Freitag, 20. Dezember 2024

Die Zahl der Flüchtlinge in der EU ist gesunken - die Debatte bleibt

Josef Kelnberger analysiert in der Süddeutschen Zeitung die Asylpolitik der EU in den letzten Monaten.

Hoffnung auf Wandel in Syrien  

Die Anforderungen und Hoffnungen für die neue Regierungen Syriens sind groß: Territoriale Integrität, Bekämpfung des Terrorismus, Achtung von Menschenrechten, Frauenrechten, Minderheitenrechten.
Die EU will einen Beitrag leisten, damit syrische Flüchtlinge eine „sichere, freiwillige, würdevolle Heimkehr“ ermöglicht wird. Andere wollen sie möglichst schnell zurückschicken - auch gegen deren Willen. Ob das gelingt ist fraglich: Im Idealfall bleiben die gut Integrierten und andere kehren zurück. Im schlimmsten Fall eines Chaos machen sich noch mehr Menschen auf den Weg.

EU-Partnerschaftsverträge haben einen Effekt

In den letzten Monaten hat die Kommission einige Partnerschaftsverträge erreicht, um Migranten von der Überfahrt abzuhalten. Schaut man auf die sinkenden Zahlen- rund 40 % weniger als im Vorjahr hat diese Strategie funktioniert.

Asylrechtsreform umsetzen

Nun geht es darum die Entscheidungen vom April umzusetzen. Einstieg in die solidarische Verteilung von Asylbewerbern – in zwei Jahren soll das System greifen. Dennoch gibt es weiter Diskussionen um verschärfte Maßnahmen. Einige Staaten angeführt von Italien wollen mit Druck erreichen, dass die Länder ihre Bürger zurücknehmen. Polens Ministerpräsident Donald Tusk hat das Recht auf Asyl an der Ostgrenze einschränken lassen, da er davon ausgeht, dass Russland Migranten gezielt als „Waffe“ einsetzt.

Forderung nach faktischem Aufnahmestopp führt zu einem Knall

Das Wahlprogramm von CDU und CSU wollen weinen faktischen Aufnahmestopp: Alle Flüchtlinge, die aus der EU und dem Schengen-Raum kommen und einen Asylantrag stellen wollen, sollen zurückgewiesen werden. Der Autor befürchtet einen Knall, da die europäische Asylrechtsreform ist darauf angelegt ist, Schritt für Schritt zu einer gerechten Verteilung der Lasten in Europa zu kommen. Die Methode Merz würde bedeuten: Es knallt in Europa.

Auslagerung in andere Länder sind Gedankenspiele

Auch die von CDU und CSU geforderte Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten sind bisher noch Gedankenspiele. Ursula von Leyen nennt diese „innovative Ideen“: Tenor: kompliziert, muss weiter geprüft werden.

Mittwoch, 11. Dezember 2024

Europas größtes Freihandelsabkommen: Die Gegner sabotieren das europäische Projekt

Jan Diesteldorf beklagt in der Süddeutschen Zeitung, dass Gegner die Freihandelszone mit südamerikanischen Staaten sabotiert.

Freihandelsabkommen mit Südamerika ist notwendig

Das Abkommen mit dem Mercosur-Staatenbund wird seit 25 Jahren verhandelt – und ist nach Ansicht des Autors dringend notwendig. Die Welt sieht ganz anders aus als 1999 – „bedroht von Russlands Aggression und dem Weltmachtstreben eines autoritären Chinas, vom Islamismus erschüttert, der Klimakrise ausgeliefert. Die Globalisierung ist ausgebremst, das industrielle Geschäftsmodell Europas wackelt, es sind Kräfte erfolgreich, die mit Angst und Lügen Politik machen.“

Eine starke politische Bindungswirkung

Das Handelsabkommen mit Mercosur wäre deshalb ein mächtiges Mittel. Mineralstoffe, Chemieprodukte und Lebensmittel werden schon bisher gehandelt. Durch den Wegfall von Zöllen, bei gleichzeitiger Verankerung von Umweltstandards könnten der Handel ausgebaut werden. Durch die drohenden Handelskonflikte mit China und den USA braucht die EU dieses Abkommen– für die Industrie, für ihre Dienstleister und, ja, auch und gerade für ihre Landwirte und Lebensmittelerzeuger.

Man muss nur „Chlorhühnchen“ oder „Hormonfleisch“ rufen

Der Widerstand gegen das Abkommen, denn Freihandel taugt zur Mobilisierung. Es reicht, „Chlorhühnchen“ oder „Hormonfleisch“ zu rufen, schon stehen Umweltschützer und Sozialverbände Seite an Seite mit der Agrarlobby und rechtsradikalen Demagogen. Obwohl der Text noch gar nicht veröffentlicht waren, nannten viele den Text bereits inakzeptabel. Negativ sticht dabei der französische Präsident hervor, der einerseits Europa zur dritten Supermacht machen will, jetzt aber „weiterhin unermüdlich die landwirtschaftliche Souveränität“ Frankreichs verteidigt. Es geht nur um minimale Mengen und Frankreich importiert ohnehin so gut wie kein Fleisch aus Südamerika. Egal. Hauptsache, dagegen.

Die Gegner des Abkommens sabotieren das europäische Projekt

Die EU-Mitgliedstaaten stimmen im Sommer ab – genügend Zeit gegen das Abkommen mobil zu machen. Es steht eine hässliche Auseinandersetzung bevor, in der die EU-Kommission den Kampf um die Deutungshoheit gewinnen muss. Die Gegner des Abkommens sabotieren das europäische Projekt. Sie dürfen mit ihrer wahnwitzigen Opposition nicht weit kommen.

