Donnerstag, 22. Dezember 2022

Putin als Sinnstifter für die EU?

In der Süddeutschen Zeitung beschreibt Stefan Kornelius „Putin als Sinnstifter für Europa“.

Die EU als Friedensmaschine

Für Kornelius zeigt sich die EU in „typischer Verfassung: im Kleinen kompliziert, mauschelnd, kompromisslerisch - im Großen aber attraktiv und widerstandsfähig, und immer noch: eine Friedensmaschine.“ Das vergangene Jahr mit unzähligen Beratungen zeigte, wie groß die Kraftanstrengung war, die EU zusammenzuhalten.

Putin will eine Veränderung der Machtverhältnisse

Mit dem Krieg möchte Putin nicht nur die Ukraine in ihrer Existenz vernichten, sondern auch die Machtverhältnisse ändern. Dazu gehört auch eine internationale Ordnung, die auf einem auf Regeln und Recht basierenden Interessenausgleich behandelt. Die EU weiß um diese Bedrohung, der Fluch des Nationalen bleibt. Die Gemeinschaft hat immer nur so viele Abwehrkräfte, wie sie im Überlebenskampf aufbringen muss.

Der Fluch des Nationalen

Mit dem wirkungsvollsten Hebel – die Umverteilung von Geld – schaffte die EU; Victor Orban von weiteren Erpressungen abzuhalten, aus gutem Grund haben die anderen Regierungschefs diesen Erfolg nicht ausgekostet - man sieht sich ja immer zweimal.
Auch Deutschland zeigt sich in der Krise nicht immer vorbildlich. Es ist auf die Integration und den Markt Europas angewiesen wie kein zweites Mitglied der EU, sorgte aber immer wieder für Verwerfungen. Es zeigte sich als übermächtiger Akteur, als europäischer Semi-Hegemon, ohne den nichts geht - der aber auch eine provozierende Selbstgerechtigkeit an den Tag legt.

Historische Chance auf Verbesserung

Über dem Tagegeschäft mit Handelsstreit, Sanktionspaket und Gaspreisdeckel sieht Kornelius eine überwölbende Botschaft: „Es ist die stabilisierende und auch wohlstandsverheißende Rechtsgemeinschaft EU, die durch den Krieg an Attraktivität gewonnen hat.“ Die Staaten des Balkans und die Ukraine wollen Teil dieses Schutzraums sein. „Die friedensstiftende Wirkung der EU wird stets unterschätzt. Gerade jetzt ist das ein törichtes Versäumnis."

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Endlich - die EU bestraft Ungarn

Die EU hat endlich ernst gemacht: Ungarn wird bestraft, weil es sich nicht an die Spielregeln hält.
Zwar lag die Summe etwas niedriger als geplant und – mit Bedingungen – kann Ungarn auf die Corona-Gelder zurückgreifen, letztlich hat Orban aber das Kräftemessen. Selbst alte Verbündete wie Polen und neue Verbündete Italien wendeten sich gegen Orban.
Die Kürzung betrifft drei EU-Hilfsprogramme für benachteiligte Regionen. Diese unterstützen zum Beispiel den Bau von Straßen, Klärwerken und Kinderhorten. Insgesamt soll Ungarn bis 2027 mehr als 34 Milliarden Euro an Regionalförderung erhalten oder als Agrarsubvention.

Bedeutsamer Deal

Auch der Stern   lobt den Deal als bedeutsam. Ungarn befindet sich in einer finanziellen Krise, seine großzügigen Programme wurden auch durch EU-Gelder finanziert. Jüngst musste die Regierung sogar eine seit mehr als einem Jahr geltende Benzinpreisdeckelung mit sofortiger Wirkung aufheben, weil sie deren Funktionieren nicht mehr sicherstellen konnte.

Ist es schon zu spät?

Cathrin Kalhweit argumentiert in der Süddeutschen Zeitung, dass Europa viel zu lange hat gewähren lassen. Orbán macht schon lange, was er will, indem er einen permanenten Ausnahmezustand kreiert und das Land mit Dekreten unter Verkürzung oder Auslassung parlamentarischer Prozesse regiert
Die Fidesz-Partei ist dabei, den von ihr ausgerufenen Kulturkampf zu gewinnen

Es geht lange schon um viel mehr als Korruption und Kontrolle. Fidesz hat 2010 einen Kulturkampf begonnen und ist dabei, ihn zu gewinnen. Er macht längst Politik auf Kosten der nächsten Generation - mit einer selbstgemachten Wirtschaftskrise, einer auf Russland und China ausgerichteten Außenpolitik und einer Gesellschaftspolitik, die junge, unabhängige Köpfe zunehmend ins Ausland treibt
Für eine lebendige Demokratie ist es in Ungarn zu spät.

Donnerstag, 17. November 2022

Migration – Show auf dem Rücken der Migranten?

Zwei Kommentare beschäftigen sich mit dem Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen.

Show auf dem Rücken der Migranten

Oliver Meiler kritisiert in Süddeutschen Zeitung das Vorgehen Italiens gegen Flüchtlinge.

Einfahrt verweigert

Die italienische Regierung hatte 230 Geflüchteten auf dem Rettungsschiff die Einfahrt verweigert.
Während deutlich mehr Migranten durch staatliche Schiffe gerettet und an Land gebracht wurden, wurde an den Geretteten privater Hilfsorganisationen ein Exempel statuiert. Sie wurden letztlich in Frankreich aufgenommen, nicht ohne auch dort eine heftige politische Diskussion auszulösen. Frankreich hatte danach die freiwillige Aufnahme Geflüchteter aus Italien gestoppt.

Ein Riss geht durch Europa

Der Riss, der da durchs Herz Europas geht, ist gefährlich groß. Meiler sieht die Schuld nicht nur bei Italien: Europa muss sich endlich auf eine faire Verteilung einigen. „So verlöre die extreme Rechte ihr Alibi für die perfide Propaganda auf dem Rücken der Schwächsten.“

Europa muss Flüchtlinge und Grenzen schützen können

Ulrich Ladurner fordert in der ZEIT den Schutz von Flüchtlingen und Grenzen.
Auch er kritisiert, dass die EU noch immer keine gemeinsame Lösung gefunden hat.

Die EU hat sich selbst gefesselt

Für Ladurner sind aber nicht nur die Nationalstaaten schuld an den Problemen. Nach der geltenden Rechtslage durch die Genfer Flüchtlingskonfusion hat jeder Nicht-EU-Bürger, der seinen Fuß auf europäischen Boden setzt Anspruch auf eine individuelle Prüfung eines Asylantrags. Dies steht aber im Widerspruch zum legitimen Interesse eines Staates seine Grenzen zu schützen.

Kein Recht auf unbedingte Einreise in die Europäische Union

Er fordert deshalb die beiden Interessen zu verbinden und eine Änderung der Konvention: „Erst dann wird die EU die Mittel in der Hand haben, die sie braucht, um Migration und Flucht in den Griff zu bekommen und zu steuern – ohne die Interessen der Europäerinnen und Europäer noch die der Schutzbedürftigen zu verletzen.“

Montag, 24. Oktober 2022

Die neue italienische Regierung - eine Melange aus Nationalismus und Technokratie

Auch wenn es die Umfragen erwarten ließen, war das Entsetzen bei vielen Menschen in und außerhalb Italiens groß – 100 Jahre nach dem Marsch auf Rom stellen die Postfaschisten wieder eine Regierung. Gemeinsam mit der Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia von Silvio Berlusconi gelang Giorgia Meloni von den Brüdern der Sieg. Für Oliver Meiler ist die Regierung in der Schwäche geboren. Er argumentiert in der Süddeutsche Zeitung, dass die neue Regierung mehr Gefahren für Italien als für Europa birgt.  

Technokraten auf den wichtigsten Posten

Für die wichtigsten Ministerien benannte sie Technokraten – obwohl Meloni noch gegen die Technokraten in Draghis Kabinett gewettert hat.
Wirtschafts- und Finanzminister wird Giancarlo Giorgetti von der Lega, Antonio Tajani, der neue Außenminister von Forza Italia, ist ein Supereuropäer. Sollten es den beiden gelingen, ihre Parteichefs zu bändigen, droht für Europa wenig Gefahr.  Es hätte schlimmer kommen können.

