Über 90 Stunden haben die Staats- und Regierungschefs verhandelt – dann war sie da – eine Einigung über den mehrjährigen Finanzplan in Verbindung mit einem 750 Mrd.-Paket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise.
Die Beobachter sind sich nicht einig – ist die gemeinsame Schuldenaufnahme der Hamilton-Moment und die erste Stufe zu den Vereinigten Staaten von Europa? Oder sind die Gemeinsamkeiten aufgebraucht?
Durchbruch geschafft
Einen guten Überblick über die Ergebnisse des Gipfeltreffens finden Sie in der
Süddeutschen Zeitung.
Positiv ist auf jeden Fall zu werten, dass ein Ergebnis erreicht wurde. Alle haben etwas gewonnen haben: Merkel hat den Deal, der Süden bekommt Geld, der Norden Rabatte, Ungarn und Polen müssen wenig wegen der Rechtsstaatlichkeit befürchten.
Die Grundlage der Einigung basiert auf einem Kompromiss zwischen Macron und Merkel. Macron konnte die gemeinsame Kreditfinanzierung durchsetzen, Merkel verhinderte eine gesamtschuldnerische Haftung. Dies ist eine gute Lösung für von beiden Seiten erhöhte Debatte über
Corona-Bonds.
Der Hamilton-Moment und Deutschland als Gewinner
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, beschreibt in einem Essay für den
SPIEGEL den Hamilton-Moment, bezogen auf die 1790 beschlossene Fiskalunion, die in den „Vereinigten Staaten von Amerika“ mündeten. Fratzscher sieht in den Beschlüssen eine Grundlage für die europäische Fiskalunion. Außerdem sieht er in Deutschland den große Gewinner des beschlossenen Programms.
„Das deutsche Wirtschaftsmodell, das auf Offenheit und Handel beruht, kann nur als Teil eines wirtschaftlich und politisch stark integrierten Europas langfristig überleben und erfolgreich sein.“Rechtsstaatsignoranten und Sparsamkeitspopulisten
Es galt aber auch einige Kröten zu schlucken. Die Sparsamen Vier (Niederlande, Österreich, Schweden, Dänemark, später ergänzt durch Finnland) ließen sich ihre Zustimmung teuer bezahlen. Statt der Abschaffung wurden die Rabatte für die sog. Nettozahler sogar noch erhöht. Nachgiebiger waren die Vier beim Rechtsstaat, hier gelang nur eine wachsweiche Erklärung, die Polen und Ungarn als Sieg feierten. Bernd Ulrich beklagt in der
ZEIT „Rechtsstaatsignoranten und Sparsamkeitspopulisten“.
Ein lernendes System, offen und pragmatisch
Bernd Ulrich zieht in seinem Artikel ein positives Fazit, er sieht die EU in besserer Verfassung als die Vereinigten Staaten von Amerika, was allerdings aktuell keine große Anforderung ist. Spannend finde ich den zweiten Teil der Analyse.
„Die EU ist ein lernendes System, offen und pragmatisch.“