Freitag, 29. November 2024

Hat die neue EU-Kommission dazugelernt?

Hubert Wetzel kommentiert in der Süddeutschen Zeitung die neue EU-Kommission – und hofft, dass diese die Fehler der bisherigen Kommission korrigieren kann.

Die neue Kommission als Reparaturbetrieb

Durch das Parteiengezänk verlief der Start holprig, letztlich wurden aber alle vorgeschlagenen Kommissare bestätigt. Gleichgeblieben ist die Präsidentin – Ursula von der Leyen. Wenn sie ein Programm fordert, dass Europa wirtschaftlich stärker, wehrhafter gegenüber Russland und insgesamt krisenfester machen soll, ist dies auch ein Eingeständnis, dass es hier Probleme gibt. Der Autor bezeichnet die neue Kommission als „eine Art Reparaturteam, das Fehler und Versäumnisse der Von-der-Leyen-Kommission I korrigieren muss.“

Korrekturen beim Klimaschutz und der Migration

In der ersten Amtszeit stand der Grüne Deal im Vordergrund, der Europas Wirtschaft klimaneutral machen soll. Jetzt soll stärker berücksichtigt werden, dass Europa moderne, hochwertige, gut bezahlte Industriearbeitsplätze braucht. Auch bei der Migration hat sich die Kommission vor Entscheidungen gedrückt, die schwierig aber notwendig sind. Es ist dieser neuen politischen Realität geschuldet, dass Europas Umgang mit Flüchtlingen und Migranten künftig härter sein wird.

Kommission in schwierigen Zeiten wichtig

Dinge zu verändern, wenn sich die Umstände verändern sollten nicht als Malus gesehen werden. Da in Frankreich und Deutschland angeschlagene Regierungen herrschen, im Osten ein Krieg tobt und Donald Trumps erneute Präsidentschaft näher rückt, wird die Kommission wichtiger. Sie muss Rückhalt bei den Regierungen haben und kompetentes Personal haben. Für den Autor ist dies der Fall „auch wenn ihr Anfang nicht besonders zauberhaft war.“

Dienstag, 8. Oktober 2024

Asylpolitik in Europa: Verheddert im Recht

Paul Middelhoff und Heinrich Wefing analysieren in der ZEIT die Asylpolitik in Europa: Verheddert im Recht.

Beschlüsse werden nicht in Berlin getroffen

Die deutsche Debatte über Zuwanderung steckt in einer Illusion und einer Lebenslüge. Einerseits, weil die genannten Lösungen wie die Zurückweisungen allein nicht die Lösung sein werden, andererseits, weil die Beschlüsse über die Asylpolitik längst nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene getroffen werden. Die Regeln sind kodifiziert in Konventionen, Grundrechtekatalogen, gemeinschaftlichen Normen, und sie werden ausgelegt und überprüft von europäischen Gerichten.

Grundgesetzänderung würde wenig ändern

Auch die vom bayerischen Ministerpräsident Markus Söder geforderte Abschaffung des individuellen Rechts würde wenig ändern – weder ist eine Zweidrittelmehrheit in Sicht, noch würde es viel ändern, da nur ein Bruchteil der Menschen Asyl nach Artikel 16a bekommen. Der Großteil bekommt Schutz aufgrund von unterschiedlichen internationalen Normen, angefangen bei der Genfer Flüchtlingskonvention über die Europäische Menschenrechtskonvention bis hin zur Grundrechtecharta der EU.

Der Einfluss europäischer Gerichte auf die Migrationspolitik

Die Gerichte haben den Schutz in den letzten Jahren ausgebaut, z.B. dem Schutz vor „Unmenschlicher Behandlung“. Diese Urteile fließen auch in die Rechtsprechung deutscher Gerichte ein. Historisch sollen Alleingänge verhindert werden, mittlerweile wurde aber der Gestaltungsraum der Politik massiv eingeengt. Der Politikwissenschaftler Philip Manow spricht von „Über-Konstitutionalisierung". Die Autoren sehen zwei Auswege: Der eine, das ist die Flucht vor den eigenen Fesseln. Der andere Weg ist der Rechtsbruch.

Verfangen in einem überkomplexen System von Vorschriften

Der erste Weg ist eine Art Abschiebung der Probleme ins Ausland - in die Türkei, nach Tunesien, Marokko und Libyen – irgendwann nach Ruanda. Dort sollten die die Asylanträge bearbeitet werden. Weil sich die EU verfangen hat, hofft sie fast verzweifelt auf eine exterritoriale Lösung. Bereits 2016 versuchte Merkel diese Lösung mit der Türkei. Die Fluchtroute wurde geschlossen, während Merkel in der Heimat die Humanität betonen konnte. „Man kann das zynisch nennen. Oder scheinheilig, oder beides.“

Das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS)

Im April hat sich die EU auf ein neues System geeinigt, das einerseits endlose Detailregelungen, aber auch einige vernünftige Vorschläge enthält wie eine zentrale Asyldatenbank bei der EU zum Beispiel oder die wechselseitige Anerkennung von nationalen Abschiebeurteilen. Die Lage ist dringend, denn das Thema spielt Populisten und Autokraten in die Hände. In einigen Fällen begeht die Politik Rechtsbruch, so hat Zypern die Bearbeitung von Asylanträgen von Syrern ausgesetzt, die Finnen weisen Migranten ohne Prüfung ab.

Das System muss vereinfacht werden

Auch im Innern kollabiert das System, so weigert sich Italien, Asylbewerber nach den Dublin-Regeln zurückzunehmen. Diese Regeln sind in der Theorie wunderbar für Deutschland, da sie keine EU-Außengrenzen hat. Andere Staaten lassen die Migranten einfach weiterziehen oder drängen Flüchtlingen zurück. Diese Pushbacks sind nach europäischem Recht illegal.
Es gibt keine einfachen Lösungen, aber das hyperkomplexe System muss vereinfacht werden, ebenso die gerichtliche Überprüfung jedes Einzelfalls. Die Politik könnte Absprachen treffen. Auch die Gerichte entscheiden in einigen Fällen strenger, so wurde einem verurteilten Syrer der Schutz als Bürgerkriegsflüchtling versagt. Für die Autoren zeigt diese Entscheidung, dass die Gerichte nicht im politisch luftleeren Raum agieren.

Mittwoch, 25. September 2024

Neue EU-Kommission - Von der Leyen festigt ihre Macht

Nach der Vorstellung der 26 EU-Kommissare sind sich Kommentatoren einig – die Kommission wird personell und inhaltlich konservativer – und Präsidentin Ursula von der Leyen festigt ihre Macht.

Kernprioritäten der neuen Kommission

Auf der Seite der Kommission werden die Mitglieder und Ziele vorgestellt.
Die Kommission hat sechs Kernprioritäten definiert:

  • Stärkung unserer technologischen Souveränität, unserer Sicherheit und Demokratie.
  • Aufbau einer wettbewerbsfähigen, dekarbonisierten Kreislaufwirtschaft – und einem fairen Übergang für alle.
  • Entwicklung einer mutigen Industriestrategie, bei der Innovation und Investitionen im Mittelpunkt stehen.
  •  Stärkung des europäischen Zusammenhalts und der Regionen.
  •  Die Menschen in Europa bestmöglich unterstützen, ihre Kompetenzen stärken und unser Sozialmodell zukunftsfest machen.
  • Alles dafür tun, dass Europa seine Interessen durchsetzt und in der Welt eine Führungsrolle einnehmen kann.


Ursula von der Leyen festigt ihre Macht

Jan Diesteldorf analysiert in der Süddeutschen Zeitung die Zusammenstellung der neuen Kommission: Ursula von der Leyen festigt ihre Macht. Frauen bekommen wichtige Posten, die konservative Seite wird gestärkt und die Konkurrenz für sie bleibt außen vor.

Überraschungen und Machtpolitik  

Der Autor hat von der Vorstellung zwei Dinge erfahren.
Sie mag Überraschungen: Sie machte mit Henna Virkkunen aus Finnland und Roxana Minzatu aus Rumänien zwei Frauen zu ihren Vizes, die niemand auf dem Zettel hat. Der andere Faktor ist, dass von der Leyen eine Machtpolitikerin ersten Ranges ist. Das neue Team ist direkt auf sie zugeschnitten. In der letzten Kommission hatte sie dem Niederländer Frans Timmermans, der Dänin Margrethe Vestager und dem Franzosen Thierry Breton eigenständige Köpfe.

Wettbewerbsfähigkeit hat den Klimaschutz verdrängt

Inhaltlich wird die neue, nun konservativere Kommission ganz andere Schwerpunkte setzen: Auffällig ist hier, dass Industrie- und Klimapolitik versöhnen will. Der Autor sieht die Gefahr, dass es Rückschritte beim Klimaschutz

Eine Sonnensystem-Kommission?

Auch Hubert Wetzel betont in der Süddeutschen Zeitung, dass von der Leyen eine Machtpolitikerin ist. Sie hat den selbstbewussten Thierry Breton aus dem Weg geräumt und steht nun im Mittelpunkt. Der grüne Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky spricht von einer „Sonnensystem-Kommission“.

Kommission personell und inhaltlich konservativer

Das Gremium ist konservativer geworden – 14 der 27 Kommissare gehören zur Europäischen Volkspartei, Raffaele Fitto aus Italien ist Mitglied der Melon-Partei, die im Europaparlament Teil der rechtskonservativen EKR-Fraktion sind. Auch thematisch geraten Themen in den Fokus, die eher Konservativen zugerechnet werden Klimaschutz soll wichtig bleiben, aber nicht die Industrie ruinieren. Es geht um Wettbewerbsfähikgeit und Sicherheit. In diesen Themen hat sich die EVP den Zugriff gesichert: Wirtschaft, Landwirtschaft, Migration, Verteidigung, Klima.

Politische Aufwertung Osteuropas

Die großen Länder erhalten Vizepräsidenten-Posten: Frankreich, Italien und Spanien. Aber auch Ost- und Mitteleuropäer erhalten einflussreiche Ressorts, nur Ungarn nicht- der Pole Piotr Serafin wird Haushalskommissar, die frühere estnische Regierungschefin Kaja Kallas wird neue Außenbeauftragte der EU und Vizepräsidentin der Kommission. Auch der neu geschaffene Posten für Verteidigung geht nach Osteuropa - an den Litauer Andrius Kubilius. In Bezug auf die Ukraine-Politik sind viele Falken dabei, die einen kompromisslosen Kurs gegen Moskau fordern. Der Ungar Oliver Valhelvi wurde degradiert – statt Erweiterung ist er nun für Gesundheit und Tierschutz zuständig.

