Freitag, 24. April 2020

Über das Schuldenmachen und das Ende der EU

In einem Beitrag  habe ich bereits über die Crash-Propheten berichtet. Darunter war auch ein Streitgespräch zwischen Marc Friedrich und Peter Bofinger. Nun haben sich die beiden erneut zu einem Gespräch getroffen.

Sind Schulden das Problem oder die Lösung der Krise?

Bestsellerautor Marc Friedrich hat einen massiven Crash prophezeit und sieht sich durch die Pandemie bestätigt. Immerhin waren sich die beiden einig, dass sich die jetzige Krise deutlich von der Finanzkrise unterscheidet, da praktisch die ganze Wirtschaft betroffen ist, inkl. vieler Firmen, die gut funktioniert haben und keine Finanzierungsprobleme hatten.
Das war es dann auch – während Bofinger die Aufnahme neuer Schulden die einzige Möglichkeit ist, um aus dem Schlamassel herauszukommen, sind sie für Friedrich die Ursache aller Probleme.

Die Auflösung der EU?

Ich verfüge nicht über das Selbstbewusstsein der beiden Herren, die ihre Argumente ohne den Hauch eines Zweifels äußern. Deswegen möchte ich hier nur auf einen Lösungsansatz eingehen, den ich für völlig absurd halte: Friedrichs Forderung nach Abschaffung der „EU, EZB, all das, was zentralistisch und planwirtschaftlich fern der Menschen ist.“ Nach dem Brexit-Debakel haben viele rechte europäische Parteien die Forderung nach einem Austritt gestrichen – und Friedrich fordert genau das!

Viele wirtschaftliche, historische und politische Gründe für die EU

Es gibt viele Gründe gegen Friedrichs Argumentation. Zurecht bezweifelt Bofinger, dass sich europäische Staaten international behaupten können. Gewagt finde ich auch, in dieser Zeit, in der wirklich alle nach dem Staat rufen, auf die Heilkräfte des Markts zu hoffen. Der wichtigste Grund bleibt aber politisch: Die Europäische Integration und die Zusammenarbeit hat uns mehr als 70 Jahre Friede gebracht – das dürfen wir nicht gefährden.

Dienstag, 14. April 2020

Europäische Solidarität - mit oder ohne Corona-Bonds?

Nach langer Diskussion haben sich die EU-Finanzminister auf ein umfangreiches Rettungspaket geeinigt.
Es hat einen Umfang von 500 Mrd. Euro und besteht aus drei Bestandteilen:
  • Die Europäische Investitionsbank wird durch Bürgschaften bis zu 200 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten für Mittelständler ermöglichen.
  • Die EU-Kommission will zudem die Kurzarbeitergeld-Systeme der Staaten mit bis zu 100 Milliarden Euro unterstützen.
  • Der Euro-Rettungsschirm ESM soll Staaten mit der Gemeinschaftswährung vorsorgliche Kreditlinien zur Verfügung stellen.

(Noch) nicht dabei: Corona-Bonds

Fast interessanter ist aber das Element, das nicht in diesem Kompromiss dabei ist – die Corona-Bonds. Von Italien, Spanien und Frankreich gefordert, von Deutschland und den Niederlanden ebenso vehement abgelehnt. 

Corona-Bonds sind keine Euro-Bonds

Die Idee ist, dass die Mitgliedstaaten gemeinsam Kredite aufnehmen – wie sie es übrigens schon etliche Mal gemacht haben. Da Deutschland aufgrund seiner guten Bonität im Moment fast nichts für Kredite zahlen muss, die betroffenen Länder aber deutlich mehr, wären die Krediten für Spanien, Italien und andere billiger – und für Deutschland eben teurer.
Anders als bei den während der Finanzkrise diskutierten Euro-Bonds ginge es diesem Fall um eine klar definierte Aufgabe der Zukunft – den Wiederaufbau der Länder

Unterstützung von ungewohnter Seite

Die Corona-Bons sollen kein Dauerinstrument werden. Das betont auch der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Er gehört eher überraschend zu den Befürwortern, da sich nur so „europäische Solidarität“ organisieren. Den Europäischen Stabilisierungsmechanismen lehnt Hüther ab. Er ist aus der Finanzkrise entstanden und soll Banken stabilisieren. Er ist stigmatisierend und erhöht die Schulden weiter.



Corona-Bonds als Symbol - und Grund alte Vorurteile zu pflegen

Die Debatte ist auch sehr symbolisch, werden doch alte Vorurteile zwischen arroganten Nordeuropäern und faulen Südeuropäern neu belebt werden. Besonders bedauerlich finde ich, dass die Gemäßigten auf beiden Seiten auf ihren Positionen beharren zu müssen, damit sie nicht von Rechten (konkret: AfD in Deutschland, Lega in Italien) bedrängt werden.