"Gott, Vaterland, Familie" - der Dreiklang war schon den alten Faschisten lieb

Es wird sich zeigen, ob dies gelingt. Forza-Chef Berlusconi ist selber nicht im Kabinett, Salvini könnte als Minister für Infrastruktur für Unruhe sorgen. Im Familienministerium sitzt nun eine erzkonservative Katholikin, die sich strikt gegen Homoehe und Abtreibung wendet.

Europas Rechte freuen sich – zu früh?

Rechte Parteien in Europa freuen sich: Vox in Spanien, Marine Le Pen in Frankreich, die AfD, die polnischen Nationalisten natürlich, Viktor Orbán in Ungarn. Der Autor prophezeit, dass dies nicht lange genug gehen wird: In Italien geht es in der Regel nie lange, dann ist das Volk gelangweilt von solch leeren Refrains.

Samstag, 24. September 2022

Das Ende einer Ära - Queen Elisabeth II. ist tot

Über 70 Regierungszeit, 15 Premierminister – die Zeit von Elisabeth II. war wahrlich historisch. Einige Autoren machen sich Gedanken um die Zukunft.  

Zerfällt das Commonwealth?

Arne Perras geht in der Süddeutschen Zeitung der Frage nach, was aus dem Commonwealth, „dem bizarren Relikt britischer Weltherrschaft“ wird. Der Staatenbund von 56 Länder, von denen noch 15 die Königin auch als Staatsoberhaupt hatten, wurde durch die Queen zusammengehalten.
Bereits zu Elizabeths Zeiten gab es in vielen Ländern eine Debatte über die Loslösung, diese könnte sich verstärken.  Nach dem Brexit hatte Großbritannien aus wirtschaftlichen Gründen wieder verstärkt auf den Staatenverbund geschaut, obgleich viele Experten warnten, dass dies die Verluste durch den Austritt aus der EU nicht ausgleichen kann. Es wird letztlich davon abhängen, wie König Charles seine Rolle versteht und den Commonwealth zusammenhält.

Was wird aus Großbritannien?

Der Historiker Timothy Garton Ash würdigt in der Süddeutschen Zeitung die Rolle der Queen: "Sie stand für die fast paradoxe Einheit von vier Nationen in einer einzigen Nation, dem Vereinigten Königreich … sie stand für Kontinuität, Sicherheit und Gewissheit“.
Diese Gewissheit bröckelte schon vorher. Zwar hatte Großbritannien eine Rolle nach dem Ende seines Kolonialreichs gefunden, durch den Brexit wieder verloren. Großbritannien ist von einer glücklosen, aber immer noch relativ pragmatischen konservativen Premierministerin (Theresa May) zu einer Parodie von Winston Churchill (Boris Johnson) und nun zu einer Parodie von Margaret Thatcher (Liz Truss) herabgesunken.
Aber er sieht auch Hoffnung: der nahtlose, gleichzeitige Übergang zu einem neuen Staatsoberhaupt und einer neuen Premierministerin und die britische Haltung: It could be worse - es könnte schlimmer sein.

Dienstag, 2. August 2022

Großbritannien nach dem Abgang von Boris Johnson

Christoph Steuer berichtet im SPIEGEL über den turbulenten Abgang von Boris Johnson und ist pessimistisch: Auch die Zukunft sieht nicht rosig aus, weder für Großbritannien noch die EU. 

 

Johnson übergibt einen seinen Nachfolger viele Probleme

Die Inflation ist noch höher als in anderen europäischen Staaten, die Schotten streben nach Unabhängigkeit, heftigen Streit gibt es um Nordirland. Die ungeklärte Lage und gebrochenen Verträge über Nordirland ist auch ein Grund für den Streit mit der EU. Beide Nachfolgekandidaten haben schon deutlich gemacht, dass sie sich in diesem Punkt nicht von Johnson unterscheiden.


Großbritannien bleibt in Europa unersetzlich

In der Ukraine und in osteuropäischen Staaten gilt London im Gegensatz zu Deutschland als verlässlicher Partner. Großbritannien unterstützt seit Jahren die Ukraine und hat sich früh und klar gegen Putin positioniert. Aber auch im Pazifik ist Großbritannien aktiv: gemeinsam mit den USA und Australien wandten sie sich gegen China. 

 

Überhebt sich Großbritannien?

Der Autor sieht aber auch die Gefahr, dass sich Großbritannien zwischen Nordsee, Atlantik und Pazifik zerreibt. Erinnerungen an das Desaster des Irakkriegs von 2003 werden wach, als die Regierung von Tony Blair über 46.000 Soldaten in den Nahen Osten schickte. Dies betrifft auch Europa, denn so Steuer: Europa braucht britische Schiffe, Soldaten und Waffen.


Montag, 4. Juli 2022

Frankreich: An die Ohnmacht gekommen

Matthias Krupa beschreibt in der ZEIT die Situation des gerade wieder gewählten Präsidenten Emmanuel Macron nach der Parlamentswahl – An die Ohnmacht gekommen

Das Parlament wird wichtiger

Die Parteien der Mitte, die Macron unterstützt haben, haben eine deftige Niederlage erlitten – die rechten und linken Ränder sind deutlich gestärkt. Anders als bisher und auch seine Vorgänger verfügt Macron damit über keine Mehrheit im Parlament mehr. Einige Beobachter sprechen bereits von der schwersten politischen und institutionellen Krise der Fünften Republik, die 1958 begann.

Rechte und linke Gruppen gewinnen

Die neue Nationalversammlung besteht aus drei Lagern, die aber in sich nicht homogen sind. Auf der rechten Seite schaffte Le Pens Partei Rassemblement National 89 Sitze – deutlich vor anderen rechten Parteien wie die Republikaner, die jahrzehntelang die Politik dominiert haben. Auch auf der linken Seite wurden die Sozialisten durch den Radikaleren Jean-Luc Melenchon an den Rand gedrängt. Melanchon und Le Pen hatten bereits bei der Präsidentschaftswahl erstaunliche Ergebnisse erreicht.

Der Macronismus hat nur fünf Jahre gehalten

Vor fünf Jahren war Macron noch der große Held. Sein Ziel, die Republikaner und Sozialisten zu marginalisieren, hat er erreicht, dafür hat er jetzt aber auf beiden Seiten des politischen Spektrums radikalere Parteien, die ihm das Leben und das Regieren schwer machen werden. Die Konservativen haben eine Koalition schon abgelehnt, die Sozialisten alleine sind mit gerade mal 22 Sitzen mittlerweile zu klein. Für die internationale Politik wird sich zunächst nicht viel ändern: Der Präsident bestimmt die Außenpolitik seines Landes, etwa gegenüber Russland und der Ukraine. Er kann Gesetze in einzelnen Fällen per Dekret erlassen, dazu gehört der Haushalt. Ein Warnschuss für Macron – und auch für Europa – sind die Parlamentswahlen aber allemal.

Dienstag, 21. Juni 2022

EU-Beitritt der Ukraine - was spricht dafür, was dagegen?

Die ZEIT und der Deutschlandfunk bringen interessante Gegenüberstellung von Argumenten für bzw. gegen einen EU-Beitritt der Ukraine – oder besser gesagt dem Status als Beitrittskandidat, denn weitgehende Einigkeit herrscht in der Frage, dass der Beitritt selbst in jedem Fall noch in weiter Zukunft liegt.

Was für den Beitrittsstatus spricht

Im Artikel des Deutschlandfunks wird als wichtiges Argument genannt, dass die Ukraine unterstützt und an die EU gebunden werden muss. Da der Weg in die NATO versperrt ist, wäre die Annäherung an die EU ein klares Signal.
Matthias Krupa betont die moralische Verpflichtung – mit seinem Krieg gegen die Ukraine meint Putin auch den Westen und die EU. Langfristig liegt ein Beitritt der Ukraine im Interesse Europas: Er würde die Verhältnisse klären, die Union nach Osten absichern.

