Mittwoch, 18. Dezember 2019

"Get Brexit done" oder "Die Gänse haben für Weihnachten gestimmt"

Die Parlamentswahlen in Großbritannien haben Klarheit gebracht. Die Konservativen unter Boris Johnson haben die Wahl triumphal gewonnen - Großbritannien wird die Europäische Union am 31. Januar 2020 verlassen. Aber es bleiben viele Unsicherheiten.

Nordengland geht an die Tories

Durch mein Studium und Praktika in Nordengland habe ich eine besondere Beziehung zu Nordengland. Ich habe erlebt, mit welcher Verachtung viele meiner Freunde über die damalige konservative Regierung gesprochen haben und mit wie sie sich über Sieg Tony Blairs 1997 gefreut haben (und wenig später frustriert waren, aber das ist eine andere Geschichte). Über Jahrzehnte war Nordeng-land fest in Labour-Hand, jetzt gewannen die Tories hier viele Wahlkreise – und damit die Wahl.

Die Gänse haben für Weihnachten gestimmt

Im SPIEGEL wurde dieses Verhalten treffen beschrieben: Die Gänse haben für Weihnachten gestimmt, denn fast nichts der Programmatik ist wirklich für Arbeiter und arme Leute – im Gegenteil. Die Politik der Konservativen ist verantwortlich für den Frust vieler Menschen im Norden - die Menschen wendeten sich aber mehrheitlich gegen die Europäischen Union.  

„Get Brexit done“ als erfolgreiche Strategie

Boris Johnson mit der Forderung nach einem klaren Brexit eine klare und letztlich erfolgreiche Strategie. Labours Parteichef Corbyn eierte herum, wollte im Falle seines Wahlsiegs nochmals neu verhandeln (über was?) und forderte mal mehr oder weniger überzeugend eine neue Abstimmung. Auch wenn mir die Liberalen als Pro-Europäer durchaus nahe sind, fand ich ihre Strategie, das Referendum einfach zu ignorieren, auch nicht überzeugend.

Mehrheit für Brexit-Gegner

Besonders bitter ist das Ergebnis, wenn man sich die Stimmanteile von Befürwortern und Gegnern des Austritts anschaut. Die eindeutigen Befürworter des Brexit – die Konservativen und die Brexit-Partei – kommen gemeinsam (nur) auf 45,6 %, die eindeutigen Gegner Liberale, Schottische Nationalpartei, Grüne und – wenn auch nicht so eindeutige Gegner – Labour auf 50,3 %.

Spaltung bei Regionen und Alter

Die Bevölkerung ist nach wie vor tief gespalten. Die Konservativen haben lediglich in England klar gewonnen – die mit Abstand größte Region. In Schottland triumphierten die Schottische Nationalpartei und hofft nun wieder auf die schottische Unabhängigkeit. Auch in Wales errangen die Nationalisten Sitze, die meisten Sitze gingen aber an Labour. Noch komplizierter ist die Lage in Nordirland, wo die katholischen Parteien Sinn Fein und SDLP erstmals mehr Sitze gewannen als die protestantische DUP. Eine tiefe Spaltung zeigt sich beim Alter: Junge Menschen haben ganz überwiegend für Labour und andere proeuropäische Parteien gestimmt - lediglich bei den Älteren hatten die Konservativen die Mehrheit.

Unsicherheit bleibt

Auch wenn der Austritt Großbritanniens jetzt fest steht, bleiben viele Unsicherheiten. Die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen beginnen erst: Wird Johnson einen pragmatischeren Kurs fahren oder mit dem Triumph im Rücken den Hardliner spielen? Kann Schottland dauerhaft ein zweites Referendum verwehrt werden – und wie würde dieses ausgehen? Es bleibt spannend!

Weitere Informationen

SPIEGEL: Boris Johnson hat alle Gegner besiegt
STERN: Rätseln über Boris Johnsons künftigen Europa-Kurs 
Die ZEIT: Unterhauswahl Großbritannien

Freitag, 29. November 2019

Nach holprigem Start - die neue Kommission steht!

Mit einem Monat Verspätung kann die neue Kommission unter Ursula von der Leyen am 1. Dezember 2019 ihr Amt antreten.
Es ist ein buntes Team, das sie um sich versammelt hat – oder besser gesagt, dass die Staaten vorgeschlagen haben. Letztlich entscheiden die Länder, welchen Kommissar sie nach Brüssel schicken, der Einfluss der Präsidentin darf nicht überschätzt werden. Neben der Christdemokratin von der Leyen gehören neun weitere Kommissar/innen der Europäischen Volkspartei an. Die Sozialdemokraten stellen neun, die Liberalen sechs und die Konservativen und Grünen jeweils ein. Die angestrebte Parität hat sie mit 15 Männern und 12 Frauen verpasst.

Holpriger Start oder „Das Europäische Parlament schlägt zurück“

Gleich drei Kandidaten sind gescheitert, d.h. das Europäische Parlament hat ihrer Ernennung nicht zugestimmt. Einige Beobachter/innen sahen darin eine Retourkutsche für die Nominierung von Ursula von der Leyen, es gibt aber auch gute Gründe für die Ablehnung:
Die französische Liberale Sylvie Goulard musste in Frankreich zurücktreten, gegen sie läuft ein Verfahren wegen Scheinbeschäftigungen. Noch absurder Laszlo Trocsanyi, der ehemalige Justizminister, der selber maßgeblich am Demokratieabbau in Ungarn mitgewirkt hat, sollte sich ausgerechnet um die Rechtsstaatlichkeit der Erweiterungskandidaten kümmern.
Zum Ausgleich musste auch eine Sozialdemokratin dran glauben. Die rumänische Kandidatin Rovana Plumb wurde wegen mutmaßlicher Interessenkonflikte abgelehnt.