Europäische Solidarität ist gefordert

Der Bundespräsident hat es in seiner Rede deutlich gemacht: Europäische Solidarität ist in unserem ureigensten Interesse. Noch pathetischer drücken es verschiedene Intellektuell, Künstler, Politiker und Ökonomen aus: „Europa kann nur weiterleben, wenn die Europäer jetzt füreinander einstehen“.

Weitere Informationen

Die verschiedenen Modelle werden in der ZEIT erklärt: Corona-Bonds, ESM oder doch lieber EZB?
Zum Hilfspaket: Süddeutsche Zeitung: Hilfspaket der EU
SPIEGEL: Was sind Corona-Bonds?
Die Tagesschau: Corona-Bonds sind kein Dauerinstrument
Aufruf in der ZEIT Europa kann nur weiterleben, wenn die Europäer füreinander einstehen

 

Montag, 6. April 2020

Es ist höchste Zeit, Polen und Ungarn zu stoppen

Im Blogeintrag Ungarn, Polen (und andere) auf Abwegen habe ich mich bereits meinen Frust zum Ausdruck gebracht - über Ungarn, Polen und die Reaktion der EU. Was sich Orban und Kacynski – und die EU! - aber während der Corona-Krise leisten, spottet jeder Beschreibung.

Ungarn – auf dem Weg in die Diktatur

In Ungarn ist das Parlament vorerst geschlossen. Die Notstandsgesetzgebung gilt bis auf Widerruf – durch das Parlament, das nicht mehr tagt. Nebenbei wird auch noch die Meinungsfreiheit bedroht durch ein Gesetz, das die Verbreitung falscher Nachricht unter Strafe stellt.

Abenteuerliche Veränderungen des Wahlrechts in Polen

Die Opposition kritisiert zurecht, dass die Präsidentschaftswahlen immer noch nicht abgesagt wurden. Während der Präsident durchs Land zieht (und dies von den mittlerweile auf Linie gebrach-ten Medien gefeiert wird), haben die anderen Kandidaten keine Chance.
Dann die Ideen zur Verdrehung des Wahlrechts. Um sie angeblich zu schützen, sollte das Recht auf Briefwahl nur für über 60jährige eingeführt werden – wohlwissend, dass diese treue Wähler/innen der PIS sind. Neuerster Clou: Die Amtszeit des Präsidenten soll verlängert werden, die Wahl damit gleich um zwei Jahre verschoben werden.

Die Reaktionen der EU – feige und ausweichend

Die Kommissionspräsidentin von der Leyen hat einen Tweet einige Punkte erwähnt, die eigentlich selbstverständlich sein sollten:
Notfallmaßnahmen dürfen nicht grundlegende Prinzipien verletzen, freie Medien sind wichtig, Rechtssicherheit und Meinungsfreiheit. Erstaunlicher ist, was sie nicht erwähnt hat: Um wen es geht, nämlich hanebüchene Gesetze von Polen und Ungarn, die diktatorische Tendenzen haben und – das ist der Gipfel – keine konkreten Gegenmaßnahmen. Kein Wunder, dass sich die Herrschenden in Polen und Ungarn ins Fäustchen lachen
Matthias Kolb bekommt es in einem Kommentar in der Süddeutschen über von der Leyen auf den Punkt:
Corona-Krise hin oder her: Sie darf sich nicht wegducken, wenn der Kern der EU bedroht ist, nämlich Rechtsstaat, demokratische Kontrolle und Medienfreiheit.

Entschlossenes Handeln

Der ungarische Politologe Daniel Hegedüs fordert im SPIEGEL (nur im Abo)
ein entschlossenes Handeln:
  • Die EU muss endlich verurteilen, dass EU-Grundwerte schwerwiegend verletzt werden.
  • Die Europäische Volkspartei muss die Orban-Partei Fidesz rausschmeißen
  • Die EU muss finanziellen Druck aufbauen
  • Durch Diplomatie und rechtliche Schritte müssen die Verstöße geahndet werden.

Am Ende macht Orbán, was er will, und kommt damit durch

Ähnlich wie viele Kommentator/innen bin ich skeptisch: Bis jetzt ist Orban immer durchgekommen und es spricht einiges dafür, dass er es wieder schafft. Verräterisch auch der Verweis auf das Totschlagargument „Es gibt Wichtigeres“, das von der Leyen und Kramp-Karrenbauer genutzt haben.
„Der Ungar darf zuhause über die Stränge schlagen, solange der in Brüssel halbwegs kooperativ bleibt“ so Krupas Fazit in der ZEIT.
"Sonst fällt dem Kampf gegen die Pandemie am Ende noch Europas Demokratie zum Opfer." wie es Stephan Israel im Tagesanzeiger befürchtet.