Ziel der Parität nicht erreicht

Eigentlich wollte Leyen einen Frauenanteil von 50 %. Da viele Länder nur Männer vorgeschlagen haben, wurde dies nicht erreicht, immerhin konnte sie aber die Zahl der Frauen von zunächst sechs auf elf zu steigern – 40 Prozent. Daran zeige sich, dass „noch viel zu tun“ bleibe.

Sonntag, 25. August 2024

Schweden-Utopie: Bullerbü war gestern

In der Süddeutschen Zeitung  schreibt Alex Rühle über Schweden, um die idealisierten Vorstellungen von Schweden mit der Wirklichkeit abzugleichen.

Schweden als Projektionsfläche für Klischees

„Rote Häuschen am See, mit eigenem Segelboot. Terrasse mit Holztisch, Zimtschnecken und Kaffee. Der Wald ringsum steht still und schweiget, ab und zu ein sanft grasender Elch.“ Der Autor beschreibt zu Beginn einige Klischees über Schweden, die es bereits seit langer Zeit. Schweden muss oft  herhalten als „angenehme, freundliche, gute“ Projektionsfläche für deutsche Sehnsüchte. Bücher von Astrid Lindgren aber auch Schmonzetten im Fernsehen haben zu diesem Klischee beigetragen. Es ist herrlich unterkomplex und wahrscheinlich deshalb extrem erfolgreich.

Aktuelle Politik zeigt ein anderes Bild

Die aktuelle politische Situation hat mit diesem Bild wenig zu tun. Die Minderheitsregierung dreier konservativ-liberaler Parteien unter Ulf Kristersson ist von der Unterstützung der rechtspopulistischen Schwedendemokraten abhängig. Die als vorbildlich geltende Klimapolitik wurde ins Gegenteil verkehrt. Erneuerbare Energien werden ausgebremst, Steuern auf Benzin und Diesel gesenkt. Die Schwedendemokraten betreiben eine Trollfabrik, die das Netz mit Lügen und Hetze flutet. Die Regierung tut wenig gegen die rassistischen Diskurse und rechtsextreme Hetze.

Klischees von Neutralität und Wohlfahrtsstaat überholt

Den Nato-Beitritt bezeichnet der Autor als „überfällige realpolitische Anpassung an die Wirklichkeit“. Hier kritisiert er frühere Regierungen, die die Bündnisfreiheit als heilige Monstranz vor sich hergetragen haben. Auch das Ideal des schwedischen Wohlfahrtstaats von Gleichheit und sozialer Wohlfahrt passt nicht mehr zur Wirklichkeit. Steuern auf Erbschaften und Vermögen wurden abgeschafft. Die Zahl der Dollarmillionäre hat sich verdoppelt, das Land hat heute prozentual gesehen dreimal so viele Milliardäre wie die USA. Die Ungleichheit ist zwar noch immer geringer als in anderen Industrieländern, wächst aber schneller.

Gewalt in schwedischen Städten

Parallel zur neoliberalen Wende und dem enormen Wohlstandszuwachs hat die Gangkriminalität in Schweden Ausmaße angenommen hat, wie man sie sich in Deutschland kaum vorstellen kann: Allein 2022 starben bei Schießereien in Schweden 61 Menschen. Das Land hat zehn Millionen Einwohner, hochgerechnet auf Deutschland wären das 500 Tote. Erklärungsversuche gibt es viele: hohe Zuwanderungsraten aus patriarchalischen Gesellschaften, falsche Männlichkeitsideale, gescheiterte Integration. Erhöhte Nachfrage nach Drogen. Leichter Zugang zu Waffen. Ein Faktor ist aber auch, dass das große Gleichheitsversprechen, auf dem der schwedische Gesellschaftsvertrag offiziell bis heute fußt, längst nicht mehr eingelöst werde.

Verschärfte Bedingungen für Migranten und Asylbewerber

Die Schwedendemokraten setzten massive Verschärfungen durch: Der Erwerb der schwedischen Staatsbürgerschaft soll verschärft werden, Arbeitsmigranten außerhalb der EU müssen hohe Verdienste nachweisen. Die Maßnahmen haben scheinbar Erfolg, in diesem Jahr werde es erstmals seit den Siebzigerjahren mehr Auswanderer als Einwanderer geben.
Auch in anderen Bereichen sind Zweifel am schwedischen Erfolgsmodell angebracht. Die schwedische Bahn hat ähnlich Probleme wie die deutsche, nach Skandalen an Privatschulen wird über eine Reform des Schulsystems nachgedacht. Die Zahl der Schweden, die Antidepressiva nehmen, ist sprunghaft angestiegen.

Schweden ist kein einziges Jammertal

Der Autor betont, dass Schweden kein einziges Jammertal ist. Vieles ist wunderbar und funktioniert beeindruckend gut: Bei Geschlechtergleichheit und Innovationen liegt Schweden weit vorn. Die Landschaft ist wunderschön. Der Autor will Schweden nicht schlechtreden, sondern fordert, die eigenen Vorurteile wahrzunehmen: Bullerbü war immer schon ein fiktiver Ort. Man sollte die zehn Millionen Schweden weder in einem niedlich bunten Utopia einsperren noch auf einen anachronistischen Altar heben. Da langweilen sie sich ohnehin: Die Schweden feiern lieber, als in die Kirche zu gehen.


