Dienstag, 26. April 2022

Wahlsieg von Emmanuel Macron: Gerade noch mal so

Gero von Randow bringt in der ZEIT die Erleichterung nach dem Sieg Macrons bei den französischen Präsidentschaftswahlen auf den Punkt: Gerade noch mal so. Seine Konkurrentin Marine Le Pen hat fast 42 % erzielt – „deren Nähe zur Putin-Diktatur notorisch ist, zu deren Feindbildern die EU, die Nato und Deutschland gehören, die Migranten als Menschen zweiter Klasse behandelt und ihre verfassungswidrigen Vorhaben mit Volksbefragungen legitimieren will“

Ein Macron-Volk und ein Le-Pen-Volk

Frankreich ist zweigeteilt. Gutverdienende wählen Macron, ärmere Menschen wählten Le Pen. Ihr gelang es, Benachteiligte zu überzeugen, dass ihr Unglück in den Konkurrenten aus dem Ausland oder dem Neoliberalismus liegen. Macron muss das Volk gewinnen. Die fälligen Reformen müssen die erreichen, die nicht zu den Gewinnern gehören-

Macrons stärkster Gegner: Jean-Luc Mélenchon

Im Juni stehen die Parlamentswahlen an, bei dem Macrons stärkster Gegner Jean-Luch Melenchon werden könnte. Er war mit Abstand stärkster Kandidat der Linken bei der Präsidentschaftswahl und könnte dominante Figur werden. Im Gegensatz dazu wird es Marine Le Pen aufgrund des Mehrheitswahlrechts schwer haben.

Kommt jetzt die Einheitspartei?

Macron könnte hingegen eine Einheitspartei anstreben, wie es Jacques Chirac 2002 gemacht hat. Sie brachte Nicolas Sarkozy hervor, der ihm folgte. Auch Macron kann nach zwei Legislaturperioden nicht mehr kandidieren. Dies ist nicht ohne Risiko, denn eine Partei der Mitte könnte durch extreme Parteien abgelöst werden. Der Autor befürchtet: „Dann würde ein böser Abschnitt der europäischen Geschichte beginnen. Auch deswegen übrigens hat Macron von den anderen Staaten Europas, die noch nicht der reaktionären Versuchung anheimgefallen sind, alle Unterstützung verdient."

Mittwoch, 20. April 2022

Schluss mit dem Schlafwandeln – das Weltprojekt Frieden

In einem Artikel im SPIEGEL fordert Dirk Kurbjuweit „Schluss mit dem Schlafwandeln“.

Zwei dunkle Traditionen des Westens

Neben den hellen Botschaften Freiheit, Demokratie und Menschenrechte sieht Kurbjuweit zwei dunkle Traditionen: Doppelmoral in Fällen, in denen man den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wurde, wie z.B. Guantanamo. Im-Stich-Lassen heißt, dass der Westen Menschen und Staaten außerhalb des Bündnisgebiets nicht entschieden hilft. Aktuelles Beispiel für diesen Fall ist die Ukraine, die bisher vergebens um militärischen Beistand bittet.

Attraktivität von Demokratie und Freiheit

Der Westen fordert den Traum der Freiheit und Demokratie. Diese Attraktivität macht vielen Autorkaten Angst: Islamiten und auch Putin. Aber: „Der Westen schürt das demokratische Feuer, aber wenn die autoritären Herrscher es austreten wollen, ist ihm die eigene Sicherheit lieber als die Freiheit der anderen.“

Der Westen half nur selten

1917 griff die USA in den 1. Weltkrieg ein. Präsident Wilson begründete dies mit dem Satz, dass das Recht wichtiger ist als der Friede, auch die Nationalsozialisten ließ man lange gewähren. Nach dem 2. Weltkrieg ließ man Freiheitskämpfer im Osten im Stich, die USA unterstützte sogar autoritäre Regime. Erst 1999 griff der Westen auf Seiten des Kosovos aktiv ein.

Weltprojekt Frieden – mit dem Bund demokratischer Staaten

Kurbjuweit betont, dass es gute Gründe für dieses Zögern gab. Während des Kalten Kriegs – und möglicherweise auch aktuell -droht ein Atomkrieg. Eine Strategie sieht er für „Weltprojekt Freiheit“ durch einen Bund demokratischer Staaten. Dieser Bund kann und soll breiter sein als westliche Organisationen wie NATO oder G7. Er nimmt die freiheitliche Tradition des Westens mit freundlicher Distanz auf, entwickelt mit der Zeit aber eine neue, eigene.

Friedliche aber wehrhafte Demokratien

Dieses Bündnis sollte einige Richtlinien beachten: Das Verhältnis zu autoritären Staaten wird politisch definiert, nicht wirtschaftlich. Sie sind friedlich, aber wehrhaft. Es gibt keinen Anspruch auf militärische Intervention, aber volle Unterstützung – jeder wüsste, woran er ist. Dies ist ein Programm für Realisten, nicht für Idealisten.

Dienstag, 19. April 2022

Verbrennt der westliche Optimismus?

Der Titel Geschichtsphilosophie: Der Optimismus verbrennt klingt seltsam, wie bei allen Artikeln von Andreas Reckwitz stecken auch in diesem Beitrag in der ZEIT viele interessante Gedanken.

