Mittwoch, 29. August 2018

Die richtige Flüchtlingspolitik

Die Ankündigung (Die richtige Flüchtlingspolitik) ist etwas großspurig, ebenso der Titel (Die Jahrhundertfrage), ohne Frage hat das Thema Flüchtlinge aber eine große Brisanz.
Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob die zehn Thesen, die Nicole Abe, Katrin Elger und Fritz Schaap in ihrem Artikel im SPIEGEL beschreiben, tatsächlich die Lösung des Problems darstellen, aber interessant ist es allemal. Besonders gefallen hat mir die Ausgewogenheit, auf einseitige Schuldzuweisungen wird im Artikel ebenso verzichtet wie auf radikale Lösungen. Alle Forderungen wären durchaus umsetzbar, gemeinsam könnten sie vielleicht die Problematik tatsächlich befrieden, wenn auch sicherlich nicht endgültig lösen.
Da der Artikel leider nur für Abonnenten aufrufbar ist, möchte ich an dieser Stelle alle Thesen nennen:

10 Thesen für eine Flüchtlingspolitik

1.    Mehr Hilfe vor Ort: Sowohl die Länder nahe den Krisenherden als auch das UN-Hilfswerk brauchen mehr Geld, um Schutzbedürftige besser versorgen zu können.
2.    Autonomie wiederherstellen: Statt in Lagern weggesteckt, sollen Flüchtlinge möglichst schnell in Arbeit gebracht werden, Jobs sollen vor Ort geschaffen werden.
3.    Außengrenzen stärker kontrollieren: Die EU muss wissen, wer einreist, die Identität der Migranten prüfen und sie registrieren.
4.    Resettlement: Für politische Verfolgte muss es gefahrlose Wege nach Europa geben. Mithilfe des UNHCR können diese in Flüchtlingslager ausgewählt werden.
5.    Wirtschaftlicher Aufbau: EU-Firmen dürfen den afrikanischen Markt nicht mit subventionierten Billigprodukten überschwemmen und die lokale Wirtschaft schwächen.
6.    Leben retten: Europa hat die Pflicht, Schiffbrüchigen zu helfen und darf diese Aufgabe nicht privaten Organisationen überlassen.
7.    Transitzentren: EU-Experten prüfen dort in Transitzentren innerhalb weniger Wochen, ob eine Person Asyl bekommt. Wer nicht schutzbedürftig ist, hat kein Bleiberecht in Europa.
8.    Rücknahmeabkommen: Europa muss mit den afrikanischen Herkunftsstaaten Verträge aushandeln, damit sie bereit sind, ihre Staatsbürger wieder aufzunehmen.
9.    Arbeitsvisa: Kontingente für diese könnten für die Länder wie den Senegal, Gambia oder Nigeria ein Anreiz sein, solchen Rücknahmeabkommen zuzustimmen.
10.    Einwanderungsgesetz: Ausreisepflichtige, die vor einem Stichtag nach Deutschland gekommen sind, sollen ein Bleiberecht und eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Über Hölle, Paradiese und Moral

Nicht alle Thesen werden im Text ausführlich behandelt, vielmehr kommen im Bericht verschiedene Akteure zu Wort. Einige für mich besonders beeindruckende Stellen möchte ich hier nochmals erwähnen:

Die europäische Flüchtlingspolitik ist so planlos wie unmoralisch

Sie benachteiligt die Schwächeren und bevorzugt jene, die Geld für einen Schlepper haben und robust genug für die lebensgefährliche Route sind. Als Beleg für diese These nennen die hohe Anzahl an Männern (70 %) und die Notwendigkeit von Schleppern. In der Tat wird für die vielen Flüchtlinge, die direkt in Syrien oder den Nachbarländern leben, deutlich weniger Geld aufgebracht als für die, die es nach Europa schaffen.

Die europäische Hölle ist besser als Afrikas Paradies

Bedrückend und beeindruckend in dieser Geschichte auch die Berichte der Flüchtlinge, die allen Widrigkeiten zum Trotz an ihrer Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa festhalte. Während in Europa „Man lebt nur einmal“ YOLO (you only live once) das Motto ist, gilt für diese junge Menschen „Man stirbt nur einmal“.

Europas Türsteher

Im Artikel wird auch die europäische Kooperation mit Niger thematisiert. Dies war auch Thema einer Dokumentation in der ARD, die ich ebenfalls empfehlen kann.

Wie Afrika Flüchtlinge stoppen soll

Die EU investiert Milliarden, um afrikanische Staaten als ihre neuen Grenzschützer zu etablieren. Unterstützt werden auch Diktaturen, die im Gegenzug Grenzen dicht machen.

Mittwoch, 22. August 2018

Griechenland verlässt den Rettungsschirm

Griechenland steht nicht mehr unter dem Rettungsschirm – nach 8 Jahren und 274 Milliarden.
Der Titel von Alexander Mühlauers Kommentar in der Süddeutschen finde ich sehr passend: Griechenland ist ein Mahnmal für Europa.

