Es ist eine Tragödie. Ausgerechnet Polen und Ungarn, deren Bürgern zu Zeiten des Kommunismus für demokratische Freiheiten gekämpft haben, wenden sich zunehmend von Demokratie und rechtsstaatlichen Prinzipien ab. Man muss genauer sagen: Die Regierungen unter Viktor Orban und Jaroslaw Kaczynski, dem mächtigen Parteichef der PIS-Partei. Die Opposition in beiden Ländern ist sehr deutlich pro Europa, die Europawahlen haben den Weg aber bestätigt.
Umbau von Staat, Justiz und Medien
Beide nutzen ihre parlamentarischen Mehrheiten, um den Staat umzubauen, die Justiz nach ihren Interessen auszurichten und im Falle von Orban auf dreiste Weise die Unabhängigkeit der Medien abzubauen. Orban garniert das Ganze noch mit unerträglichem Antisemitismus, in dem er regelmäßig über seinen früheren Förderer George Soros herfällt.
Drei Schritte vor, ein Schritt zurück
Auch die Strategien, die in den beiden Staaten anwenden, ähneln sich. Der Abbau des Rechtsstaats geht langsam. Hier eine kleine harmlos klingende Änderung, dort ein neues Gesetz unter dem Vorwand alte Seilschaften zu bekämpfen. Die Europäer haben damit immer wieder demonstriert und auch rechtliche Schritte eingelegt – aber häufig waren es drei Schritte vor, ein Schritt zurück.
Umbau der Justiz, Ausschalten der Opposition
Die EU hat wenig Möglichkeiten…
Würden Ungarn und Polen heute einen Beitritt beantragen und würde die EU die Beitrittskriterien ernst nehmen – sie hätten keine Chancen auf Verhandlungen, geschweige denn einen Beitritt. So hat die EU aber wenig Möglichkeiten. Vertragsverletzungsverfahren wurden bereits eingeleitet, auch Artikel 7 als mächtigstes Schwert wurde bereits gezogen. Die letzte Stufe – den Entzug des Stimmrechts – kann aber nur einstimmig erfolgen. Nachdem sich Orban und Kaczynski werden verhindern, dass es so weit kommt und sich gegenseitig retten.
…und nutzt sie auch nicht
Hinzu kommt, dass sich die EU-Staaten und auch die Parteien nicht einig sind. Bei einem Besuch im Europaparlament durfte ich das Schwarze Peter Spiel miterleben: Die Sozialdemokraten attackieren die Christdemokraten, weil die Orban in ihren Reihen dulden. Die Christdemokraten verweisen (zurecht) darauf, dass die slowakischen oder rumänischen Sozialdemokraten auch nicht viel mit Demokratie am Hut haben. An guten Tagen werden den Liberalen (auch zurecht) die Machenschaften des tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis vorgeworfen.
Bleibt am Ende das Geld?
Wenn moralische Appelle nichts bewirken – hilft am Ende das Geld? Der Haushaltsentwurf bietet hier einen interessanten Ansatzpunkt. Wenn die Auszahlung von Geldern an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit gebunden wird, könnte dies ein Ansatzpunkt sein. Letztlich muss aber auch der Haushalt einstimmig beschlossen werden und die beiden Regierungen sitzen fester im Sattel als bevor.