Muster des Fortschritts

Reckwitz beschreibt die liberale Geschichtsphilosophie als Muster des Fortschritts: Der Glaube an die Aufklärung, die Entfaltung der Vernunft und die Entwicklung zum Bessern – in Technik und Wissenschaft, aber auch in den Bereichen Recht, Politik und Moral.

Revival nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Tiefpunkt durch Holocaust und Zweiter Weltkrieg folgten nach 1945 und nach 1990 Modernisierungswellen: parlamentarische Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft und soziale Sicherung, Pluralismus und Individualismus. Nach dem Fall der Mauer schien dieses liberale Wirtschaftsmodell endgültig gesiegt zu haben. Symbolisiert wird dies durch das berühmte Zitat vom Ende der Geschichte durch Francis Fukuyama.

Gescheiterte nachholende Modernisierung

Während bei einigen Staaten die „nachholende Modernisierung“ einsetzte und sich das westlich-liberale Geschäftsmodell ebenso durchsetzte wie der Kapitalismus, wenden sich einige Staaten gegen dieses Modell. Dazu gehört Russland, dass sich mit Bezug auf Tradition, Religion und Volk gegen das Modell wandte. Auch der amerikanische Versuch, im Nahen und Mittleren Osten militärisch eine Modernisierung von oben zu betreiben, ist gescheitert: Das westliche Modell lässt sich offenbar nicht ohne Weiteres in andere soziokulturelle Kontexte exportieren, schon gar nicht mit militärischer Intervention.

China – Kapitalismus, starker Staat und konfuzianische Tradition

Einen anderen Weg wählte China. Wirtschaftlich dank marktwirtschaftlicher Reformen erfolgreich setzt es innenpolitisch auf eine scharfe antiliberale Wendung.
Antiliberale Tendenzen zeigen sich auch im Westen. Die Präsidentschaft Trumps und der Sturm auf das Kapitol stellen Risiken für die liberale Demokratie dar, die vor Kurzem noch undenkbar waren.

Kampf zwischen Liberalismus und Autoritarismus

Den Ukraine-Krieg bezeichnet Reckwitz als „bislang letzte Mosaikstein für ein neues Bild der Weltgesellschaft im 21. Jahrhundert. Es besteht die Gefahr, dass sich China und Russland zu einem strategischen Bündnis gegen den Westen und westliche Ideen verbinden."
Er befürchtet einen Kampf zwischen Liberalismus und Autoritarismus, der sich durch drei Entwicklungen zeigt: ein Rückgang der Globalisierung, eine sich stark verändernde Politik und ideologische Konfliktlinien, die es seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr gegeben hat.

Das westliche Projekt neue begreifen und verfolgen

Trotz der Rückschläge und Probleme will Reckwitz das Projekt der moderne nicht ad acta leben. Aber statt an die zwingende Kraft eines Modernisierungsprozesses und eherne historische Gesetze zu glauben, muss man dieses Projekt neu begreifen und verfolgen: als ein seiner eigenen Schwächen bewusstes normatives und strategisches Projekt, im Wissen um seine Gegner. Wir engagieren uns dafür, auch wenn der weltweite Erfolg in der Zukunft nicht gewiss ist.

Freitag, 8. April 2022

Der Ukraine Krieg - wie könnte es weitergehen?

In den Medien werden derzeit einige Szenarien verbreitet, wie es mit dem Krieg in er Ukraine weitergehen könnte. Der SPIEGEL stellt sechs Szenarien vor.

Der Krieg geht weiter

Einige Szenarien gehen davon aus, dass der Krieg weitergeht oder sogar ausgeweitet wird:

Militärisches Patt:

Nach diesem Szenario bringt der ukrainische Widerstand und Sanktionen vom Ziel ab, die Regierung zu stürzen. Dies deutet sich bereits an, dafür erscheint zusätzlich das nächste Szenario wahrscheinlicher.

Zermürbungskrieg:

Russland kann Krieg durch Luft- und Raketenangriffe noch lange Zeit weiterführen. Die zynische Überlegung „Je größer die Zerstörung und das Leid, desto besser die Position am Verhandlungstisch.“

Militärischer Erfolg Russlands

Auch ein militärischer Erfolg Russlands ist immer noch möglich, kann Russland aber das ganze Land besetzt halten?

Ausweitung des Konflikts

Leider nicht unrealistisch ist es, dass sich der Konflikt ausweitet. Die Republik Moldau ist als ehemalige Sowjetrepublik im Einflussgebiet, kein NATO-Mitglied und hat mit Transnistrien ein russisch dominiertes Gebiet auf seinem Territorium.

Ende des Krieges 

Der Krieg könnte durch Verhandlungen oder innenpolitischen Wandel in Russland enden:

Friedensschluss

In den Verhandlungen deutete sich bereits an, dass der Krieg durch die Neutralitätserklärung der Ukraine beendet werden könnte. Die Vorstellungen, was dies bedeutet, gehen aber weit auseinander. Hinzu kommen russische Ansprüche auf die Krim und die Ostukraine. Ist aber die Ukraine als geteiltes und neutrales Land die Lösung? Gibt sich Russland mit Teilen zufrieden? Akzeptiert die Ukraine weitere Abspaltungen?

Innenpolitischer Wandel

Der Krieg könnte durch den Sturz Putins beendet werden. Denkbar sind ein Aufstand durch die Bevölkerung oder ein Putsch durch Militär und Geheimdienst. Einige hoffen auf die Oligarchen, die sich aus Angst um ihr Vermögen gegen Putin wenden könnten.