Donnerstag, 15. August 2024

Die Extremisten wollen den Kulturbetrieb der Slowakei zerstören

Viktoria Großmann kommentiert in der Süddeutschen Zeitung, wie in der Slowakei der Kulturbetrieb zerstört wird.

Jüngstes Opfer des Umbaus: der Kulturbetrieb

Seit Fico wieder Ministerpräsident der Slowakei ist, macht er sich unverhohlen an den Umbau des Staates. Kultusministerin Martina Šimkovičová geht noch brutaler vor. Sie spielt sich als Beschützerin von Kindern vor moderner Kunst auf und versucht mit der Abberufung der Leiter von Nationaltheater und Nationalgalerie nun auch die Kultur umzubauen. Es gibt auch einen Vorgeschmack, was die AfD an der Macht tun könnte.

Nationalistisches, feindseliges Weltbild

Fico und seine populistische Smer-Partie treten ebenso wie die zweitgrößte Fraktion Smer relativ gemäßigt auf, der kleinste Regierungspartner will aber nicht nur Freunde mit Posten versorgen, sondern ihr nationalistisches, feindseliges Weltbild durchsetzen. Fico hat sich zu einem Hetzer entwickelt, ihm geht es um seinen persönlichen Vorteil. Im Windschatten von Kulturdebatten und der Aufregung über die dreiste SNS kann Fico Vertraute aus den Gefängnissen entlassen und Ermittlungsbehörden auflösen.

Kann die Kultusministerin gefährlich werden?

Der Unruhe und Ärger steigt, da die Ministerin auch nicht vor kleinen Kultureinrichtungen in der Provinz nicht haltmacht. Fico müsste notfalls seinen Koalitionspartner zur Mäßigung aufrufen – doch der könnte sich als unkontrollierbar erweisen. Verschwörungsideologen verstehen keinen Spaß.

Mittwoch, 17. Juli 2024

Wahl in Frankreich: Macron erntet, was er sät

Stefan Kornelius kommentiert in der Süddeutschen Zeitung das Ergebnis der Parlamentswahlen: Sein Neuwahl-Kalkül hat die Parteienlandschaft durchgeschüttelt – Frankreich wird sich dahinschleppen.

Gemischte Bilanz nach den Wahlen

Ein Teil des Zieles hat Macron erreicht. Nach dem 2. Wahlgang wurden die Rechtsradikalen erstaunlich klein gehalten, der zweite Teil der Rechnung ging nicht auf. Sein Mitte-Bündnis hat deutlich verloren, das Regierungsgeschäft wird nicht einfacher. Macron blies zur Wahl, um nicht als Getriebener zu erscheinen – die Ernte eingefahren hat aber die Linke. Diese schlossen sich überraschend schnell zu einem Bündnis zusammen.

Eine Ohrfeige für den Rassemblement National – und Macron

Le Pens Rassemblement National wurde im zweiten Wahlgang von der Nation mit einer Ohrfeige bedacht. Die neue Verteilung lautet: viel ultrarechts, viel links und immer weniger dazwischen. So wird Politik zum Geschäft des Stillstands. Die Wahl richtete aber sich auch gegen Macron. Es zeigen Sich die Konstruktionsfehler der Fünften Republik, das dem Parlament zu wenig Macht und dem Zusammenspiel der beiden Pole zu wenig Aufmerksamkeit schenkt.

Es fehlen die verlässlichen ideologischen Lager

Es fehlen Führungsfiguren, die aus verlässlichen Lagern kommen. Die Wahl brachte ein taktisches Bündnis für den republikanischen Konsens, aber keine Verabredung über einen Regierungskonsens. Die Suche wird Monate dauern, die Linke werden sich erst mal selber zerlegen. Der Autor zweifelt, ob es dann eine Koalition der Mitte gibt: Den Franzosen ist diese Methode des Interessenausgleichs nicht in die politische Wiege gelegt.


Mittwoch, 10. Juli 2024

Labour-Wahlsieg: Die Clownshow ist vorbei

Steffen Lüdke kommentiert im SPIEGEL den Labour Wahlsieg „Die Clownshow ist vorbei – Keir Starmer erlöst die Briten“

Die Konservativen wurden abgestraft

Nach 14 Jahren wurden die Konservativen abgestraft. Die Sparpolitik zehrte das Land aus, es folgten der Brexit, Boris Johnsons Lügen und das fatale Steuerexperiment von Liz Truss. Keir Starmer steht für das, was der britischen Politik in letzter Zeit abging: ein Mindestmaß an Seriosität. Die Clownshow ist vorbei.

Vier Gründe für Labours Erdrutschsieg 

Der Autor nennt vier Gründe für den Erdrutschsieg. 

1. Labour hat in Schottland gewonnen

In Schottland dominierte jahrelang die Schottische Nationalpartei. Durch viele Skandale verlor die Partei und Ansätzen und Labour nutze die Chance. Labour gewann viele Sitze, mit denen vor ein paar Jahren noch niemand rechnen konnte.

2. Starmer hat die Mitte erobert

Starmer hat sich als Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Jeremy Corbyn präsentiert und Labour in die Mitte gerückt. Starmer gewann rund 34 Prozent der Stimmen, weniger als Corbyn bei seiner Niederlage 2017. Er holte aber weitaus mehr Sitze, darunter auch viele in der »Red Wall«, traditionelle Labour-Hochburgen in den Midlands und im Norden Englands, die Corbyn verloren hatte. Labours Wählerschaft ist nun diverser, ein breites und fragiles Bündnis trug Starmer zum Sieg.

