehmen“. Die führenden Unternehmen sind Meta, Apple und Bayer. Die meisten Akteure vertreten Industrieindustressen, weniger als ein Drittel setzen sich für zivilgesellschaftliche Themen ein. Auch Geschenke erhalten die Freundschaft, so versuchen manchen Firmen durch Weinverkostungen ihre Interessen voranzubringen.

Zusammen geht es leichter

Die vierte Strategie lautet Kooperationen. Am Beispiel des BASF-Chefs Brudermüller wird gezeigt, mit wieviel Unternehmen und Verbänden er verbunden ist und gemeinsam für seine Sache Stimmung macht.

Transparenz Fehlanzeige

Das Fazit des Berichts fällt bitter aus. Trotz Skandal ist Transparenz weiterhin Fehlanzeige. Selbst bei dem Versuch, ausscheidenden Abgeordneten eine „Abkühlphase“ zu verordnen, bevor sie ins Lobbyistenlager wechseln, ist keine Einigung zu erwarten. Vom Lobbyismus profitiert ganz klar die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft zu wenig.