Was gegen den Beitrittsstatus spricht

Der Deutschlandfunk führt als Gegenargumente die unklaren territorialen Verhältnisse auf. Auch in der Korruption sehen vielen ein Hindernis. Der Widerstand ist bei manchen Ländern auch durch die Angst um Einfluss und Geld begründet.
Ladurner verweist in der ZEIT auf die Probleme: Er bemängelt, das Verhalten gegen den Beitritts-kandidaten auf dem Balkan, vor allem Nordmazedonien. Eine Vorzugsbehandlung der Ukraine könnte für weiteren Unmut sorgen. Auch der polnischen Regierung nimmer er den plötzlichen Sinneswandel vom vehementen Gegner der EU zum Freund der Erweiterung macht. Er mutet, dass Polen ein von kooperierenden Nationalstaaten vorschwebt, die die keine weiteren Abstriche bei ihrer Souveränität machen. Ein starker geopolitischer Akteur

Die EU muss sich reformieren

Weitgehende Einigkeit herrscht auch darüber, dass sich die EU an vielen Stellen selbst reformieren muss, egal ob und wann die nächsten Erweiterungen kommen.

Donnerstag, 9. Juni 2022

Was der Westen über Putin (immer noch) nicht versteht

Tatiana Stanovaya ist Politologin am Carnegie Moscow Center. In einem Gastbeitrag für den SPIEGEL beschreibt sie fünf Annahmen des Westens über Putin, die ihrer Meinung nach falsch sind. Die unterschiedlichen Sichtweisen und das fehlende Verständnis, Russlands Absichten zu verstehen und zu begreifen, machten aus ihrer Sicht eine Lösung des Konflikts so schwer.

Fünf falsche Annahmen

Annahme 1: Putin weiß, dass er verlieren wird.

Putin wird die Ukraine nicht dauerhaft beherrschen können. Dies bedeutet aber nicht, dass Putins andere Ziele nicht gelingt - die Zerstörung der Ukraine, die er als ein »Anti-Russland«-Projekt sieht.
Russland könnte seine militärische Präsenz auf ukrainischem Gebiet aufrechterhalten und die ukrainische Infrastruktur weiterhin angreifen und damit ein weiteres Ziel erreichen, dass der Westen das ukrainische Territorium als Brückenkopf für antirussische geopolitische Aktivitäten nutzen kann

Annahme 2: Der Westen sollte einen Weg finden, Putin zu helfen, sein Gesicht zu wahren, und so die Risiken einer weiteren, möglicherweise nuklearen Eskalation zu verringern.

Die Autorin bezweifelt, dass der Krieg beendet würde, wenn die Ukraine einen Großteil der Forderungen akzeptieren würde.  Putin sieht sich im Kampf gegen den Westen auf ukrainischem Gebiet – die ukrainische Führung ist für ihn kein unabhängiger Akteur, sondern ein westliches Werkzeug, das neutralisiert werden muss.

Annahme 3: Putin verliert nicht nur militärisch, sondern auch innenpolitisch, und die politische Lage in Russland ist so, dass Putin bald ein Putsch drohen könnte.

Auch diese Annahme teilt die Autorin nicht. Die russische Elite sieht in Putin den einzigen Akteur, der politische Stabilität gewährleisten kann. Die Elite ist politisch ohnmächtig, verängstigt und verwundbar – einschließlich derjenigen, die in den westlichen Medien als Kriegstreiber und Falken dargestellt werden

Annahme 4: Putin hat Angst vor Anti-Kriegs-Protesten.

Auch diese Annahme sieht die Autorin genau andersrum: In Wahrheit fürchtet Putin eher die Pro-Kriegs-Proteste und muss sich mit dem Eifer vieler Russen auseinandersetzen, die jene vernichten wollen, die sie als ukrainische Nazis bezeichnen. Die öffentliche Stimmung könnte eine Eskalation begünstigen und Putin zu einer härteren und entschlosseneren Haltung veranlassen –
Wenig Hoffnung macht sie auch für die Hoffnung für die Zeit nach Putin: Was auch immer mit Putin geschieht: Die Welt wird sich mit dieser Aggressivität in der Öffentlichkeit und den antiwestlichen, antiliberalen Überzeugungen auseinandersetzen müssen, die Russland für den Westen so problematisch machen.

Annahme 5: Putin ist von seiner Entourage zutiefst enttäuscht und hat grünes Licht für die strafrechtliche Verfolgung von hochrangigen Beamten gegeben.


Die Autorin bestreitet die Gerüchte, dass Personen in Putins Umfeld verhaftet wurden. Das sei nicht Putins Stil, außerdem erfolgte die Planung durch Putin, sodass untergeordnete Stetten kaum Spielraum für Eigeninitiative haben

Auswege aus der Konfrontation

Das vermeintliche Dilemma des Westens – mehr Unterstützung für die Ukraine oder Appeasement gegenüber Putin, um ihn nicht zu reizen – hält die Autorin für grundlegend falsch.
Sie sieht vielmehr nur zwei Auswege: Entweder der Westen beginnt seine Haltung gegenüber Russland zu ändern – oder Putins Regime bricht zusammen. Putin träumt von Umwälzungen im Westen, der Westen träumt vom Sturz Putins. Letztlich wird es ein Abkommen geben müssen, sie befürchtet aber noch einen langen Krieg

Samstag, 4. Juni 2022

Putin? Gar nicht so übel

Der Westen ist einigermaßen geschlossen, von einer weltweiten Ablehnung Russlands kann aber keine Rede sein machen Lea Frehse und Xifan Yang in einem Artikel in der ZEIT deutlich.

Viele Länder tragen die Sanktionen nicht mit

Viele Länder, die sich bei der Verurteilung des russischen Überfalls im UN-Sicherheitsrat enthalten oder zugestimmt halten, tragen die Sanktionen gegen Moskau nicht mit – im Gegenteil: Indien bezieht zwanzigmal mehr Öl und Gas als vor dem Überfall. Zwei Drittel der Weltbevölkerung liegt zwischen den geopolitischen Polen und aus unterschiedlichen Gründen gibt es durchaus Sympathie für Putin. 

Motive für die Solidarität mit Russland

Die Autorinnen nennen verschiedene Motive für dieses Verhalten.

1. Das Erbe des Kolonialismus

Viele Staatschefs protestierten gegen die Forderungen des Westens, sich den Ma0ßnahmen anzuschließen und stoßen dabei auf Zustimmung in der Bevölkerung. Russland profilierte sich in den letzten Jahren als Partner, während der Westen immer wieder kritisiert wurde, zuletzt aufgrund der Verteilung von Impfstoffen.

2. Rebellion gegen die Doppelmoral

Kritisiert wird, dass auch die USA das Völkerrecht gebrochen hat. Auch in der aktuellen Hungersnot in Afrika fühlen sich benachteiligt, da Ukraine im Fokus steht.

3. Die Kosten des Krieges

Durch die steigenden Preise für Lebensmittel droht Hunger, viele Länder drohen zu kollabieren. Sie können nicht verzichten, wie einige im Westen verlangen.

4. Russland wird noch gebraucht

Für zahlreiche Länder gibt es handfeste geostrategische Gründe, Russland als Spieler in den internationalen Beziehungen zu erhalten – oder auf Moskau Rücksicht zu nehmen. Indien sieht eine strategische Chance, so sind die Preisnachlässe für die Wirtschaft gebrauchen. Mit seiner Neutralität will Delhi außerdem verhindern, dass Russland endgültig ins Lager des Konkurrenten Chinas wechselt – und kann Vorteile daraus ziehen, dass der Westen sich um die indische Gunst bemühen muss

5. Was heißt hier Weltordnung?

Die wenigsten Länder wollen sich auf eine Seite schlagen – für mehr als 120 Länder ist China der wichtigste Partner. Die Länder verweisen auf den Reformbedarf, denn sie sind vom UN-Organisationen immer noch unterrepräsentiert. 

Bauen Autokratien ihren Einfluss aus?