Die Euro-Staaten müssen endlich aus ihren Fehlern im Umgang mit Wirtschaftskrisen lernen. Für den nächsten Satz wird er viel Kritik ernten „Für das reiche Deutschland heißt das: Es muss bereit sein, mehr zu geben.“

Griechenland bleibt ein fremdbestimmter Staat

Die Kreditlaufzeiten wurden bis 2060 gestreckt. Es wurde festgelegt, welche Haushaltsziele Athen zu erreichen hat. Auch wenn es keine neuen Reformauflagen geben wird, bleibt Griechenlands Souveränität eingeschränkt, d.h. Griechenland bleibt fremdbestimmt. 

Der Euro als Spaltpilz der EU

Das Ziel die Euro-Staaten zusammenbringen hat der Euro eindeutig nicht erfüllt, im Gegenteil so Mühlauer: 
Jene Währung, die Europas Staaten stärker miteinander verbinden sollte, ist in der Schuldenkrise zum Spaltpilz des Kontinents geworden. Im Süden wächst eine Generation junger arbeitsloser Europäer heran, die berechtigterweise Angst hat, abgehängt zu bleiben. In Deutschland gibt es das ungute Gefühl, dass „die fleißigen Deutschen“ die „faulen Südeuropäer“ finanzieren. Die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank birgt in den Augen vieler Deutscher eine so klare wie fatale Botschaft: Sparen lohnt sich nicht.

Mehr Verantwortung übernehmen

Mühlauer sieht drei Instrumente, die dabei helfen könnten: ein Haushalt für die Euro-Zone, eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung und einen Europäischer Währungsfonds.
In einer Welt, in der man sich auf alte Bündnispartner nicht mehr verlassen kann, ist das unumgänglich. Schon allein aus Selbstschutz braucht es eine stabile Währungsunion. Bleibt zu hoffen, dass Europa aus der Griechenlandkrise gelernt hat und nicht erst handelt, wenn es nicht mehr anders geht.

Deutschland hat - bisher - keine Verluste 

Bis 2060 ist es noch lang und natürlich kann niemand voraussagen, ob Griechenland wirklich alle Kredite zurückzahlen und auch die ehrgeizigen Ziele erreichen kann. Entgegen vielverbreiteter Meinung hat Deutschland aber bisher kein Geld verloren, sondern sogar Zinseinkünfte von fast 3 Mrd. Euro verdient, siehe diesen Bericht

Montag, 13. August 2018

Das Dublin-System kann weg

Ein guter Kommentar von Stefan Ulrich in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen über das Dublin-System. So richtig funktioniert hat es nie und seit dem Beginn der Flüchtlingskrise ist es endgültig ad absurdum geführt. Es war höchste Zeit, dass auch Kanzlerin Merkel das eingesehen hat. Treffend auch der Hinweis, dass sich Deutschland lange um die Solidarität gedrückt hat.

Abkommen mit Herkunftsländern

Der Autor verweist auch auf Vorschläge der Denkfabrik „Europäische Stabilitätsinitiative". Sie laufen darauf hinaus, Abkommen mit den Herkunftsländern von Armutsflüchtlingen zu schließen, mit Nigeria oder Gambia etwa. Diese Länder sollen Einwanderungskontingente für Europa bekommen, wenn sie Schlepper bekämpfen und abgelehnte Asylbewerber zurücknehmen.

Asylantrag nur nach einem Fallschirmsprung

Zwar schon 5 Jahre alt, aber immer noch aktuell dazu ein Beitrag des Satiremagazins extra 3:

Freitag, 3. August 2018

Seenotrettung in der Diskussion: Soll man es lassen?

Es hat eine heftige Diskussion ausgelöst. Wie so häufig und von vielen Leser/innen inkl. mir sehr geschätzt, hat die ZEIT zu einem Thema zwei kontroverse Meinungen gegenübergestellt.

Soll man es lassen?

In der Ausgabe 29/2018 ging es um die Seenotrettung. Der Titel "Soll man es lassen?" suggerierte zumindest indirekt, dass man Flüchtlinge auch ertrinken lassen könnte. In der Tat sind einige fragwürdige Argumente enthalten und auch die Angriffe gegen die Retter sind zum Teil harsch. Ich kenne (wie so viele) keine Lösung, aber Menschen zur Abschreckung ertrinken lassen, kann keine Option sein. Dennoch ist der Diskurs wichtig, deshalb hier der Link zu dem Artikel.

Abschreckung auch bei anderen Themen?

Eine Art der Auseinandersetzung ist Satire. Christian Ehring vom Satire-Magazin extra 3 fragt zurecht, wo man sonst noch Abschreckung einsetzen könnte, ein verunglücktes Kind nicht retten, Raucher nicht operieren? Der Weg zu PEGIDA ist nicht weit, aber sehen Sie selbst: