Donnerstag, 7. Mai 2020

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur EZB – Sieg der Demokratie oder osteuropäischer Rechtspopulisten?

Eine der wichtigsten Maßnahme der Europäischen Zentralbank zur Rettung des Euros war der Ankauf von Staatsanleihen. Mittlerweile hat die EZB Staatsanleihen im Wert von mehr als 2 Billionen in ihren Büchern. Da die EZB nach einem Verteilungsschlüssel  kauft, ist der größte Anteil mit über 530 Mrd. übrigens Deutschland.
So finanziert die EZB die Staaten nicht direkt, sondern kauft sie auf dem Markt. Das war hochumstritten und wurde heftig diskutiert, hat aber mit dazu beigetragen, dass der Euro überlebt hat – mit allen Mitgliedern.
Die Kläger, unter ihnen Peter Gauweiler und der AfD-Gründer Bernd Lucke haben gegen das Programm geklagt und nun teilweise Recht bekommen. Es ging bei diesem Urteil ausdrücklich nicht um das aktuell aufgelegt Programm zur Bekämpfung der Corona-Krise

Scharfe Kritik an Europäischer Zentralbank und dem Europäischen Gerichtshof

Das Bundesverfassungsgericht hat nun festgestellt, dass das Aufkaufprogramm teilweise gegen das Grundgesetz verstößt. Neben der Europäischen Zentralbank, die laut den Verfassungsrichtern jenseits ihrer Kompetenzen gehandelt hat, bekam auch das Europäische Gerichthof sein Fett ab. Der EuGH habe bei seinem Urteil „methodisch nicht vertretbar“ agiert und das Rettungsprogramm zu Unrecht durchgewunken.

Die konkreten Folgen wahrscheinlich überschaubar

Die Bundesbank hat jetzt drei Monate Zeit, zusammen mit der EZB überprüfen zu lassen, ob die Aufkäufe der Staatsanleihen verhältnismäßig sind. Es ist anzunehmen, dass die Europäische Zentralbank diese Argumentation nachliefert und der Spielraum auch nicht dauerhaft. Die Kommentatoren beschäftigten sich deshalb auch vorrangig mit Folgen für Demokratie, Europa – und europäische Rechtspopulisten.

Ein Zeichen für mehr Demokratie und Rechtsstaat

Reinhard Müller feiert das Urteil in der FAZ als Zeichen für mehr Demokratie und Rechtsstaat. Er lobt das Beharren auf diese Form demokratischer Legitimation der EU „Selbstermächtigungen ohne Kontrolle haben in einem demokratischen Staat, aber auch in einem solchen Staatenverbund nicht verloren“

Die Richter mischen sich in einen politischen Streit ein

Angesichts der intensiven Diskussion über Nebenwirkungen hält Stefan Kaiser den Vorwurf, dass die „wirtschaftspolitischen Auswirkungen nicht ausreichend diskutiert“ für nicht gerechtfertigt. Er kritisiert die Machtdemonstration des Verfassungsgerichts: "Es ist eine Pose der Stärke gegenüber der EZB, die nun gezwungen werden soll, das Offensichtliche – die Nebenwirkungen der Anleihekäufe – doch bitte noch mal offiziell und schriftlich festzuhalten. Am Kaufprogramm muss sie dagegen wohl kaum etwas ändern. Wem das am Ende nützen soll, bleibt offen. Den deutschen Sparern jedenfalls nicht."

Eine schlechte Nachricht für Europa

Cerstin Gammelin sieht in dem Urteil eine schlechte Nachricht und befürchtet eine Schwächung der europäischen Rechtsgemeinschaft:
Das Bundesverfassungsgericht könnte ein schlechtes Vorbild für andere nationale Gerichte werden.
Stellen sich die Deutschen gegen die Richter in Luxemburg, können wir das auch. Es sei hier nur an die Vorgänge in Polen und Ungarn hingewiesen, wo Rechtsprechungen aus Luxemburg schlicht ignoriert werden.

Jubeln am Ende osteuropäische Rechtspopulisten?

Jan Puhl befürchtet, dass das Urteil rechtspopulistische Regierungen in Polen und Ungarn bestärken könnte. Das Urteil ist eine Steilvorlage für viele, die den Europäischen Gerichtshof zurückdrängen wollen. Dabei war zuletzt der Europäische Gerichthof einer der wenigen Stimmen, die dem Rechtsstaatsabbau in Polen und Ungarn noch etwas entgegen gesetzt haben.
Er verweist auf das ungarische Nachrichtenportal, die das Urteil in eine Reihe mit dem Brexit.
Mit dem Kompetenzverlust des EuGH verliere die EU grundsätzlich die Fähigkeit, gemeinsame demokratische Werte unter seinen Mitgliedern zu wahren.“ Verliert die EU grundsätzlich die Fähigkeit, gemeinsame demokratische Werte zu wahren?
Diese Folgen wären weitreichend – weit über irgendwelche Erklärungen der EZB hinaus.