Die Autorinnen sind skeptisch, ob eine Weltordnung unter Berücksichtigung benachteiligter Länder eine echte globale Solidarität schafft: Läuft es am Ende nur darauf hinaus, dass Autokraten ihren Einfluss ausbauen?

Freitag, 27. Mai 2022

Putins Drehbuch: Weizenkrise, Hungerkrise, Flüchtlingskrise

Im Redaktionsnetzwerk Deutschland zeichnet Matthias Koch ein bitteres Bild über Putins Ziele: In drei Stufen zur Destabilisierung der EU.

Landauf, landab zerstören Wladimir Putins Truppen derzeit die landwirtschaftliche Infrastruktur der Ukraine – der viel zitierten Kornkammer Europas. In kleinerem Format hat Putin dieses böse Spiel schon mal getestet: 2015 in Syrien

Ein Kriegsverbrechen wird zum Kriegsziel

Die Zerstörung von Lebensmitteln und von landwirtschaftlichen Geräten ist ein Kriegsverbrechen. Für Putin ist es ein Kriegsziel: die Ukraine soll niemanden mehr Weizen liefern können.

In drei Stufen zur Destabilisierung

Putins vorgehen lässt sich in drei Stufen darstellen:

  • In der ersten Phase steigen die Preise für Weizen weltweit – diese Entwicklung ist bereits im Gange.
  • Auch die zweite Phase – ein Unmut über die Preissteigerungen – ist bereits eingeläutet: Putin gibt dem Westen die Schuld an der Weizenkrise.
  • In der dritten Phase drohen im Nahen Osten Hungersnöte, Unruhen – und neue Flüchtlingsströme.


Machtgewinn durch Massenelend

Russland könnte von der Nahrungsmittelkrise profitieren. Wie beim Gas könnte Moskau einzelne Länder mit preisgünstigen Lieferungen belohnen. Koch kritisiert, dass viele diese Strategie noch nicht erkannt haben, darunter auch Scholz, der Putin in Telefongesprächen immer noch mit Samt-handschuhen anfasst.

Es ist genug Weizen da

Das Absurde und Bittere: Es ist genug Weizen da. Die beladenen Schiffe können aber derzeit die Ukraine nicht verlassen. Abschließend stellt Koch die Frage in den Raum: Lässt die Weltgemeinschaft eine unnötige globale Hungerkrise zu wegen der Machtgelüste eines einzelnen Herrn in Moskau?


Samstag, 14. Mai 2022

Waffenlieferungen an die Ukraine?

Offene Briefe von Prominenten, Streit in der Politik und eine gespaltene Öffentlichkeit – kaum ein Thema wird derzeit so intensiv diskutiert, wie die Frage, ob Deutschland der Ukraine Waffen liefern soll.

Pro und Contra Waffenlieferung

Der Deutschlandfunk stellt Argumente der Debatte gegenüber:

Wird Deutschland zur Kriegspartei?

Nach dem Völkerrecht darf man einem angegriffenen Staat Waffen liefern, aber in diesem Punkt ist Alice Schwarzer zuzustimmen, die meint, dass letztlich der Putin entscheidet, wann Deutschland zur Kriegspartei wird.

Kapitulation oder Kampf um jeden Preis?

„So schnell wie möglich Frieden schaffen“ fordert der Offene Brief von Alice Schwarzer – Waffen von Deutschland und anderen Staaten würden das Leid nur verlängern. Andere sehen es als ein fatales Signal, wenn der russischen Aggression nachgegeben würde. Letztlich muss die Ukraine selbst entscheiden, was sie tue oder nicht.

Weitere Streitpunkte sind die Fragen, ob die Ukraine militärisch bereits gerüstet ist und die Bundes-wehr Waffen entbehren kann.

Christian Ehring streitet mit sich selbst

Eine ganz besondere Art der Gegenüberstellung von Argumenten wählt das Satiremagazin Extra 3. Christian Ehring streitet mich sich selbst – und ich kann nachfühlen, denn mir geht es genauso. Ich war Zivi und immer davon überzeugt, dass keine Waffen in Kriegsgebiete geliefert werden sollten. Gilt das aber noch beim Krieg von Putin?

Dienstag, 26. April 2022

Wahlsieg von Emmanuel Macron: Gerade noch mal so

Gero von Randow bringt in der ZEIT die Erleichterung nach dem Sieg Macrons bei den französischen Präsidentschaftswahlen auf den Punkt: Gerade noch mal so. Seine Konkurrentin Marine Le Pen hat fast 42 % erzielt – „deren Nähe zur Putin-Diktatur notorisch ist, zu deren Feindbildern die EU, die Nato und Deutschland gehören, die Migranten als Menschen zweiter Klasse behandelt und ihre verfassungswidrigen Vorhaben mit Volksbefragungen legitimieren will“

Ein Macron-Volk und ein Le-Pen-Volk

Frankreich ist zweigeteilt. Gutverdienende wählen Macron, ärmere Menschen wählten Le Pen. Ihr gelang es, Benachteiligte zu überzeugen, dass ihr Unglück in den Konkurrenten aus dem Ausland oder dem Neoliberalismus liegen. Macron muss das Volk gewinnen. Die fälligen Reformen müssen die erreichen, die nicht zu den Gewinnern gehören-

Macrons stärkster Gegner: Jean-Luc Mélenchon

Im Juni stehen die Parlamentswahlen an, bei dem Macrons stärkster Gegner Jean-Luch Melenchon werden könnte. Er war mit Abstand stärkster Kandidat der Linken bei der Präsidentschaftswahl und könnte dominante Figur werden. Im Gegensatz dazu wird es Marine Le Pen aufgrund des Mehrheitswahlrechts schwer haben.

Kommt jetzt die Einheitspartei?

Macron könnte hingegen eine Einheitspartei anstreben, wie es Jacques Chirac 2002 gemacht hat. Sie brachte Nicolas Sarkozy hervor, der ihm folgte. Auch Macron kann nach zwei Legislaturperioden nicht mehr kandidieren. Dies ist nicht ohne Risiko, denn eine Partei der Mitte könnte durch extreme Parteien abgelöst werden. Der Autor befürchtet: „Dann würde ein böser Abschnitt der europäischen Geschichte beginnen. Auch deswegen übrigens hat Macron von den anderen Staaten Europas, die noch nicht der reaktionären Versuchung anheimgefallen sind, alle Unterstützung verdient."

Mittwoch, 20. April 2022

Schluss mit dem Schlafwandeln – das Weltprojekt Frieden

In einem Artikel im SPIEGEL fordert Dirk Kurbjuweit „Schluss mit dem Schlafwandeln“.

Zwei dunkle Traditionen des Westens

Neben den hellen Botschaften Freiheit, Demokratie und Menschenrechte sieht Kurbjuweit zwei dunkle Traditionen: Doppelmoral in Fällen, in denen man den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wurde, wie z.B. Guantanamo. Im-Stich-Lassen heißt, dass der Westen Menschen und Staaten außerhalb des Bündnisgebiets nicht entschieden hilft. Aktuelles Beispiel für diesen Fall ist die Ukraine, die bisher vergebens um militärischen Beistand bittet.

Attraktivität von Demokratie und Freiheit

Der Westen fordert den Traum der Freiheit und Demokratie. Diese Attraktivität macht vielen Autorkaten Angst: Islamiten und auch Putin. Aber: „Der Westen schürt das demokratische Feuer, aber wenn die autoritären Herrscher es austreten wollen, ist ihm die eigene Sicherheit lieber als die Freiheit der anderen.“

Der Westen half nur selten

1917 griff die USA in den 1. Weltkrieg ein. Präsident Wilson begründete dies mit dem Satz, dass das Recht wichtiger ist als der Friede, auch die Nationalsozialisten ließ man lange gewähren. Nach dem 2. Weltkrieg ließ man Freiheitskämpfer im Osten im Stich, die USA unterstützte sogar autoritäre Regime. Erst 1999 griff der Westen auf Seiten des Kosovos aktiv ein.