Wichtige Posten für Timmermans und Vestager

Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten Frans Timmermans wird sich mit der Klimapolitik beschäftigen. Ebenfalls in hervorgehobener Stelle als "exekutive Vizepräsidentin die dänische Liberale Margarethe Vestager, die ihren Aufgabenbereich als Wettbewerbskommissarin behält.
Weitere wichtige Ämter haben der Sozialdemokraten Joseph Borell als Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik sowie als weiterer Exekutiver Vizepräsident Valdis Dombrovski. Der lettische Christdemokrat ist für Finanzdienstleistungen zuständig.
Dass auch bei anderen Kandidat/innen Fragen offen blieben, hat ausgerechnet der als Spaß-Abgeordnete Martin Sonneborn herausgearbeitet. Man muss kein Freund von ihm sein, seine Facebook-Seite bietet aber gute Unterhaltung und gute Informationen.

Prioritäten der Kommission

Die Kommission hat sechs Prioritäten gesetzt, um die sich kümmern möchte, sehen sie dazu auch meinen Blogeintrag über die Prioritäten.
  • Europäischer Green Deal: Europa soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wenden
  • Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen: Mehr soziale Gerechtigkeit durch einen europäischen Mindestlohn und eine verstärkte Bekämpfung der Armut
  • Ein Europa für das digitale Zeitalter: Die Digitalisierung soll vorangebracht werden durch die Förderung von künstlicher Intelligenz
  • Förderung unserer europäischen Lebensweise: Hinter dem "Schutz unserer Bürger und unserer Werte" steht v.a. das Thema Migration
  • Ein stärkeres Europa in der Welt: Festigung der verantwortungsvollen globalen Führungsrolle Europas
  • Neuer Schwung für die Demokratie in Europa: Unsere Demokratie soll gefördert, geschützt und gestärkt werden - u.a. durch einen Rechtstaats-TÜV für alle Staaten und eine Stärkung des Parlaments

Fazit

Ursula von der Leyen hat sich ein ehrgeiziges Programm gesetzt. Sie ist – obwohl sie bei der Wahl auf die Stimmen von Europaskeptikern angewiesen war, eindeutig pro Europa, wie sie bereits ihrer Bewerbungsrede am 16. Juli deutlich gemacht hat:
 „Wer mit mir dieses Europa stärken, wachsen und blühen lassen will, hat mich als leidenschaftliche Kämpferin an seiner oder ihrer Seite. Wer aber dieses Europa schwächen, spalten oder ihm seine Werte nehmen will, der findet in mir eine erbitterte Gegnerin.“
Sie wird mit Widerständen rechnen müssen: die Staats- und Regierungschefs, die auf ihre Interessen schauen werden, das Europaparlament, das nach der gescheiterten Spitzenkandidatenidee zumindest teilweise auf Rache aus ist und möglicherweise auch aus der eigenen Kommission. Eine Chance hat das neue Team aber verdient!


Weitere Informationen

Süddeutsche Zeitung: Am Anfang steht die Balance
Deutschlandfunk: Von der Leyens Team für Europa

Mittwoch, 27. November 2019

Afrikas Beste kommen

Der SPIEGEL berichtet über zwei interessante Studien, die erstaunliche Antworten auf die Gründe von Migration aus Afrika. Nachdem ich in meinem Blogeintrag über die angebliche Sogwirkung von Entscheidungen und Politikern berichtet habe, hinterfragen diese Studien weitere Vorurteile.

Es kommen Afrikas Beste

Christoph Titz berichtet im SPIEGEL über eine Uno-Studie, die 3000 Eingewanderte aus afrikanischen Ländern befragt hat.

Friedliche Länder, besser gebildet und höheres Einkommen 

Fast drei Viertel der Befragten kommt aus vergleichsweise wohlhabenden und friedlichen Ländern wie Nigeria oder Senegal, sie sind besser gebildet, haben ein höheres Einkommen als der Durchschnitt ihrer Länder und sie sind mehrheitlich zwischen 20 und 29 Jahre alt.
Die Forscher folgern:
Migration ist ein Schritt, der erst durch eine ökonomische oder gesellschaftliche Verbesserung möglich wird. Steigt der Wohlstand, kommen die Menschen erst auf die Idee und erhalten die Möglichkeit, sich auf die Reise zu machen.

Nichts hätte sie abhalten können

Auf die Frage, was die Menschen von der beschwerlichen, teuren und gefährlichen Reise abhalten hätte können lautete die Antwort in den meisten Fällen "nichts". Ein weiteres Motiv war der Wunsch, Familien daheim zu unterstützen, was den meisten auch gelingt. Fast alle erlebten die Flucht als schrecklich, auch in Europa sind sie häufig Opfer von Rassismus, dennoch lebt die Mehrzahl gerne in Europa.

Viele wollen zurück 

Ein großer Teil der Menschen gab an, mittelfristig nach Afrika zurückkehren zu wollen. Die Autoren fordern die Erleichterung eines Aufenthalts und Arbeit, die sogenannte "zirkuläre Migration". Dagegen wollen diejenigen bleiben, die wegen Diskriminierung oder ungeklärtem Aufenthalt kein Geld verdienen - wenn möglich für immer. 

Mythos Arbeitsmigration

Eine Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. In einem SPIEGEL-Interview bezeichnet der Leiter des Instituts, Reiner Klingholz, es als Mythos, dass alle Flüchtlinge nach Europa wollen. Klingholz betont, dass viele junge Menschen gerne in ein anderes Land ziehen würden, zwei Drittel bleiben aber in der Region.

"Migrationsbuckel"

Klingholz verweist auf einen Migrationsbuckel. Die höchste Wanderungswahrscheinlichkeit haben Länder mit einem BIP von 8.000 bis 13.000 Dollar pro Kopf, Menschen aus ärmeren Ländern haben schlicht nicht die Mittel. Dennoch warnt Klingholz davor, die Entwicklungshilfe radikal zu kürzen:
Für diese Länder ist eine Förderung des Bildungswesens und der Wirtschaft ohne Alternative, auch wenn beide Aspekte Migration zunächst fördern. Sonst würde das starke Bevölkerungswachstum anhalten und die Länder würden arm bleiben - ein Teufelskreis. Langfristig kann die Bekämpfung von Fluchtursachen funktionieren; dafür braucht man aber einen langen Atem.

Samstag, 26. Oktober 2019

Die EU im Nahen Osten - ohne nennenswerten Einfluss?

Die EU gibt bei den Konflikten im Nahen Osten kein gutes Bild ab – dies zeigte sich zuletzt beim Einmarsch der Türkei in Syrien.

