Samstag, 26. Mai 2018

Der Brexit spaltet die Gesellschaft

In zwei Kommenaren in der Süddeutschen Zeitung beschäftigt sich Björn Finke mit der Politik von Theresa May - und kritisiert sie scharf.

Eigene Handelsverträge keine Alternativen 

In Teurer Traum zeigt er, dass es gar nicht sicher ist, ob Großbritannien überhaupt eigene Handelsverträge schließen kann, von denen die Befürworter des EU-Austritts schwärmen. Je nach Ergebnis der Austrittsverhandlungen könnte dies möglich sein, sie werden aber den drohenden Verlust des Handels mit der EU nicht ausgleichen können.
In Die Rosenpickerin behandelt er die Diskussionen über eine umfassende Zollunion:
Das würde nicht nur die Iren freuen, sondern auch die britische Exportindustrie. Allerdings wären die Brexit-Fans im Kabinett entsetzt, denn als Mitglied einer Zollunion kann Großbritannien keine eigenen Handelsverträge mit Staaten wie den USA abschließen. Außerdem müsste das Land Standards beachten, auf die es keinen Einfluss hat.

Die Spaltung der Gesellschaft und des Landes

Jeremy Adler, britischer Dichter und früher Professor am King's College sieht in seinem Beitrag Die Zerreißprobe sogar die Einheit Großbritanniens in Gefahr.

Regionen wie Edinburgh befinden sich bereits in einem Machtkampf mit London, denn sie wollen lieber direkt mit Brüssel verhandeln. Auch Wales hat dafür gestimmt, seinen eigenen Weg zu gehen. Besonders riskant ist die Situation in Nordirland. Die Administration dort ist zur Zeit des Amtes enthoben. Findet die britische Regierung für das Verhältnis zu Irland nach dem Brexit keine vernünftige Lösung, vor allem dafür, wie die Grenzen geregelt werden, dann droht dort Gewalt.
Am Ende des Brexits könnte dann statt eines entfesselten Großbritanniens ein vielfach aufgeteiltes Land stehen. Zerstückelt, wie einst König Lear sein Reich zerstückelt hat.

Freitag, 11. Mai 2018

Soll die EU weitere Mitglieder aufnehmen?

Sollte die EU weitere Mitglieder aufnehmen? Bedenken gibt es nicht nur über Beitrittskandidaten, Zweifel sind auch angebracht, ob die Europäische Union im Moment in der Lage ist, weitere Mitglieder zu verkraften.
Während man bei der Türkei noch fragen kann, ob sie aufgrund geographischer Lage überhaupt ein Beitritt gerechtfertigt ist, ist die Frage der Zugehörigkeit zu Europa bei den Westbalkan-Staaten eindeutig.

Länder, die ihre Hoffnung auf Europa richten

In einem Dossier in der Süddeutschen Zeitung, das auch online aufgerufen werden kann, berichten die Reporter über ihre Reise durch sechs Länder, die ihre Hoffnung auf Europa richten – und die vielleicht auch Europa Hoffnung geben könnten.

Die Beitrittskandidaten

Neben den anschaulichen Erzählungen sind auch die politischen und ökonomischen Daten interessant:

Laufende Verhandlungen 

Bei zwei Ländern laufen die Verhandlungen bereits, 2025 ist das Zieljahr für den Beitritt.

Serbien
Einwohner: 7 Millionen
Durchschnittsalter: 42,9 Jahre
Bruttoinlandsprodukt: 12 159 Euro pro Kopf


Montenegro
Einwohner: 623 000
Durchschnittsalter: 37,7 Jahre
Bruttoinlandsprodukt: 14 052 Euro pro Kopf

Kandidatenstatus

Zwei weitere Länder haben den Kandidatenstatus, es laufen aber noch keine Verhandlungen

Mazedonien
Einwohner: 2,1 Millionen
Durchschnittsalter: 37,4 Jahre
Bruttoinlandsprodukt: 12 316 Euro pro Kopf

Albanien
Einwohner: 2,9 Millionen
Durchschnittsalter: 36,2 Jahre
Bruttoinlandsprodukt: 9612 Euro pro Kopf

Potentielle Kandidaten

Zwei Länder sind potentielle Kandidaten – sie haben sicherlich noch einen weiten Weg vor sich

Kosovo
Einwohner: 2,9 Millionen
Durchschnittsalter: 36,2 Jahre
Bruttoinlandsprodukt: 9611 Euro pro Kopf

Bosnien-Herzegowina
Einwohner: 3,5 Millionen
Durchschnittsalter: 40,9 Jahre
Bruttoinlandsprodukt: 9245 Euro pro Kopf