Weltprojekt Frieden – mit dem Bund demokratischer Staaten

Kurbjuweit betont, dass es gute Gründe für dieses Zögern gab. Während des Kalten Kriegs – und möglicherweise auch aktuell -droht ein Atomkrieg. Eine Strategie sieht er für „Weltprojekt Freiheit“ durch einen Bund demokratischer Staaten. Dieser Bund kann und soll breiter sein als westliche Organisationen wie NATO oder G7. Er nimmt die freiheitliche Tradition des Westens mit freundlicher Distanz auf, entwickelt mit der Zeit aber eine neue, eigene.

Friedliche aber wehrhafte Demokratien

Dieses Bündnis sollte einige Richtlinien beachten: Das Verhältnis zu autoritären Staaten wird politisch definiert, nicht wirtschaftlich. Sie sind friedlich, aber wehrhaft. Es gibt keinen Anspruch auf militärische Intervention, aber volle Unterstützung – jeder wüsste, woran er ist. Dies ist ein Programm für Realisten, nicht für Idealisten.

Dienstag, 19. April 2022

Verbrennt der westliche Optimismus?

Der Titel Geschichtsphilosophie: Der Optimismus verbrennt klingt seltsam, wie bei allen Artikeln von Andreas Reckwitz stecken auch in diesem Beitrag in der ZEIT viele interessante Gedanken.

Muster des Fortschritts

Reckwitz beschreibt die liberale Geschichtsphilosophie als Muster des Fortschritts: Der Glaube an die Aufklärung, die Entfaltung der Vernunft und die Entwicklung zum Bessern – in Technik und Wissenschaft, aber auch in den Bereichen Recht, Politik und Moral.

Revival nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Tiefpunkt durch Holocaust und Zweiter Weltkrieg folgten nach 1945 und nach 1990 Modernisierungswellen: parlamentarische Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft und soziale Sicherung, Pluralismus und Individualismus. Nach dem Fall der Mauer schien dieses liberale Wirtschaftsmodell endgültig gesiegt zu haben. Symbolisiert wird dies durch das berühmte Zitat vom Ende der Geschichte durch Francis Fukuyama.

Gescheiterte nachholende Modernisierung

Während bei einigen Staaten die „nachholende Modernisierung“ einsetzte und sich das westlich-liberale Geschäftsmodell ebenso durchsetzte wie der Kapitalismus, wenden sich einige Staaten gegen dieses Modell. Dazu gehört Russland, dass sich mit Bezug auf Tradition, Religion und Volk gegen das Modell wandte. Auch der amerikanische Versuch, im Nahen und Mittleren Osten militärisch eine Modernisierung von oben zu betreiben, ist gescheitert: Das westliche Modell lässt sich offenbar nicht ohne Weiteres in andere soziokulturelle Kontexte exportieren, schon gar nicht mit militärischer Intervention.

China – Kapitalismus, starker Staat und konfuzianische Tradition

Einen anderen Weg wählte China. Wirtschaftlich dank marktwirtschaftlicher Reformen erfolgreich setzt es innenpolitisch auf eine scharfe antiliberale Wendung.
Antiliberale Tendenzen zeigen sich auch im Westen. Die Präsidentschaft Trumps und der Sturm auf das Kapitol stellen Risiken für die liberale Demokratie dar, die vor Kurzem noch undenkbar waren.

Kampf zwischen Liberalismus und Autoritarismus

Den Ukraine-Krieg bezeichnet Reckwitz als „bislang letzte Mosaikstein für ein neues Bild der Weltgesellschaft im 21. Jahrhundert. Es besteht die Gefahr, dass sich China und Russland zu einem strategischen Bündnis gegen den Westen und westliche Ideen verbinden."
Er befürchtet einen Kampf zwischen Liberalismus und Autoritarismus, der sich durch drei Entwicklungen zeigt: ein Rückgang der Globalisierung, eine sich stark verändernde Politik und ideologische Konfliktlinien, die es seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr gegeben hat.

Das westliche Projekt neue begreifen und verfolgen

Trotz der Rückschläge und Probleme will Reckwitz das Projekt der moderne nicht ad acta leben. Aber statt an die zwingende Kraft eines Modernisierungsprozesses und eherne historische Gesetze zu glauben, muss man dieses Projekt neu begreifen und verfolgen: als ein seiner eigenen Schwächen bewusstes normatives und strategisches Projekt, im Wissen um seine Gegner. Wir engagieren uns dafür, auch wenn der weltweite Erfolg in der Zukunft nicht gewiss ist.

Freitag, 8. April 2022

Der Ukraine Krieg - wie könnte es weitergehen?

In den Medien werden derzeit einige Szenarien verbreitet, wie es mit dem Krieg in er Ukraine weitergehen könnte. Der SPIEGEL stellt sechs Szenarien vor.

Der Krieg geht weiter

Einige Szenarien gehen davon aus, dass der Krieg weitergeht oder sogar ausgeweitet wird:

Militärisches Patt:

Nach diesem Szenario bringt der ukrainische Widerstand und Sanktionen vom Ziel ab, die Regierung zu stürzen. Dies deutet sich bereits an, dafür erscheint zusätzlich das nächste Szenario wahrscheinlicher.

Zermürbungskrieg:

Russland kann Krieg durch Luft- und Raketenangriffe noch lange Zeit weiterführen. Die zynische Überlegung „Je größer die Zerstörung und das Leid, desto besser die Position am Verhandlungstisch.“

Militärischer Erfolg Russlands

Auch ein militärischer Erfolg Russlands ist immer noch möglich, kann Russland aber das ganze Land besetzt halten?

Ausweitung des Konflikts

Leider nicht unrealistisch ist es, dass sich der Konflikt ausweitet. Die Republik Moldau ist als ehemalige Sowjetrepublik im Einflussgebiet, kein NATO-Mitglied und hat mit Transnistrien ein russisch dominiertes Gebiet auf seinem Territorium.

Ende des Krieges 

Der Krieg könnte durch Verhandlungen oder innenpolitischen Wandel in Russland enden:

Friedensschluss

In den Verhandlungen deutete sich bereits an, dass der Krieg durch die Neutralitätserklärung der Ukraine beendet werden könnte. Die Vorstellungen, was dies bedeutet, gehen aber weit auseinander. Hinzu kommen russische Ansprüche auf die Krim und die Ostukraine. Ist aber die Ukraine als geteiltes und neutrales Land die Lösung? Gibt sich Russland mit Teilen zufrieden? Akzeptiert die Ukraine weitere Abspaltungen?

Innenpolitischer Wandel

Der Krieg könnte durch den Sturz Putins beendet werden. Denkbar sind ein Aufstand durch die Bevölkerung oder ein Putsch durch Militär und Geheimdienst. Einige hoffen auf die Oligarchen, die sich aus Angst um ihr Vermögen gegen Putin wenden könnten.
 

Montag, 14. März 2022

Deutschland mit Soft-Power als Leuchtturm?

In den Debatten dominieren die Realisten, diejenigen die es immer schon wussten, dass nur Hard-Power, also militärische Abschreckung zählt. Andere, die auf Diplomatie und sanfte Methoden gesetzt haben, gelten als naiv. Deshalb war der Beitrag in der Süddeutschen Zeitung von Andrian Kreye wohltuend: Deutschland als Leuchtturm

Soft-Power Strategie

Das Konzept „Soft power“ wurde von Joseph Nye geprägt. Es geht davon aus, dass es eine erfolgsversprechende Strategie ist, andere Staaten zu überzeugen, statt sie aktiv zu bezwingen. Die Strategie besteht aus drei Säulen: Kultur, Konsum und Hilfe – Die eigenen Werte sollen als Vorbild in die Welt projiziert werden. Beispiele für diese Strategie sind die USA, die mit Kultur wie Jazz, Coca-Cola oder Hollywood.

Deutschland als Großmacht der Soft-Power-Strategie?