Türkei nutzt Gunst der Stunde

Nach dem chaotischen Abzug der USA aus Nordsyrien ließ sich der türkische Präsident Erdogan nicht zweimal bitten. Mit dem Einmarsch und dem anschließenden Waffenstillstand hat er nun die ersehnte Sicherheitszone und hat den Kurden einen entscheiden Schlag versetzt.
Ob die Türkei sich wirklich als Sieger sehen kann, wird sich zeigen, denn sein Erzfeind Asssad ist gestärkt und eine Ansiedlung syrischer Flüchtlinge in Nordsyrien nicht abzusehen.

Assad und Putin als klare Sieger

Assad hat nun fast wieder das komplette Territorium unter Kontrolle. Noch klarer das Urteil bei Putin, der sein Glück wahrscheinlich gar nicht fassen kann. Russland ist nun die eindeutig bestimmende Kraft und hat die Türkei erfolgreich vom Westen entfremdet.

Kapitulation des Westens?

Die Medien nannten die Ereignisse eine Kapitulation des Westens und Trump einen Chaoskrieger, der ein Debakel angerichtet hat. Auch viele Experten kritisierten Trumps vorgehen, andererseits ist die Entscheidung bei seinen Wähler*innen

Die Kurden – verraten und verkauft

Die Kurden haben erfolgreich gegen die IS-Terroristen gekämpft und haben in Syrien und der Türkei gut verwaltete Zonen. Nach dem Einmarsch sind diese Zonen in Gefahr, ihnen droht die Gefahr der Marginalisierung.

EU – uneinig und ohne Einfluss

Die EU verurteilte den Einmarsch, konnte sich aber nicht auf ein Waffenembargo einigen. Gründe hierfür sind auch die Drohungen Erdogans die Flüchtlinge weiterzuschicken. Noch trauriger das Bild der deutschen Regierung, die sich in Bezug auf die von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer geforderten internationalen Sicherheitszone öffentlich widersprach.

Katastrophale Lage in Syrien

Bei allen strategischen Fragen sollen abschließend auch noch an das Leid der Menschen erinnert werden – nach zehn Jahren Krieg ist aus Syrien ein Schlachtfeld unterschiedlichster Interessen geworden, vom Krieg der Stellvertreter der Stellvertreter USA/Saudi-Arabien vs. Russland/Iran ist diese Rede – diesen Krieg zu beenden scheint deshalb oberstes Gebot.

Weitere Informationen 

DER SPIEGEL: Trumps Syrien-Debakel
Deutschlandfunk: Die Dummheit ist ein Meister aus Washington

Donnerstag, 24. Oktober 2019

Die Bilanz von Mario Draghi - Retter des Euros oder Enteigner der Sparer?

Diesem Mann steht fast niemand neutral gegenüber - Mario Draghi. Für die einen ist er der Retter des Euros und der Euro-Länder, für die anderen die Ausgeburt des Bösen, der die Zinsen abgeschafft und damit die deutschen Sparer*innen enteignet hat. Wie so oft liegt die Wahrheit wohl dazwischen.

In dieser Presseschau möchte ich drei verschiedene Analysen näher betrachten, beginnend mit der euphorischsten.

Guter Italiener, ökonomisch überforderter Deutscher

Aus Anlass der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes schrieb Thomas Fricke auf SPIEGEL ONLINE eine euphorische Würdigung über Mario Draghi.
Er bezweifelt die Schuld Draghis an den Nullzinsen und verweist zurecht darauf, dass diese weltweit niedrig sind. In der Schweiz, die von vielen Euro-Gegner ja immer so euphorisch als Vorbild gefeiert wird, liegt der Zinssatz sogar noch niedriger.

Er gibt Wolfgang Schäuble die Schuld an der Krise und sieht in Draghi den Retter:
Wenn überhaupt, dann haben wir Mario Draghi, dem Italiener, zu verdanken, dass wir heute noch so eine stabile Währung haben. Weil er das korrigiert hat, was ein deutscher Finanzminister falsch gemacht hat: der nämlich in der akut eskalierenden Krise nicht richtig mit dem Geld umging, als er den Griechen zu Beginn der Krise, ziemlich genau vor zehn Jahren, jede Hilfe erst einmal stur versagte – was die Zweifel am Willen zur Krisenbewältigung erst nährte und die Panik an den Finanzmärkten erst eskalieren ließ.   

Euro-Retter mit wirtschaftlichen und politischen Risiken 

Positive und negative Seiten sieht Henrik Müller in seiner Kolumne Alles super, Mario?

Retter des Euros - und von Merkels Kanzlerschaft 

Müller würdigt die Rolle Draghis und verweis auf den Beginn zu Beginn seiner Amtszeit im Herbst 2011 mit dem drohenden Ende des Euros und einem globalen Finanzcrash. Durch seine legendäre Pressekonferenz den Euroraum mit allen Mitteln zusammenzuhalten im Sommer 2012 hat er der Spekulation ein Ende bereitet.

Es ist keine abwegige Annahme, dass ohne die hyperaktive EZB die Währungsunion entweder explodiert wäre - oder nur durch umfangreiche Transferzahlungen hätte gerettet werden können. In beiden Fällen wäre Angela Merkels Kanzlerschaft vermutlich längst beendet und Deutschlands politische Landschaft stärker fragmentiert, wie das in anderen Ländern längst der Fall ist. Dass Merkel immer noch in einer halbwegs stabilen Koalition regiert, verdankt sie nicht zuletzt dem EZB-Chef.

Draghi hinterlässt wirtschaftliche und politische Problembereiche

Müller verweist aber auch auf Probleme: Die billionenschwere Käufe sind nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen: negative Zinsen bei immer höherer Verschuldung von Staaten und Unternehmen, die bei der nächsten Rezession als Krisenverstärker herausstellen. Besonders seine letzte Entscheidung, Anleihekaufprogramme zu starten sorgte für politische Risse, die seine Nachfolgerin Lagarde nun kitten muss. 

Hat sich Draghi verrannt? 

Alexander Hagelüken argumentiert in seinem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung ähnlich: 
Europas Zentralbankchef hat sich enorme Verdienste um den Euro erworben, doch er hat zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten. Seine Nachfolgerin muss dringend umsteuern.

(Nicht nur) nach Ansicht von Hagelüken hat Draghi zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten. Die Nullzinsen verzerren das Geschäftsleben und beschwören auf Dauer Spekulationsblase wie vor der Finanzkrise. 

Große Herausforderungen für Christine Lagarde 

In einem Punkt sind sich wohl alle einig: Christine Lagarde hat es angesichts der weltweiten Verwerfungen keinen leichten Job - man kann ihr nur Glück wünschen!

Mittwoch, 9. Oktober 2019

Der nicht ganz so neue Deal des Boris Johnson

Boris Johnson lässt sich für einen neuen Deal, der bei genauerem Hinschauen gar nicht so neu ist und außerdem einige fragwürdige Passagen erhält. Positiv ist: Es gibt ein neues Abkommen und beide Seiten haben Ziele erreicht und Zugeständnisse gemacht.

Der Backstop ist weg 

Der wichtigste Sieg für Johnson: Die Notfalllösung ist weg. Mit ihrem Versprechen an die Europäer, dass es keine Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland und dem gleichzeitigen Versprechen an die nordirische DUP, dass es keine Grenzen zwischen Großbritannien und Nordirland gibt, hat sich Theresa May in eine fast aussichtslose Situation manövriert. Der Backstop sollte sicherstellen, dass Nordirland Teil des Binnenmarkts bleibt bis eine endgültige Regelung gefunden ist. Angesichts der mühsamen Verhandlungen hätte dies unter Umständen bedeutet, dass ein Teil Großbritanniens einem anderen Wirtschaftsraum angehört.

Komplizierte Regelungen für Kontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland 

Nicht verhindern konnte Johnson, dass es zu Kontrollen zwischen Nordirland und dem Rest von Großbritannien kommt. Britische Beamte wachen darüber, ob es sich bei Transporten zwischen den Landesteilen um Produkte handelt, bei denen "ein Risiko besteht, dass sie auf den EU-Binnenmarkt gelangen". Die werden dann nämlich mit EU-Zöllen belegt. Ein weiterer Punkt, der sich in der Realität beweisen muss.

Ein Kompromiss, mit dem beiden Seiten leben können 

Das war es aber schon. Der Deal entspricht größtenteils dem Vorschlag, den Theresa May ausgehandelt hat. Beide Seiten haben Zugeständnisse gemacht: Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland werden verhindert, wie es die EU wünschte, die Briten konnten die Notfallklausel verhindern. Beiden Seiten haben auch Zugeständnisse gemacht: Die Europäer haben eine Neuverhandlung akzeptiert, die Briten Kontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland.
Die Süddeutsche Zeitung fasst die Änderungen gut zusammen: Das ist neu am Deal.

Dienstag, 27. August 2019

Das Märchen von der Sogwirkung

Oliviero Angeli lehrt an der Technischen Universität Dresden und räumt in einem Beitrag für den SPIEGEL mit einigen Vorurteilen über Migration auf.

Die Sogwirkung 

Immer wieder werden politischen Ereignissen oder Akteuren unterstellt, dass ihre Entscheidungen eine Sogwirkung unter Flüchtlingen entfaltet und die Zahl der Ankömmlinge drastisch steigert: Kanzlerin Merkel mit ihrer Willkommenskultur, dem UN-Migrationspakt und zuletzt der privaten Seenotrettung.

Migration als Ergebnis mehrere Faktoren


Migration läuft aber nicht linear und berechenbar. Entscheidungen von Migranten sind Ergebnis eines Zusammenspiels von mehreren Faktoren. Die Wege sind lang und mit vielen Gefahren verbunden. Aufgeben kommt für viele nicht in Frage, egal welche Entscheidungen in den Zielländern getroffen werden.

Faktencheck zu gängigen Vorurteilen

Angeli unterzieht gängigen Vorurteilen einem Faktencheck:

These 1: Die wollen es sich bei uns bequem machen 

Migranten lassen sich insbesondere dort nieder, wo bereits Freunde und Verwandte leben. Dieser Netzwerkeffekt ist wichtiger als die Höhe der Sozialleistungen. Obwohl es auch innerhalb der EU große Unterschiede in den Sozialleistungen gibt und Menschen problemlos in ein anderes Land gehen könnte, machen das nur relativ wenig. Entscheidend sind vielmehr Arbeit und Löhne.
Wie sonst kann man erklären, dass Hunderttausende ausländische Bauarbeiter unter teilweise lebensgefährlichen Bedingungen auf Baustellen in den Golfstaaten arbeiten? Ganz sicher nicht wegen der Sozialleistungen, die sie dort nicht erhalten.

These 2: Die kommen alle, weil Merkel sie eingeladen hat 

Die Zahl an Flüchtlingen nach Deutschland ist nach Merkels Entscheidung gestiegen. Eine Analyse der Ankünfte in Griechenland zeigt aber, dass die Zahl bereits im März 2015 angestiegen ist, deutlich vor Merkels Entscheidung:
Diese Menschen hatten nicht auf eine Einladung Merkels gewartet. Sie waren aus eigenem Entschluss losgezogen.

These 3: Der UN-Migrationspakt wird eine Invasion auslösen 

Auch dem UN-Migrationspakt wurde eine Sogwirkung untersagt. Von Invasion und einem versteckten Umsiedlungsprogramm für Wirtschafts- und Armutsflüchtlinge war die Rede. Passiert ist - wenig bis nichts., die Zahl ankommender Flüchtlinge ist sogar rückläufig. 

Mittwoch, 7. August 2019

Ungarn und Polen (und andere) auf Abwegen

Es ist eine Tragödie. Ausgerechnet Polen und Ungarn, deren Bürgern zu Zeiten des Kommunismus für demokratische Freiheiten gekämpft haben, wenden sich zunehmend von Demokratie und rechtsstaatlichen Prinzipien ab. Man muss genauer sagen: Die Regierungen unter Viktor Orban und Jaroslaw Kaczynski, dem mächtigen Parteichef der PIS-Partei. Die Opposition in beiden Ländern ist sehr deutlich pro Europa, die Europawahlen haben den Weg aber bestätigt.