3. Die Linken wählten taktisch, die Rechten nicht

Die Liberaldemokraten holten mehr als 70 Site. Zu verdanken hat er dies den Wählen, die die Tories unbedingt abwählen wollten. Sie stimmten taktisch ab - mancherorts wählten sie Labour, mancherorts die Lib Dems, eine ehemals kleine Mitte-links-Partei, die nun drittgrößte Formation im Parlament ist.
14 Prozent stimmten für die Reform Partei von Nigel Farage, einen Putin-Fan, der Kandidaten aufstellte, die zum Teil offen rassistisch auftraten. Nur dank des britischen Wahlsystems resultierte das in lediglich vier Abgeordneten, einer davon ist Farage selbst  Diese Stimmen verschlimmerten die Niederlage der Tories. Einige wollen nun noch weiter nach rechts rücken. „Dabei verloren sie vor allem, weil sie als inkompetent und verlogen gelten.“

4. Starmer hat die Tories einfach machen lassen

Keir Starmer setze wie der englische Nationaltrainer Gareth Southgate darauf, Fehler zu vermeiden. Die Wahlkampf der Tories war ein Fehltrittfestival. Zum Schluss warnten sie einfach vor einer großen Labour-Mehrheit. Am Ende half nicht mal das.

Dienstag, 25. Juni 2024

Wo steht Europa nach der Wahl?

Das Ergebnis der Wahlen war bereits Thema einiger Seminare und bleibt auch in meinem überarbeiteten Seminarprogramm zu Europa ein wichtiges Thema. Die Bundeszentrale für politische Bildung fasst in einem Dossier einige der Reaktionen auf die Wahl zusammen.

Rechtsruck im Parlament

Bei den Wahlen haben die konservative EVP und die beiden rechten Fraktionen EKR und ID deutlich gewonnen. Liberale und Grüne haben deutlich verloren. Dieses Ergebnis ist vor allem durch die großen Länder geprägt, deshalb warnen einige Beobachter auch vor, die Ergebnisse überzubewerten. In einigen Ländern gab es gar kein Rechtsruck statt (Skandinavien) oder verschoben sich innerhalb des rechten Lagers (Italien) Außerdem haben die Parteien der Mitte weiterhin eine klare Mehrheit.

Europäische Achse Berlin-Paris geschwächt?

Größer ist die Furcht vor einer dauerhaften Schwächung der deutsch-französischen Achse. Sowohl Scholz als auch Macron haben deutliche Niederlagen eingefahren. El Pais kommentiert. „Für den deutsch-französischen Motor gibt es keinen Ersatz. Wenn Paris oder Berlin in die Hände von Regierungen fallen, die gegen die europäische Integration sind, wird die EU gelähmt oder tödlich verwundet.“

Was bedeutet das Ergebnis für die Klimapolitik?

Rückschritte sehen die Beobachter für die Klima- und Energiepolitik. Die Volkspartei hatte bereits vor der Wahl Zweifel am Green Deal geäußert und einzelne Maßnahmen abgelehnt, durch die Schwächung der Grünen könnte das Thema an Bedeutung verlieren.

Auswirkungen für die Außenpolitik gegenüber der Ukraine?

Den Erfolg radikaler Parteien hat den Kreml gefreut, dennoch erwarten die Beobachter keine großen Verschiebungen, da die wichtigsten Entscheidungen ohnehin nicht vom Parlament getroffen werden:
„Die pro-ukrainische Mehrheit hat sich zwar im Wesentlichen gehalten, aber der Vormarsch der extremen Rechten hat in Russland einen Zustand der Euphorie ausgelöst.“

Folgen der Wahl für die politische Situation in einzelnen Ländern

In manchen EU-Staaten hat die Europawahl die Lage deutlich. In Deutschland verloren die Regierungsparteien dramatisch, AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht gewannen deutlich hinzu. Auffällig dabei die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland und das Wahlergebnis der Erstwähler*innen. Einen interessanten Kommentar von Sascha Lobo finden Sie hier.
In Frankreich löste Macron das Parlament auf – ein weiterer Rechtsruck könnte die Folge sein.
In Italien gewann die Partei von Regierungschefin Meloni deutlich – die Verluste ihres Koalitionspartners Salvini waren aber noch höher. In Polen gewann die europafreundliche Partei von Donald Tusk den Stimmungstest. In Österreich wurden die Freiheitlichen stärkste Partei, im Herbst wird sich zeigen, ob sie auch bei nationalen Wahlen den Erfolg wiederholen könnte.

Wahlen

Darüber hinaus wird eine Wahl außerhalb Europas die Politik auf der ganzen Welt stark prägen – die Präsidentschafts- und Kongresswahlen in den USA. Auch zu diesem wichtigen Thema biete ich Seminare an – sowohl im Bereich Internationale Politik als auch Demokratie und Wahlen.

Mittwoch, 22. Mai 2024

Der Ruanda-Pakt ist zynisch

Michael Neudecker kritisiert in der Süddeutschen Zeitung den Ruanda-Pakt in Großbritannien. In einem weiteren Artikel beschreibt er den langen Weg zum Gesetz.

Der Ruanda-Pakt – 2,1 Millionen Euro pro Flüchtling

Das Gesetz erklärt Ruanda zu einem sicheren Drittstaat und schränkt dabei das Klagerecht ein
Der Fünf-Jahres-Vertrag mit Ruanda kostet die britische Regierung 370 Millionen Pfund. Die Kontrollstelle für Regierungsausgaben hat ausgerechnet, dass für jeden er ersten 300 Flüchtlinge 1,8 Millionen Pfund fällig, fast 2,1 Millionen Euro. fällig werden.