Deutschland hat bereits 2015 durch große Hilfsbereitschaft bei der Aufnahme von Flüchtlingen gezeigt, was sie für viele Analysten zu den wichtigsten Soft-Power-Ländern gebracht haben. Allerdings ist der Erfolg hier schwerer bestimmbar, denn anders als wirtschaftliche und militärische Eroberungen haben sie keine klaren Ergebnisse. Schon vor dem Krieg in den Ukraine-Krieg gab es Kritik an diesem Gutmenschentum, soziales Engagement gilt als weltfremd und nativ.

Smart Power als Ausweg

Mit dem Krieg wurden die Schwächen deutlich – Kulturaustausch und Handel sind zwei der drei Säulen zerstört. „Realisten“ wie Politikwissenschaftler John Mearsheimer, Niall Fergussan oder der General Carlo Massala triumphieren.
Kreye betont aber, dass Soft-Power-Strategien weiterhin sinnvoll sein können, in dem diese mit harter Macht verbindet. Eine humane Flüchtlingspolitik kann einen Beitrag dazu leisten.
„Wenn es Deutschland also schafft, sich trotz Krieg und zwölftstelliger Rüstungssonderzulagen auf seine Rolle als Großmacht der Soft Power zu besinnen, kann man auch als Pazifist rufen: Auf in den Kampf!“

Mittwoch, 2. März 2022

Drei Sorten von Putin-Fans

Christian Stöcker beschreibt in seiner Kolumne im SPIEGEL drei Arten von Putin-Fans – und neue Klarheiten

Erkenntnisse und Klarheit

Die erste Erkenntnis: „Alle, die seit vielen Jahren sagen, dass der Mann ein unberechenbarer, soziopathischer Egomane ist, der Verhandlungen als Show aufführt, lügt, betrügt, manipuliert und bei Bedarf tötet, hatten recht“ Die zweite Erkenntnis ist, dass die Linien nicht entlang von Parteien verlaufen.

Linksradikale und selbstsüchtige Putin-Fans

Die beiden ersten Sorten werden von Sahra Wagenknecht und Gerhard Schröder repräsentiert.
Wagenknecht seht für die Linken, die Putin immer noch die Treue halten, Schröder für die „völlig ideologiefrei, rein opportunistisch und selbstsüchtig agierende Putin-Fans“

Die rechte Internationale

Die größte und gefährlichste Gruppe ist die rechten Internationale: Dazu gehören Donald Trump und sein früherer Wahlkampfberater Stephen Bannon, oder Fox News-Propagandisten Tucker Carlson die Putin cool finden, weil er gesellschaftlich genauso rückständig denkt wie sie. Trump verstieg sich sogar zu einem Verweis auf die große Lüge, mit der er seit der verlorenen Wahl hausieren geht: »Und all das wegen einer manipulierten Wahl. Stöckers passender Kommentar zu diesem Verhalten: Brechreizerregend
Aber auch in Europa gibt es Unterstützung von Leuten, die von ihnen selbst wahrgenommenen Bedrohung der »Freiheit« durch Gendersternchen und »woke« Kultur schwadronieren, Die Freiheit der westlichen Industrienationen wird ganz sicher nicht von Gendersternchen bedroht, aber definitiv vom russischen Aggressor.

Erfolgreiche Vereinnahmung

Die von Russland viele Jahre betriebene Vereinnahmung der globalen Rechten, vereint durch pseudochristlich unterfütterten Rassismus, die Ablehnung alternativer Lebensformen, den festen Glauben an starke Männer und »traditionelle« Frauenrollen war erschreckend erfolgreich. Putin hat beim Brexit mitgemischt und nicht nur die Wahlen in den USA beeinflusst.
Die Bewegung ist auch eine Anti-Klimaschutzbewegung, die noch viel Unheil anrichten kann. Stöcker sieht ein Albtraumszenario der kommenden Jahre und Jahrzehnte und fordert eine klare Distanzierung.

Dienstag, 1. März 2022

Stärkt Putin ungewollt den Westen?

Erreicht Putin das Gegenteil des Erwünschten, nämlich die Erstarkung des Westens? Diese Hoffnung drückt Joachim Käppner in seinem Kommentar „Unter Wölfen“ aus. Dazu gelingt seiner Ansicht nach aber nur, wenn sich die freie Welt, die Demokratien wieder dessen besinnen, was der Kern ihres Wesens ist.

Eine langsam gewachsene Gemeinschaft

Käppner verweist auf Heinrich August Winkler, der den Westen als langsam gewachsene Gemeinschaft freier Staaten und „ein weltgeschichtlich einzigartiges Ensemble von Errungenschaften“ bezeichnet.

Die transatlantische Partnerschaft steht

Käppner betont, dass Biden zwar nicht der stärkste Präsident ist, aber ein überzeugter Transatlantiker, der Europa beisteht. Von Donald Trump hätte Europa keine Hilfe zu erwarten gehabt, im Gegenteil hat Trump Putin kürzlich als genial und clever bezeichnet.

Beitrag zur Stärkung des Westens

Nach dem Abzug des Westens aus Kabul stand das Bündnis am Tiefpunkt, nun hat ausgerechnet Putin für die Wiederbelebung gesorgt. Es wird deutlich, was die NATO ist: „eine Lebensversicherung für demokratische Staaten in einer Welt voller Wölfe.
Putins Aggression könnte diese verunsicherte westliche Welt dazu bringen, sich wieder ihrer Werte und ihrer Stärke bewusst zu werden: Menschenwürde, Grundreche, Meinungsfreiheit.

Gemeinsamer Beitrag zur Abschreckung und Verteidigung

Käppner fordert, dass Deutschland die katastrophalen Defizite der Bundeswehr angehen und einen größeren Beitrag zur Abschreckung und Verteidigung leisten muss, betont aber auch, dass der Versuch im Gespräch zu bleiben richtig war. „Diesen Versuch war das Land, das vor acht Jahrzehnten den Vernichtungskrieg gegen Russland (und die Ukraine) entfesselte, vor allem dem russischen Versuch schuldig“.

Der Westen – Mythos und Wirklichkeit

Johan Schloemann beschäftigt sich in seiner Analyse „Ein Klub und seine Grenzen“ in der Süddeutschen Zeitung mit dem Westen - gibt es den überhaupt noch, und was war er noch am

Der Begriff ist in aller Munde – ist es die "zivilisierte demokratische Staatengemeinschaft" wie Vitali Klitschko, dem Bürgermeister von Kiew betont? Und was gehört dazu EU plus Amerika, die NATO oder die G20 „abzüglich einiger schwarzer Schafe“. Einig sind sich viele, dass der Westen nie geeinter war. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts breiteten sich Konsumgesellschaft und Kapitalismus aus, die freie Welt wurde aber uneins. Es gab Selbstzweifel von links und rechts. Das Spektrum reicht „von einem exzessiven Neoliberalismus über Nationalpopulismus zu radikalem Postkolonialisierung.

Die Entwicklung eines Begriffs

Der Begriff Westen wurde im Kalten Krieg bekannt, als Gegenüber der kommunistischen Welt. Auch konservative Deutsche, die vorher eher Abendland, Mitteleuropa oder gar an Reich dachten, wurde der Betriff anschlussfähig.
Verwendet wurde der Betriff aber bereits vorher: in der griechischen Antike und den Perserkriegen wurde zwischen Westen der Freiheit und dem Osten als Despotie unterschieden – die Chinesen sahen es genau umgekehrt. Im Westen leben Barbaren.

Der Aufstieg des Westens

Heinrich Augst Winkler prägte mit seinem Werk „Geschichte des Westens“ die Debatte: Er sieht die Kirchentrennung als Voraussetzung und die die transatlantischen Revolutionen als Grundlage des Westens. Niall Fergusan benennt als zentrale Ideen den Schutz des Privateigentums, den Siegeszug der Wissenschaft und den Wettbewerbsgedanken.

Fortschritt und Abschottung

Andere Forscher beschreiben die doppelte Funktion: Fortschritt und Container. Fortschritt als mitunter bevormundendes Ideal, dem der Rest der Welt zu folgen hat. „Container“ steht für Abschottung und Abgrenzung gegenüber fremden Kulturen: der Westen als Klub, der sich zu schützen hat.
In der aktuellen Krise muss der Westen das neue Selbstbewusstsein erst noch zeigen: Eine militärische Antwort auf Russlands Aggression wurde zurecht ausgeschlossen, der Westen kennt seine Grenzen, in einer Welt, die er nicht mehr beherrscht.