Westbalkan-Staaten aufnehmen - trotz aller Probleme

Allein der Vergleich zum durchschnittlichen Bruttoinlandsprodukt der EU (32.700 Euro im Durch-schnitt – von 92.800 in Luxemburg bis Bulgarien 7100 Euro) zeigen die Probleme.
Peter Münch argumentiert in einem Kommentar für die Süddeutsche, dass die EU trotz aller Schwierigkeiten die Länder auf dem Westbalkan nicht weiter hinhalten darf.
Mit der Hoffnung wird gegenüber den Balkanstaaten bereits seit 2003 Politik gemacht. Damals wurde ihnen bei einem Treffen in Thessaloniki schriftlich zugesichert, dass ihre "Zukunft in der Europäischen Union liegt".

Wenn wir uns nicht kümmern, machen es andere

Zurecht verweist Münch darauf, dass die EU längst nicht die einzige Kraft ist, die auf dem Balkan präsent ist:
Russland, die Türkei und auch China zeigen zunehmend Flagge, sichern sich Zugriff auf Märkte, investieren in die Infrastruktur und bauen ihren politischen Einfluss aus.
Die EU-Erweiterung in Richtung Balkan ist also kein Gnadenakt, sondern eine geopolitische Notwendigkeit, wenn es die EU ernst meint mit ihrem Anspruch auf eine friedliche Vereinigung des Kontinents.

Freitag, 4. Mai 2018

(Nur) wir zahlen 12 Milliarden mehr

Ich bin begeisterter Leser der Süddeutschen Zeitung, auch in meinen Seminaren und meinen Blogs nehme ich regelmäßig Bezug zu den Artikeln. Am 2. Mai war ich aber ziemlich entsetzt, weil die Süddeutsche den Haushaltsplan mit der selben Titelzeile vorstellte wie die BILD-Zeitung: Die EU will zwölf Milliarden mehr aus Berlin.

Jeder Staat zahlt 1 Prozent seines Bruttoinlandprodukts

Der Süddeutschen muss ich zugutehalten, dass auf der zweiten Seite erklärt wurde, dass dies nur ein Vorschlag ist und dieser davon ausgeht, dass die Mitgliedstaaten zukünftig 1,1 % statt 1,0 % ihres Bruttoinlandsprodukts an Beiträgen zahlen. Der deutsche Beitrag wäre aber natürlich auch dann höher, wenn es bei 1,0 % bliebe. Gegenüber der letzten Finanzierungsperiode ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt eben angestiegen. Dass auch andere Länder denselben Prozentsatz zahlen und das für sie genauso schwer bzw. einfach ist für die Deutschen, haben die meisten Zeitungen leider unterschlagen. Auch andere Medien berichteten in diesem Grundtenor. Ich kann keinem/keiner Bürger/in einen Vorwurf machen, der nach diesem Tag der Überzeugung war, dass nur wir mehr zahlen.

Über Inhalte streiten

Man kann, nein, man muss über die Inhalte streiten. Eine Billion Euro in 7 Jahren ist viel Geld und muss ordentlich begründet werden. Obwohl es nach dem Ausscheiden von Großbritannien nur noch 27 Staaten gibt, ist das jährliche Budget höher als jetzt. Vergleicht man diese Summe (160 Mrd.) mit dem Bundeshaushalt (341 Mrd.) wirkt die Summe schon nicht mehr so bedrohlich.

Überzeugender Vorschlag

Insgesamt ist es ein überzeugender Vorschlag, der der Tatsache Rechnung trägt, dass mit Großbritannien ein Staat weniger dabei ist, aber viele neue Aufgaben zu erledigen sind. Bei den vorgeschlagenen Kürzungen um 5 % bei Agrar- und Strukturpolitik wird es noch viele Diskussionen geben. Für neue Ausgaben sind ca. 10 Mrd. vorgesehen, u.a. für den Grenzschutz und den Ausbau von Frontex, ERASMUS, Wirtschaftsreformen und Engagement für Flüchtlinge.

Geld gegen Werte 

Interessant finde ich auch das Prinzip der Konditionalität: Die Auszahlung von Fördermittel soll an Bedingungen geknüpft werden. Bei Verstößen gegen Prinzipien der Rechtsstaatlicht drohen Kürzungen. Diese Maßnahme ist offensichtlich gegen Polen und Ungarn gerichtet, die zunehmend ihren Staat umbauen. Es ist ein legitimer Tausch wie in der Süddeutschen argumentiert wird und vielleicht ist es auch effizienter als manche Drohung, die es bisher in Richtung Warschau und Budapest gab.