Umbau von Staat, Justiz und Medien

Beide nutzen ihre parlamentarischen Mehrheiten, um den Staat umzubauen, die Justiz nach ihren Interessen auszurichten und im Falle von Orban auf dreiste Weise die Unabhängigkeit der Medien abzubauen. Orban garniert das Ganze noch mit unerträglichem Antisemitismus, in dem er regelmäßig über seinen früheren Förderer George Soros herfällt.

Drei Schritte vor, ein Schritt zurück

Auch die Strategien, die in den beiden Staaten anwenden, ähneln sich. Der Abbau des Rechtsstaats geht langsam. Hier eine kleine harmlos klingende Änderung, dort ein neues Gesetz unter dem Vorwand alte Seilschaften zu bekämpfen. Die Europäer haben damit immer wieder demonstriert und auch rechtliche Schritte eingelegt – aber häufig waren es drei Schritte vor, ein Schritt zurück. 
Umbau der Justiz, Ausschalten der Opposition

Die EU hat wenig Möglichkeiten… 

Würden Ungarn und Polen heute einen Beitritt beantragen und würde die EU die Beitrittskriterien ernst nehmen – sie hätten keine Chancen auf Verhandlungen, geschweige denn einen Beitritt. So hat die EU aber wenig Möglichkeiten. Vertragsverletzungsverfahren wurden bereits eingeleitet, auch Artikel 7 als mächtigstes Schwert wurde bereits gezogen. Die letzte Stufe – den Entzug des Stimmrechts – kann aber nur einstimmig erfolgen. Nachdem sich Orban und Kaczynski werden verhindern, dass es so weit kommt und sich gegenseitig retten.

…und nutzt sie auch nicht

Hinzu kommt, dass sich die EU-Staaten und auch die Parteien nicht einig sind. Bei einem Besuch im Europaparlament durfte ich das Schwarze Peter Spiel miterleben: Die Sozialdemokraten attackieren die Christdemokraten, weil die Orban in ihren Reihen dulden. Die Christdemokraten verweisen (zurecht) darauf, dass die slowakischen oder rumänischen Sozialdemokraten auch nicht viel mit Demokratie am Hut haben. An guten Tagen werden den Liberalen (auch zurecht) die Machenschaften des tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis vorgeworfen.

Bleibt am Ende das Geld?

Wenn moralische Appelle nichts bewirken – hilft am Ende das Geld? Der Haushaltsentwurf bietet hier einen interessanten Ansatzpunkt. Wenn die Auszahlung von Geldern an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit gebunden wird, könnte dies ein Ansatzpunkt sein. Letztlich muss aber auch der Haushalt einstimmig beschlossen werden und die beiden Regierungen sitzen fester im Sattel als bevor.

Donnerstag, 25. Juli 2019

Was von der Leyen vorhat

Das Programm der neuen EU-Kommissionspräsidentin kann man als sehr ehrgeizig betrachten. In einer Rede vor dem Europäischen Parlament hat sie sechs Prioritäten genannt.

Ein europäischer Grüner Deal

Beim Klimawandel geht von der Leyen weit über das hinaus, was ihre eigene Parteienfamilie möchte: Europa soll als erster Kontinent bis 2050 klimaneutral werden. Dafür will sie den Emissionshandel ausweiten, in nachhaltige Entwicklung investieren und eine CO2-Steuer an den Außengrenzen.

Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen:

Es wird höchste Zeit, dass sich die EU auch in der Wirtschaftspolitik die Menschen mehr in den Mittelpunkt stellt. Bekommen wir ein „sozialeres Europa“? Mit Forderungen nach einem europaweiten Mindestlohn und einer Arbeitslosenrückversicherung, die Staaten nach einem wirtschaftlichen Schock unterstützen sollen, wird sie sich nicht nur Freude machen.

Förderung unserer europäischen Lebensweise

Hinter dem "Schutz unserer Bürger und unserer Werte" steht v.a. das Thema Migration
Diese seltsame Namenswahl hat viele zurecht irritiert, denn hier wurden scheinbar Thesen von rechtsaußen übernommen. Warum nennt man das Kind nicht einfach beim Namen: Es geht um Migration, eines der entscheidenden Themen der EU! Unstrittig ist hingegen, dass dringend Bewegung in die festgefahrene Debatte kommen muss.

Ein Europa für das digitale Zeitalter

Auch die Digitalisierung ist ein Thema der Zukunft und Europa droht hier von China und den USA abgehängt zu werden. Die Kommission will Gesetze für „einen koordinierten Zugang zu den menschlichen und ethischen Implikationen von künstlicher Intelligenz erreichen“. Ein guter Ansatz, denn es ist ohne Frage wichtig, in diesen Bereichen zu forschen, aber auch die Probleme nicht zu vernachlässigen.

Neuer Schwung für die Demokratie

Der ist bitter nötig! Als sich von der Leyen zum Spitzenkandidatenprinzip bekannte, gab es Gelächter, da ihre Ernennung höchst fragwürdig war (Blogeintrag). Über einen Umweg soll das Parlament Gesetze einbringen können. Spannend ist auch der Gedanke des Rechtsstaats-TÜVs für alle Mitgliedstaaten. Die osteuropäischen Staaten haben kritisiert, dass immer nur sie kritisiert werden.

Fazit

Das Programm ist ehrgeizig. Es wird sich zeigen, ob es von der Leyen nach dem holprigen Start schafft, diese Ziele auch umzusetzen – zu wünschen wäre es.

Weitere Informationen

Europäische Union: Pressebericht  
Süddeutsche Zeitung: Frau von der Leyen hat ehrgeizige Ziele

Mittwoch, 12. Juni 2019

Warum wurde Ursula von der Leyen Kommissionspräsidentin?

Es war wie so oft bei Gipfeltreffen – es dauert etwas länger. Große Sorgen habe ich mir dennoch nicht gemacht, ich hatte für das Seminar alles vorberietet und Frans Timmermans als Kommissions-präsident in die Präsentation eingefügt. So hatten es die Staats- und Regierungschefs der wichtigs-ten Staaten beim G7-Gipfel ja vorbesprochen. Doch dann kam alles ganz anders…

Das Prinzip der Spitzenkandidaten

war 2014 letztlich nur eine persönliche Absprache zwischen den Kandidaten Jean-Claude Juncker und Martin Schulz. Aber eine die funktioniert hat, denn noch am Wahlabend forderte Schulz, dass nun Juncker gewählt werden soll. Letztlich blieb den Staats- und Regierungschefs gar nichts anderes übrig als Juncker zu nominieren.