Sonntag, 27. Februar 2022

Begeht der Westen immer wieder denselben Fehler?

In einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung beklagt Timothy Garton Ash, dass der Westen immer wieder denselben Fehler macht: Sarajevo 1914, Sudetenland 1938, Polen 1945, Krim 2014: An scheinbar abgelegenen Orten passiert etwas, und niemand erkennt die Dimension.

Ist es für die Ukraine zu spät?

Für die Ukraine ist Garton Ash pessimistisch, da der Weste wieder aufwacht, wenn es zu spät wird. Gegen die gut ausgestatte Armee plus 6000 Atomwaffen sieht er keine Chance. Man hätte der Ukraine nach ernsthaft helfen sollen: die Abhängigkeit von Russland reduzieren, Selbstverteidigung ausbauen und „russischen Schutzgeld in Londongrad trockenlegen“

Notwendige Maßnahmen für die Zukunft 

Für die Zukunft sieht er vier Dinge, die notwendig sind:

  • Verteidigung von NATO-Territorium gegen jegliche Form der Attacke – auch Cyberattacken und hybride Attacken
  • Der Ukraine alle mögliche Unterstützung anbieten unterhalb der Schwelle des Krieges
  • Sanktionen gegen Russland: Kriegskasse von 600 Milliarden und Gashahn aus der Hand nehmen und
  • Ein langer Kampf ist notwendig: „Es wird Jahre, vermutlich Jahrzehnte… um die Konsequenzen des 24. Februar zu bewältigen.


Garton Ash meint, dass wir vergessen haben, wie sich Nationen in die „mentale Karte von Europa eintragen, nämlich mit Blut, Schweiß und Tränen“.

Samstag, 26. Februar 2022

Krieg in Europa

„Wir sind in einer anderen Welt aufgewacht“. Außenministerin Annalena Baerbock hat es auf den Punkt gebracht, nachdem Russland die Ukraine überfallen hat. Auch für mich war und ist es ein Schock und immer noch schwer zu verstehen.
In diesem Eintrag möchte ich zunächst einige Quellen vorstellen, die über den Krieg berichten und Analysen liefern.  

Schwerpunktthema in Zeitungen

Zahlreiche Zeitungen bieten Sammlungen mit Nachrichten und Berichten:
Süddeutsche Zeitung: Ukraine 
SPIEGEL: Ukraine  
Die ZEIT: Krieg in der Ukraine 

Landeszentrale für politische Bildung

Die Landeszentrale für politische Bildung Nachrichten, Chroniken, Hintergründe und Analysen zum Krieg.  Es gibt eine ausführliche Zusammenfassung der Ereignisse von 2014, Analysen und Einschätzungen, Erklärfilme und Unterrichtsmaterial.  

Dienstag, 15. Februar 2022

Die NATO-Osterweiterung - Was hat der Westen versprochen?

Der russische Präsident Putin wiederholte während der aktuellen Krise immer wieder, dass der Westen nach der Wende versprochen hat, dass sich die NATO nicht in den Osten ausdehnt – und damit Wortbruch begannen. Was ist dran an diesem Vorwurf.

Nato-Osterweiterung: Was hat der Westen 1990 heimlich dem Kreml zugesagt?

Der SPIEGEL berichtet über die Ereignisse und weist auf einige Ungereimtheiten hin:

Unterschiedliche Aussagen von Zeitzeugen

Es ist gibt keine schriftlichen Zusagen, Zeitzeugen widersprechen sich, ob mündliche Zusagen gemacht wurden. Auch Gorbatschow macht widersprüchliche Angaben. Mal sagte er, dass ihm Kohl und die USA versprochen hätten, dass sich die NATO keinen Zentimeter nach Osten bewegt, mal bestritt er, dass über die NATO-Erweiterung überhaupt gesprochen wurde.

Umstrittene Rolle von Genscher

In einer Rede in Tutzing schlug er am 31. Januar 1990 vor, die Nato möge eine Erklärung abgeben, dass sich die NATO nicht ausdehnt. Sein Amtskollege Baker widerspricht, dennoch gab es eine Botschaft: Sollte Gorbatschow einem geeinten Deutschland in der Nato zustimmen, würde der Westen eine europäische Sicherheitsstruktur anstreben, die auf Moskaus Interessen Rücksicht nimmt. Später gab er auch zu, dass man gegen den Geist der Absprachen von 1990 verstoße habe.

Vorwürfe von Jelzin

Erste Vorwürfe von russischer Seite gab es bereits 1993, als der damalige Präsident Jelzin, darauf verwies, dass die Bestrebungen von Polen, Ungarn und Tschechien gegen den Geist des Zwei-plus-vier-Vertrag verstößt. Er stimmte der Nato-Osterweiterung zwar 1997 ausdrücklich zu, schimpfte aber, er tue das nur, weil der Westen ihn dazu zwinge

Hat Putin recht?

Auch das ZDF-Magazin Frontal fragt, ob Putin mit seinen Vorwürfen recht hat. Sie zeigen eine Videoaufnahme, in der Hans-Dietrich Genscher bei einem Besuch seines amerikanischen Amtskollegen sagt, dass sich die NATO nicht in den Osten ausbreitet. Gezeigt werden auch aktuelle Aussagen von Putin, der Sicherheitsgarantien fordert. Hier macht der Bericht auch Hoffnung – ein Moratorium für weitere Erweiterung könnte ein Lösungsansatz sein.

Es gibt nichts Schriftliches

Unbestritten ist, dass es keine schriftlichen Zusagen des Westens gibt. Zu hinterfragen ist auch, ob Genscher überhaupt Zusagen machen konnte. Auch Putin hat sich 2004 dazu bekannt, dass jedes Land sein Bündnis frei wählen kann, aber auch der andere Teil der Absprache darf man nicht vergessen – dass dabei die Sicherheitsinteressen aller Staaten berücksichtigt werden müssen.

Donnerstag, 10. Februar 2022

„Schnuppertag Grenzmanagement“ in der Anstalt

Die Satire-Sendung Die Anstalt bringt es mal wieder auf den Punkt. In der Ausgabe vom 1. Februar geht es um die Flüchtlingspolitik der Europäische Union. Das Video und einen Faktencheck finden Sie auf der Homepage des ZDF
Beim "Schnuppertag Grenzmanagement" in der Frontex-Zentrale lernt das Anstaltsensemble, wie man zweifelhafte Machenschaften ins rechte Licht rückt.

Skandalöses Vorgehen

Ein DDR-Grenzschützer, gespielt von Max Uthoff, besucht die Frontex-Zentrale und erlebt bei diesem Schnuppertag einige negative Überraschungen:
Das Vorgehen von Frontex an den europäischen Außengrenzen und der Zusammenarbeit mit fragwürdigen Regimen. Dazu zählt auch die Beteiligung an illegalen Pushbacks
Die absurden Werbemaßnahmen für neue Mitarbeiter*innen PR-Kampagne der Grenzschutzagentur
Die fragwürdigen Investitionen: Hunderte Millionen wurden in Flugzeuge und Drohnen investiert, nichts hingegen in Schiffe, die Menschenleben retten könnten
Auch das Vorgehen einzelner Staaten wird kritisiert, z.B. das Vorgehen Polens an der Grenze zu Belarus und die Bearbeitung von Asylanträgen.
 

Beispiele erfolgreicher Integration

Zum Schluss des Berichts werden einige Menschen vorgestellt, die 2015 als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, damals in der Anstalt auftraten und erstaunliche Entwicklungen genommen haben. Es ist ein erfreuliches Ende einer ansonsten doch sehr bitteren Dokumentation.

Freitag, 7. Januar 2022

Ukraine-Konflikt: Wie soll der Westen reagieren?