Der Pakt als Wahlkampfvehikel

Die britische Regierung investiert absurd viel Zeit und Geld für ein Vorhaben, dessen Erfolg höchst zweifelhaft ist. Es ist vor allem ein Mittel im Wahlkampf. Sunak hat das Gesetz durchs Parlament gebracht, die Probleme wird es kaum lösen. Selbst wenn ein paar Hundert Flüchtlinge nach Ruanda ausgeflogen werden, bleibt der Rückstand bei der Bearbeitung der Anträge und den Lagern in Frankreich. Flüchtlinge werden weiter versuchen, nach Großbritannien zu kommen – ein Land, dessen Sprache sie verstehen – und das kein Meldewesen hat

Sunak geht es nur um kurzfristige Erfolge

Labour hatte 2006 ein System mit Personalausweis eingeführt – David Cameron schaffte sie wieder ab. Sunak lässt sich den Slogan "Stop the boats" aufs Rednerpult schreien, um kurzfristige Erfolge zu erzielen. Glaubt man den Meinungsumfragen, wird ihm das nicht gelingen

Mittwoch, 17. April 2024

EU-Asylrecht: Europa tut, was getan werden muss

Josef Kelnberger bezeichnet in der Süddeutschen Zeitung das neue EU-Asylrecht als bitter, aber auch notwendig.

Mit der Asylreform will die EU vor den Wahlen demonstrieren: Wir haben einen Plan. Ist er ein großer Wurf oder schlicht unmenschlich? Vor allem ist er bitter nötig.

Ein fürchterlicher und notwendiger Tag für die Europäische Union

Es ist einerseits ein fürchterlicher Tag: Familien mit Kindern werden unter haftähnlichen Bedingungen in Lager gesperrt. Rechte von geflüchteten Menschen werden beschnitten – Die EU baut „eine Mauer der Herzlosigkeit um den Kontinent.“
Anderseits ist ein großartiger Tag, denn nach vielen Jahren hat es endlich ein gemeinsames Instrumentarium. Das gemeinsame Ziel: die Zahl der in Europa ankommenden Flüchtlinge senken, ohne das Asylrecht zu schleifen. Es ist somit ein Zeichen der Stärke

Ein Tribut an den rechten Zeitgeist

Beide Positionen hält der Autor für legitim. Er fragt nach den Alternativen: Die Frage der Migration ist für viele Menschen wahlentscheidend, ein Scheitern hätte ein düsteres Bild gezeigt.
Die EU zeigt ihr Funktionstüchtigkeit und zeigt, dass sie ein Plan hat: Mit den Lagern an den Außengrenzen will man verhindern, dass Geflüchtete, die absehbar keine Chance auf Asyl haben, in die EU gelangen. Italien und Griechenland sollen unterstützt werden, nicht erreicht wurde eine faire Verteilung. Insgesamt ist die Reform ein Tribut an den rechten Zeitgeist.

Es wird nicht humaner

Die Diskussion ist nicht beendet, es wird aber kaum humaner. Es lohnt sich, bei der Ausgestaltung mitzuarbeiten. Es wird mindestens zwei Jahre dauern, bis der Gesetzestext mit Leben gefüllt, die Lager gebaut und die Abkommen geschlossen sind. Es wird als weitere Diskussionen geben, aber klar ist für den Autor: Es werden keine humaneren Modelle sein als jenes, das am Mittwoch beschlossen wurde.

Freitag, 22. März 2024

Verlängern Verhandlungen den Krieg in der Ukraine?

Alice Bota wendet sich in der ZEIT gegen Verhandlungen - diese würden den Krieg momentan nur verlängern. 

Verhandlungen wären falsch - im Moment

Die Autorin ist überzeugt – irgendwann wird der Krieg gegen die Ukraine mit Verhandlungen enden – im Moment wäre das aber ein Fehler. Putin spielt in die Hände, dass in vielen Ländern über eine Verhandlungslösung gesprochen wird. Sie verweist auf die Abkommen von Minsk, die letztlich keinen Frieden gebracht haben. Auch der Architekt des Minsker Christoph Heusgen betont, dass ein Abkommen mit Putins Unterschrift das Papier nicht wert wäre.

Putins versteht nur die Sprache der Stärke  

Putin wird die Schwäche des Westens nutzen. Er wird vergiftete Angebote unterbreiten und den Globalen Süden umgarnen. Die Ukraine hatte schon früh einen Friedensplan vorgelegt mit Punkten, die von der territorialen Integrität bis zur nuklearen Sicherheit reichen. Damit der Realität wird, muss, zweitens, die Ukraine militärisch stark bleiben, muss ihre Sicherheit in Zukunft garantiert werden. Nur dann hört Putin zu. Er versteht allein die Sprache der Stärke – andernfalls wird er ermutigt, seine imperiale Politik fortzusetzen.

Die Situation ist schwierig, aber nicht ausweglos

Die Russen erleiden enorme Verluste. Die Europäer verfügen über die Mittel, um die Ukraine zu unterstützen. „Dieser fürchterliche Krieg, der einer ganzen Generation von Kindern ihre Väter nimmt, wird irgendwann enden. Vermutlich durch Gespräche. Aber erst, wenn Moskau zuhört, weil es zuhören muss.“

Dienstag, 13. Februar 2024

Militärische Lage: Wie geht es in der Ukraine weiter?