Widerstand gegen das Spitzenkandidatenprinzip

Das klare Bekenntnis für einen Kandidaten blieb dieses Mal aus. Manfred Weber als Vertreter der stärksten Fraktion war schon vorher umstritten, auch Angela Merkel unterstützte ihn nur halbherzig. Hinzu kommt, dass er alles andere als ein strahlender Wahlsieger war, denn er hatte – anders als Timmermans in den Niederlanden – in seinem Heimatland deutliche Verluste einstecken müssen.
Auch gemeinsam mit den Sozialdemokraten hat die Europäische Volkspartei keine Mehrheit mehr, selbst wenn sich Timmermans und Weber geeinigt hätten, hätte es also nicht gereicht.

Niedergang der Sozial- und Christdemokraten 

Viele hatten das Prinzip von vorneherein nicht unterstützt, beispielsweise Frankreichs Präsident. Er kann zurecht darauf verweisen, dass die Sozialdemokraten und die Konservativen keine Rolle spielen. Dasselbe gilt für andere Länder: auch hier waren die Spitzenkandidaten bzw. deren Parteien kaum präsent.

Ursula von der Leyen hat eine Chance verdient

So war die Wahl von der Leyens letztlich ein Kompromiss. Macron konnte beweisen, dass er nichts gegen deutsche Christdemokraten hatte (und brachte Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank durch) und verwies auf die guten Französisch-Kenntnisse. Noch kurioser die Begrün-dung der polnischen Regierungspartei, deren Stimmen letztlich die knappe Mehrheit für von der Leyen ermöglicht hat – sie hat sieben Kinder. Letztlich war es ein Kompromiss und wie jeder Mensch hat auch von der Leyen eine Chance verdient.

Das darf nicht noch mal passieren

Dieses Spektakel darf sich nicht mehr wiederholen, das betonte von der Leyen – unter Gelächter des Parlaments – auch in ihrer Antrittsrede im Parlament. Wenn es wieder Spitzenkandidaten gibt, muss dies den Wählern klar kommuniziert werden. Sonst verliert die EU das Vertrauen, dass sie sich durch die hohe Wahlbeteiligung gerade erst erarbeitet hatte.

Weitere Informationen zur Europawahl

Landeszentrale für politische Bildung: Europawahl 
Europäische Union: Dieses Mal wähle ich 
Bundeszentrale für politische Bildung: Aus Politik und Zeitgeschichte:

Mittwoch, 29. Mai 2019

Die Bürger*innen haben entschieden - das neue Europaparlament

Die EU-Bürger*innen haben vom 23. Bis 26. Mai in 28 Staaten ihre Abgeordneten für das Europaparlament gewählt. Dabei haben sich einige Veränderungen ergeben.

Höhere Wahlbeteiligung

Erfreulich ist, dass in den meisten Ländern die Wahlbeteiligung gestiegen ist. Die Unterschiede sind dabei sehr groß: in Belgien und Luxemburg liegt sie – bei Wahlpflicht – über 80 %, Schlusslicht ist die Slowakei mit 22 %-. In Deutschland ist sie deutlich auf 60 % gestiegen. Die Christ- und Sozial-demokraten haben zusammengenommen keine Mehrheit mehr, rechte, liberale und grüne Parteien konnten zulegen.

Ein bunteres Parlament

Die größere Heterogenität zeigt sich auch beim Blick auf die stärksten Parteien. Zwar sind die Christdemokraten in 13 Staaten stärkste Partei, danach kommen aber die Liberalen und dann erst die Sozialdemokraten. Rechte Parteien siegten in Großbritannien, Frankreich, Italien und Polen. Mit Verlusten bleiben Christ- (182) und Sozialdemokraten (154) auf Platz 1 und 2 vor den Liberalen (108). Die Grünen(75) liegen noch vor den Rechten (73), dies wird sich nach dem Brexit aber ändern, da aus Großbritannien die 7 Grünen sowie 4 Abgeordnete der Walisische und Schottische Nationalisten ausscheiden müssen. Die Europäischen Konservativen haben 62 Sitzen, die Linke 41. Mit 56 ist die Zahl der Abgeordneten, die sich keiner fraktionslos sind, recht hoch. Mit dem Ausscheiden der Brexit-Partei wird sich diese Zahl aber um 29 reduzieren.

Grüner Erfolg in Deutschland

Die Grünen verdoppelten ihr Ergebnis. Bei den Jungen sind sie sogar die stärkste Partei, hier gab es offensichtlihc einen Rezo-Effekt. Lediglich bei den über 60jährigen hatte die Union noch die Mehrheit, die letztlich auch zur stärksten Partei und 29 Sitze innehat.
Da sich neben den 21 Grünen auch die Kandidaten von ÖDP, Piraten, Volt sowie Nico Semsrott von der PARTEI der grünen Fraktion angeschlossen haben, folgt diese mit 25. Auf Platz 3 in Deutschland und noch Platz 2 in Europa folgen die Sozialdemokraten (16) und die AfD (11). Die FDP und die Linken ziehen mit jeweils 5 Sitzen ins Parlament ein, weitere Sitze gingen an die Freien Wähler, die Tierschutzpart-ei und die Familienpartei. Martin Sonneborn bleibt fraktionslos.

Erfolg rechter Parteien europaweit

Die rechten Parteien schafften nicht den Durchbruch, den viele erwartet bzw. befürchtet haben. Dennoch werden sie das neue Parlament prägen.
In der Fraktion "Identität und Demokratie" haben sich die wichtigsten rechten Parteien in einer Fraktion zusammengeschlossen. Die Lega aus Italien ist mit 28 Sitzen die größte nationale Partei, auch in Frankreich siegten die Rechten. Als weiterer großer Block kommen die 11 AfD-Abgeordneten aus Deutschland hinzu. Auch in Polen und Ungarn wurden die regierenden Parteien deutlich stärkste Partei, auch wenn diese sich den Konservativen (Polen) bzw. Christdemokraten (Ungarn) angeschlossen hat. Die Mitgliedschaft der Partei von Orban bei den Christdemokraten hat und wird weiter für Diskussionen sorgen.