„Keinen Schritt weiter“ fordert Matthias Naß in der ZEIT

Die russische Argumentation zurückweisen

Als erstes muss der Westen und auch die neue Bundesregierung die russischen Forderungen zurückweisen. Von der Ukraine geht keine Gefahr für Russland aus. Souveräne Staaten entscheiden selbst über ihre Sicherheit. Die NATO kann dort, wo es verantwortbar ist, z.B. bei den baltischen Staaten – dem Wunsch entsprechen, bei anderen – wie Ukraine und Georgien – aber im Moment ablehnen.  

Auf Folgen der Aggression hinweisen

Der Westen soll außerdem auf die Folgen hinweisen. Folgende Instrumente stehen zur Verfügung:

  • Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehrs-Übereinkommen-Swift. Dadurch könnte der Außenhandel zum Erliegen kommen
  • Die OECD, der Zusammenschluss wichtiger Industriestaaten, könnte Russland abstufen und damit Russlands Kredite verteuern.
  • Verbot wichtiger Industriegüte, z.B. für die Flugzeugindustrie
  • Kein Betrieb für die Gaspipeline Nord-Stream 2
  • Waffenlieferung an die Ukraine und Dialog zum Neubeginn: Gleichzeitig sollte der Westen einen Dialog anbieten, wenn Putin seine Truppen zurückzieht. Das hat in den dunkelsten Zeiten des Kalten Kriegs mit der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa funktioniert.


Putin als Störenfried, aber kein großer Staatsmann

Das Urteil von Naß ist hart: Mit dem Überfall auf die Ukraine und der Annexion der Krim 2014 hat er das Gegenteil seiner Ziele erreicht; die Nato hatte nie so viele Soldaten an ihrer Ostgrenze stationiert wie heute.

Donnerstag, 6. Januar 2022

Der Ukraine-Konflikt: Video von MrWissen2go

Die Youtube-Seite Mr Wissen2go bietet spannendes Allgemeinwissen rund um Politik, Geschichte und das aktuelle Zeitgeschehen. In einem Film vom 2. Januar 2022 beschäftigt sich Mirko Drotschmann mit dem Ukraine-Konflikt.
Die Fronten zwischen der Ukraine und Russland sind verhärtet - schon seit Jahren. Jetzt droht die Situation allerdings zu eskalieren. Droht jetzt ein Krieg, in dem auch die Nato eine Rolle spielen könnte? In diesem Video geht es um die Geschichte des Konflikts und um aktuelle Hintergründe.

Positionen der Ukraine und Russlands

Zunächst präsentiert er einen Überblick über den Konflikt von den Protesten auf den Maidan hin zu den Konflikten um die Krim und in der Ostukraine. Anschließend geht es um die gegensätzlichen Positionen:
Die Ukraine fährt auch unter dem neuen Präsidenten Selensky weiter einen westlichen Kurs. Die USA unterstützt das Militär, die Türkei liefert Drohnen
Russland verweist auf das Versprechen, dass sich die NATO nicht in den Osten ausdehnen würde. Ein angeblich von Helmut Kohl gegebenes Versprechen, das aber nie schriftlich niedergelegt wurde.
Putin fordert deshalb auch, dass sich die NATO auf die Position von 1997 zurückzieht, die Ukraine kein NATO-Mitglied wird und es keine militärischen Handlungen in der Nähe gibt.

Krieg möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich

Der Bericht endet mit der Einschätzung, dass ein Krieg möglich, aber nicht wahrscheinlich ist. Es wird die Vermutung geäußert, dass Putin zwar Druck ausüben möchte, aber keinen Angriff plant. Das klingt plausibel – und kommt hoffentlich auch so.

Video


Dienstag, 4. Januar 2022

Der Ukraine-Konflikt: Was treibt Putin an?

In diesem Eintrag stelle ich zwei Artikel vor, die sich mit Gründen für Putins Vorgehen beschäftigen.

Die Putin-Doktrin

Christian Esch beschreibt im SPIEGEL die Großmachtfantasien des russischen Präsidenten
Putin hat das Ende der Sowjetunion als große Tragödie bezeichnet, Russland nennt er die größte geteilte Nation der Welt, da 25 Millionen außerhalb der russischen Staatsgrenzen leben. Aus dieser Logik ergibt sich der Anspruch auf Territorien, es sei denn sie verhalten sich wie Kasachstan freundlich. Wer aber wie die Ukraine in den Westen strebt, ist seiner Grenzen nicht mehr sicher.

Das Fenster der Gelegenheit

Maxim Kireev analysiert in der ZEIT die Situation Putins. Einerseits kann er zufrieden sein, andererseits wirkt er wie ein Getriebener. Dank hoher Gastpreise verfügt Russland über stabile Staatsfinanzen, sein Widersacher Nawalny sitzt im Gefängnis. Mit seiner Drohkulisse und dem Truppenaufmarsch möchte er erreichen, dass der Westen Russlands Einflusssphären akzeptiert.

Verhalten wie ein gewöhnlicher Ölstaat

Russland verhalte sich wie ein Ölstaat: Wenn die Ölpreise steigen, dann werden Staaten wie Russland aggressiver und sind eher bereit, sich auf außenpolitische Abenteuer einzulassen.
Allerdings läuft ihm die Zeit davon: Sein Vorgehen hat selbst die russischsprachigen Menschen im Osten abgeschreckt, die Ukraine bindet sich immer mehr an den Westen: Er könnte also genau das Gegenteil erreichen. 2008 und 2014 stürzte sich Russland in Abenteuer in Georgien und die Krim.

Sonntag, 2. Januar 2022

Der Ukraine-Konflikt: Überblick

In den nächsten Beiträgen werde ich auf den wieder aufgeflammten Konflikt um die Ukraine eingehen.
Einen Überblick über wichtigste Fragen bietet der SPIEGEL. Der Artikel behandelt unter anderem die Fragen und bezieht sich auf die Situation kurz vor Weih-nachten: Der russische Präsident Wladimir Putin stellt in dem Konflikt sehr weitgehende Forderungen und lässt Truppen in der Nähe der ukrainischen Grenze aufmarschieren. Der Westen gibt sich gesprächsbereit, hat den meisten Wünschen aus Moskau jedoch bereits eine Absage erteilt.

Russlands Drohungen und der Westen Will Putin wirklich die Ukraine angreifen? Und wenn ja - was dann? Was machen die russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine, was will Russland – und wie reagieren Deutschland und der Westen auf die Drohgebärden?

Kommt es zum Krieg?

Russland stellt umfassende Forderung: Ausschluss eines Nato-Beitritts der Ukraine sowie die Aufgabe aller militärischen Aktivitäten der Nato in der Ukraine und dem übrigen Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien. Rückbau der Nato auf vor der Osterweiterung im Jahr 1997 gefordert
Die Autoren vermuten, dass es Russland nicht um die vollständige Übernahme der Ukraine geht, sondern nur um die Ostukraine, wo auch mehrheitlich Russisch gesprochen wird.

Die Wurzeln des Konflikts

Die Ukraine wurde 1991 unabhängig. Schon damals schrieb Putin sinngemäß, dass die Ukraine gar kein eigener Staat ist. Solange die Ukraine sich an Russland orientierte, gab es wenig Probleme. Das änderte sich, als es 2013 wegen eines Streits über ein EU-Assoziierungsabkommen zu einem Volksaufstand kam

Minsker Abkommen

Das Minsker Abkommen ist eine internationale Vereinbarung, die eigentlich den Frieden oder zumindest eine Waffenruhe im Osten der Ukraine garantieren soll.
Das Abkommen sieht unter anderem einen Waffenstillstand und den Abzug schwerer Waffen aus einer Sicherheitszone vor. Das Abkommen ist allerdings bis heute nur in Teilen umgesetzt worden

Reaktionen des Westens

Der Westen hat die Forderungen zurückgewiesen. Angesichts des russischen Aufmarschs an der Grenze zur Ukraine plant die Nato eine Verstärkung der eigenen Truppen an der Ostgrenze der Allianz. Geprüft werden Sanktionsmöglichkeiten, unter anderem die Gaspipeline Nord Stream 2.