In der Süddeutschen Zeitung beschreiben Nicolas Freund und Sebastian Gierke die militärische Lage in Ukraine und gehen der Frage nach, wie es in weitergehen könnte. Die Lage in der Ukraine ist so bedrohlich wie lange nicht mehr.

In vielen Bereichen unterlegen

Die russischen Invasoren setzen ukrainische Streitkräfte mit intensivem Artilleriebeschuss massiv unter Druck. Die russischen Angreifer rücken an verschiedenen Stellen vor
Der Munitionsmangel bei der Artillerie ist aktuell das größte Problem. Offensichtlich verfügen die Russen über deutlich mehr Munition. Besserung ist nicht in Sicht, denn die Amerikaner und Europäer können die versprochenen Granaten nicht liefern. Auch bei der elektronische Kriegsführung ist die russische Armee deutlich überlegen. Ukrainische Raketen und Drohnen werden massiv gestört.
Auch bei der Anzahl sind die Russen überlegen: 500 000 russische Soldaten befinden sich mittlerweile in der Ukraine – mehr als doppelt so viele wie 2022 zur Zeit der Vollinvasion.
Die Verluste der ukrainischen Truppen sind hoch, die Ukraine schafft es kaum, neue Soldaten zu rekrutieren.

Der Plan der Ukraine für 2024

Kiew bereitet sich auf einen langen Defensivkampf vor. Dazu werden Schützen- und Panzergräben ausgehoben, Bunker und Unterstände gebaut, Panzersperren errichtet, Minen verlegt. Das Ziel für 2024 ist es, dem Angreifer möglichst große Verluste zuzufügen – und die eigenen zugleich so gering wie möglich zu halten. Außerdem sollen die besetzten Gebiete befreit werden. Die Aussichten einer erfolgreichen Gegenoffensive hängen neben innenpolitischen Entscheidungen auch von westlichen Verbündeten ab.

Die Szenarien 

Im positiven Szenario bekommt die Ukraine die Probleme in den Griff, d.h. mehr Munition, mehr Soldaten und Fortschritte bei der elektronischen Kriegsführung. In diesem Fall könnte die Ukraine das Vorrücken der Russen verhindern. Bei einer denkbaren Gegenoffensive müssten die sehr tiefen russischen Verteidigungslinien überwinden können.
Im negativen Fall können die Ukraine den Russen kaum mehr standhalten, vor allem wenn die westliche Unterstützung ausbleibt. Im Falle eines Wahlsiegs von Donald Trump könnte dieses Szenario Realität werden. Die russischen Angreifer könnten dann weite Teile der Ukraine – einer möglichen weiteren Fluchtbewegung von Ukrainern inklusive.

Donnerstag, 25. Januar 2024

Der Brexit funktioniert nicht

 Eine Studie kommt zum Ergebnis, dass der Brexit jährliche Kosten von 140 Milliarden Pfund verursacht – die AfD-Chefin halten diese Zahlen nicht davon ab, den Brexit als Erfolg zu bezeichnen.

Der Brexit funktioniert nicht

Die Süddeutsche Zeitung berichtet über eine Studie, die der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan in Auftrag gegeben hat. Demnach hat der Brexit die Wirtschaftsleistung um sechs Prozent geschmälert, was jährlich 140 Milliarden Pfund (163 Milliarden Euro) entspreche. Auch für die Zukunft sieht die Studie eher Nachteile: die Wirtschaft sinkt, die Inflation steigt. Allerdings hält sich die Labour-Partei, der auch der Bürgermeister angehört, weiterhin bedeckt, wie sie sich im Falle eines Wahlsiegs die Beziehungen zur EU vorstellt. Auch für Deutschland ist die Bilanz negativ. Der DIHK nennt den Brexit ein Desaster für beide Seiten, da das Handelsvolumen zurück und die Bürokratie deutlich nach oben gegangen ist-  


AfD-Forderungen Desaster mit Ansagen

Roland Preuß nennt deshalb auch die AfD Wirtschaftspolitik in der Süddeutschen Zeitung ein Desaster mit Ansage. AfD-Chefin Alice Weidel nannte den Brexit goldrichtig und ein Modell für Deutschland. Die AfD will den Austritt nicht sofort, sondern nur wenn die anderen die EU nicht bereits sind, die EU so zurückstutzen wie die AfD es will.

Folgen für Deutschland noch verheerender

Der Autor verweist auf die oben genannte Studie und befürchtet für Deutschland noch gravierende Folge. Für die exportorientierte Wirtschaft wäre es ein schwerer Schlag, die Arbeitslosigkeit würde steigen. Der Dexit würde Grenzkontrollen zurückbringen, Scharen an Zollbeamten und Lkw-Staus an den Grenzen. So was soll "goldrichtig" sein?

Großbritannien auch beim Thema Migration kein Vorbild

Auch beim Thema Migration taugt Großbritannien nicht als Vorbild. Der Brexit hat viele EU-Bürger aus dem Land getrieben, dafür kommen viele aus anderen Ländern. Da Problem der Fachkräfte hat sich verschärft, die leeren Supermarktregale haben die Probleme anschaulich gezeigt.

AfD würde großen Schaden anrichten

Die AfD gibt sich gerne wirtschaftsnah und einige Vorschläge zur Entbürokratisierung kann man mit Recht diskutieren. Die Forderungen der AfD würden aber absehbar großen Schaden anrichten. „Der Brexit ist dafür eine Mahnung - und kein Vorbild.“