Weitere Informationen zur Europawahl

Landeszentrale für politische Bildung: Europawahl  
Europäische Union: Dieses Mal wähle ich 
Bundeszentrale für politische Bildung: Aus Politik und Zeitgeschichte - Europa wählt

Mittwoch, 17. April 2019

Rezo, die Jugend und die Europawahl

Ich kannte Rezo nicht und wundere mich über die ganzen Youtube-Influencer. Ein Video habe ich mir aber angeschaut..

Die Zerstörung der CDU – ein Video macht Furore

Selten hat ein Video für so viel Furore gesorgt. Im Video „Die Zerstörung der CDU“ rechnet der Youtuber Rezo mit der Politik ab. Über eine Stunde lang kritisiert er mit einem Wust an Statistiken die Politik. Er kritisiert die soziale Ungleichheit, das Versagen der Politiker beim Klimawandel und die Inkompetenz einzelner Politiker.


Einseitig und polarisierend

In der Tat legt Rezo hier einen Finger in die Wunde: Eine Drogenbeauftragte die keine Ahnung hat, ein Außenminister, der nicht weiß oder wissen will, was die Amerikaner in Ramstein treiben. Andererseits ist der ganze Film sehr einseitig und polarisierend. Gegenmeinungen kommen nicht zu Wort, Statistiken werden einseitig interpretiert. Ich verweise deshalb auch immer auf die Antwort der CDU, die zu einem fairen Austausch von Argumenten auch beachtet werden soll.
Schon legendär der Appell am Ende des Videos: Wählt nicht CDU, wählt nicht die SPD und schon gar nicht die AfD.

Späte und unpassende Antwort

Darin liegt aber auch schon eines der Probleme: Eine PDF als Antwort auf ein Video löst bei vielen Jugendlichen Kopfschütteln aus. Eine unglückliche Äußerung der CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, die scheinbar die Meinungsfreiheit in Frage stellte, dann wieder die Einladung zum Gespräch und die Ankündigung eines Gegen-Videos.

Ignoranz gegenüber jungen Menschen

Die Reaktion auf das Rezo-Video war nicht das einzige, was nicht nur junge Menschen verstört hat. Die berechtigte Kritik an der Richtlinie über Upload-Filter wurde abgetan, nach der Europawahl forderte ein CDU-Abgeordneter, dass die jungen Leute erst mal arbeiten gehen sollen. Auch Rezo meldete sich nochmals zu Wort:

Ich bin nicht der Grund, weshalb die Regierungsparteien bei den <30jährigen so wenig Stimmen haben. Das Wahlergebnis ist genau wie der Erfolg meines Videos nur ein Symptom. Die Ursache dafür ist bestimmt nicht die fehlende Coolness der Union, lieber Herr Söder.
Die Ursache ist der Umgang mit diesen Teilen der Bevölkerung und die vielen Politiker, die in Netzthemen und Klima einfach keinen guten Job gemacht haben.
Und dieser Fehler ist auch in Teilen nachvollziehbar: Schließlich haben die ganz Alten die dicke Wahlmacht und als Politiker tendiert man dann vielleicht dazu, die von dieser Demographie nicht so stark wahrgenommenen Themen auch nicht besonders zu priorisieren

Donnerstag, 28. März 2019

China - strategischer Rivale und Partner der EU

China – (wieder) auf dem Weg zur Großmacht

Der Aufstieg Chinas in den letzten 40 Jahren ist atemberaubend: Seit 1978 hat sich das Bruttoinlandsprodukt versechzigfacht, das Pro-Kopf-Einkommen sogar verhundertfacht. Im weltweiten Handel ist China neben den USA und der Europäischen Union der dominierende Akteur. Auch das Handelsvolumen zwischen Chinas und Europa und vor allem zu Deutschland ist in den letzten Jahren enorm gestiegen.

China - eine Rivale der EU

Bedenkt man die Uneinigkeit europäischer Außenpolitik – aber auch die diplomatische Höflichkeit im Vergleich zu Trump und Konsorten - ist das Ergebnis des EU-Gipfels ein Paukenschlag. China wird darin als „ein ökonomischer Wettbewerber auf der Suche nach technologischer Führung und ein systemischer Rivale, der alternative Regierungsmodelle befördert“
Die Süddeutsche Zeitung übersetzte diesen Beschluss folgendermaßen:
Peking arbeitet daran, sein autokratisches Regierungssystem weltweit als Alternative zur liberalen Demokratie zu bewerben und hat kein Interesse an einer starken EU.

Kein Wandel durch Handel

Diese Übersetzung zeigt auch die Einsicht, dass im Falle Chinas die Hoffnung auf „Wandel durch Handel“ (noch) nicht funktioniert hat. Diese Hoffnung erinnert ein wenig an Francis Fukuyama, der 1992 vom Ende der Geschichte geträumt hatte – vom Sieg des Liberalismus in der Wirtschaft in Form der Marktwirtschaft (die einigermaßen gelungen ist) und in der Politik in Form von Demokratie (die nicht nur in China nicht funktioniert hat).

Chinas zunehmender Einfluss in Europa

Im Rahmen des Seidenstraßen-Projekts ist China zunehmend auch in Europa aktiv. Die Länder profitieren durchaus von den chinesischen Investitionen in die Infrastruktur, es steigen aber auch die Abhängigkeiten und der Einfluss. Die Süddeutsche sieht in dem Beschluss der EU „das Ende der Naivität“

EU muss realistischer und durchsetzungsfähiger werden

Die Partnerschaft und der Handel zu China sind wichtig – ebenso wie zu den USA, dem dritten mächtigen Spieler des Dreiecks. Ein EU-Beamter brachte es aber auf den Punkt: „Wir müssen unsere eigenen Interessen verteidigen, ohne uns von Washington und Peking herumschubsen oder auf eine der beiden Seiten ziehen zu lassen.“

Seminar zum Thema

In der Rubrik Staaten im Fokus habe ich das Seminar China – strategischer Rivale und Partner der EU ins meine Themenliste übernommen. Ich freue mich über Ihr Interesse!

Weitere Informationen

Süddeutsche Zeitung: "Die Zeit der Naivität ist vorbei"
Handelsblatt: Vom Partner zum Rivalen – EU setzt auf mehr Härte gegen China
Bundeszentrale für politische Bildung: China
Bundeszentrale für politische Bildung: Internationale Wirtschaftsbeziehungen

Donnerstag, 21. Februar 2019

Die USA im Nahen Osten

Das Video ist schon etwas älter und das Thema hat auch nicht direkt etwas mit der EU zu tun - interessant ist es aber trotzdem.

Das Böse erhebt sein Haupt

Das Satire-Magazin Die Anstalt hat eine ganz besondere Geschichte der amerikanischen Politik im Nahen Osten erzählt. 

Mittwoch, 6. Februar 2019

Visionen zur Zukunft der EU - Man wird ja noch träumen dürfen

Der Artikel Man wird ja noch träumen dürfen aus der Süddeutschen Zeitung ist zwar schon etwas älter, aber beschreibt einige der Visionen für die Zukunft der EU, die nach wie vor aktuell sind.
Beschrieben werden jeweils die Ideen, wer dahinter steckt und wir realistisch dies nach Ansicht der Autoren sind.

Europäische Wirtschaftsregierung

Die Idee: Eine Währungsunion funktioniert nicht ohne eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, das hat sich in der Krise gezeigt. Die Chancen für die Umsetzung schätzen die Autoren als gut ein.

Politische Union   

Die Idee: Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten streben eine engere politische Zusammenarbeit an, so viel hat sich im Zuge der Krise abgezeichnet. Dies wäre eine konsequente Weiterführung einer Wirtschaftsunion. Die Autoren schätzen dies als realistisch ein, ich wäre heute etwas skeptischer.

Vereinigte Staaten von Europa

Die Idee der Vereinigten Staaten von Europa ist alt. Der französische Schriftseller Victor Hugo träumte davon, ebenso wie der britische Premier Winston Churchill oder Altkanzler Helmut Kohl. In der Tat könnte eine europäische Regierung schneller handeln. Ob das kommt? Eher nicht, sagen die Autoren, einer Einschätzung, der ich zustimme.

Staatenbund versus Bundesstaat

Das Modell der Vereinigten Staaten ist Teil einer anderen Debatte: Es geht darum, wie der europäische Föderalismus künftig ausgestaltet sein soll, wo also welche Kompetenzen angesiedelt sein sollen. Einige sehen die Bundesrepublik als Vorbild. Es geht in die Richtung „Vereinigte Staaten“, entsprechend auch die Einschätzung, was die Realisierung angeht: eher nicht.

Zurück zu nationalen Währungen

Hinter dieser Forderung steht die Ansicht, wonach die Währungsunion die Ursache der europäischen Misere ist. Neben Autoren aus dem rechten Lager gibt es andere Akteure, die diese Forderungen aufstellen. Ein Beispiel ist Fritz Scharpf, der in der Euro-Rettung eine Gefahr für die Demokratie sieht, siehe folgenden Artikel „Rettet Europa vor dem Euro“. Die Realisierungschance – gering, eine Einschätzung, die ich auch vier Jahre nach Erscheinen des Artikels teilen würde.

Europäische Bürgergesellschaft

Europa, das sind die Menschen, die hier leben - so lässt sich dieses Konzept kurz zusammenfassen. Unter dem Motto "Doing Europe" wollen die Unterstützer ein Europa der "tätigen Bürger" schaffen.
Ein Vorschlag ist ein europäisches Jahr für alle. Treffende Analyse der Autoren: „Eine nette Idee, nicht mehr.“

Vereinigte Städte von Europa

Welche Idee steckt dahinter? Der Ansatz ist ein krasser Gegenentwurf zu der Idee der Vereinigten Staaten. Es geht darum, den Nationalstaat zu überwinden, Europa muss sich neu gründen, und zwar von unten, ausgehend von den Bürgern. Die Idee ist bisher nicht mehr als eine Skizze - von der Umsetzung weit entfernt.

Europa der Regionen

Auch hier geht es um die Überwindung des Nationalstaats, auch dieses Konzept hält den Nationalismus für die Ursache allen Übels. Die Krise ist die Folge von überholten Kompromissen in der Organisationsform der EU.
Autoren wie der Schriftsteller Robert Menasse sehen ein Europa der Regionen und die Abschaffung des Europäischen Rats als die Lösung. Utopisch, wie Robert Menasse selbst einräumt. Die Abschaffung des Rats wäre mit den gegenwärtigen politischen Eliten nicht zu machen. Aber Menasse sagt auch: Die Römischen Verträge seien ein Jahr vor ihrer Unterzeichnung noch utopischer gewesen. Oder auch der Mauerfall. Man wird sehen.

Europäische Republik

Auch hinter dieser Forderung steht: Ein anderes Europa muss her. Es soll demokratischer, parlamentarischer und bürgernaher sein. Die Bürger sollen im Mittelpunkt stehen, nicht die Nationalstaaten. Es gibt keine nationalen Interessen. Die Regionen sollen in einem freien Zusammenschluss aufgehen, ohne ihre Eigenheiten zu verlieren.
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot ist eine der prominentesten Befürworterin. Auch hier handelt es sich um eine Utopie, gedacht für alle europäische Bürger. Die Chancen: Man wird ja wohl noch träumen dürfen. In einem Interview in der ZEIT ist sie sicher: Der Nationalstaat wird verschwinden.

Mittwoch, 16. Januar 2019

Die Verlogenheit der EU in der Flüchtlingsfrage

Das Video ist schon etwas älter, das Thema aber leider immer noch aktuell.

Die Verlogenheit der EU in der Flüchtlingsfrage.

Das Zentrum für moralische Überlegenheit
In der Heute-Show beklagt Christian Ehring die moralische Überlegenheit der Europäer*innen gegenüber den USA, denn Grenzen gibt es auch bei uns.