Mittwoch, 21. Mai 2025

Fünf Jahre nach dem Brexit: EU und Großbritannien nähern sich wieder an

Michael Neudecker beschreibt und kommentiert in der Süddeutschen Zeitung die Annäherung Großbritanniens an die EU.

EU und Großbritannien nähern sich wieder an

Im Artikel beschreibt Michael Neudecker die wichtigsten Punkte des Abkommens.

Streit um Fische und Würste

Das verhandelte Paket umfasst verschiedene Themen wie Sicherheit und Verteidigung, Zusammenarbeit der Geheimdienste oder einfache Visa für Studenten. Am heftigsten gestritten wurde aber über Fische und Würste. Der Umgang mit Lebensmittelsicherheit und die Kontrollen waren oft ein Ärgernis. Vereinbart wurden nur vereinfachte Kontrollen. Im Gegenzug wurde der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern um 12 Jahre verlängert. Die Fischerei macht gerade mal 0,04 Prozent des britischen Bruttoninlandsprodukt aus, dennoch kritisierte die Opposition diese Einigung als Verrat an britischen Interessen.

Partner und Freunde

In den turbulenten Tory-Jahren ging viel Vertrauen zwischen Brüssel und London verloren. Dies scheint jetzt wieder zu entstehen – auch auf der persönlichen Ebene klappt die Zusammenarbeit. Dies gilt für die Verhandler des Abkommens ebenso wie die Annäherung zur Ukraine. Hier haben Starmer und Macron eine zentrale Rolle eingenommen. Gemeinsam mit Bundeskanzler Merz sind sie erneut in die Ukraine gereist und die gemeinsame Solidarität zu zeigen.

Es gibt Wichtigeres als Streitereien

In einem Kommentar lobt Michael Neudecker die Annäherung über die künftigen Beziehungen. Es gibt jetzt einfach Wichtigeres als Streitereien wie nach dem Brexit.

Erleichterung auf beiden Seiten

Die Verhandlungen erinnerten an den Brexit: Stundenlanges Verhandeln, Ringen um einzelne, kurios anzumutende Punkte, aber am Ende war es geschafft: ein umfassendes Abkommen zwischen Großbritannien und der EU. Dazu beigetragen haben die neue Regierung, die offener und kompromissbereiter ist, aber auch Trump und Putin: Die Annäherung der so lange so heftig streitenden Scheidungsparteien ist auch ein wichtiger Erfolg politischer Diplomatie. 

Zweifel bleiben

Noch weiß niemand, ob die ausgehandelten Details in der Praxis funktionieren. Die britische Opposition aus Tories und Reform UK schimpfen über die vermeintliche Unterwerfung, die sie rückgängig machen wollen, sobald sie an der Macht sind. Es gibt wichtigere Themen, denen sich beide Partner widmen müssen. Neudecker ist aber nicht sicher, ob Starmer an der Annäherung an der EU festzuhält, da er bisher nicht für seinen Mut aufgefallen ist: Der Umgang mit der EU bietet ihm eine gute Möglichkeit, das zu ändern.

Mittwoch, 16. April 2025

Europa: Es ist höchste Zeit für Selbstkritik

Ijoma Mangold kritisiert in der ZEIT  Europa. Es ist höchste Zeit für Selbstkritik und gibt „ein paar freundliche Hinweise, damit Europa in Bewegung kommt“.

Demütigungen von Vance haben einen wahren Kern

Die verbalen Attacken von US-Vizepräsident waren demütigend. Er sei es leid, die Europäer immer herauspauken zu müssen. Für die Autor hat dies einen unangenehmen Nebenumstand: sie haben einen wahren Kern. Wir sind im Zeitalter nackter Wahrheiten – vieles läuft ohne die Europäer. SO kommt Europa in die Gänge: Es formiert sich eine neue Geschlossenheit und Verantwortungsbereitschaft, die Sicherheit aus eigenen Kräften zu garantieren. Mangold warnt aber vor Selbstzufriedenheit und Selbstbegeisterung.

Für einen Platz in der Fünfer-Herrschaft muss Europa besser werden

Der Politologie Herfried Münkler skizierte für die multipolare Ordnung eine Pentarchie – eine Fünferherrschaft. Gesetzt sind USA, China und Indien – ob Russland und Europa dabei sind, ist für noch nicht ausgemacht. Europa muss sich mehr Selbstkritik zumuten. Zu oft wurden Kritiker als ewig gestrige Nationalisten abgetan. Anders als erhofft ist der Euro nicht zur Leitwährung geworden – sowohl beim Bruttoinlandsprodukt als auch beim Umtauschkurs hat Europa gegenüber den USA verloren.

Rückstand bei Bildung und Innovation  

Europa ist – von Ausnahmen abgesehen – auch bei der Spitzenforschung hintendran. Zwar denken amerikanischer Spitzenwissenschaftler durch die Trump-Rabauken ans Auswandern, dauerhaft muss man aber mehr anbieten, als die richtige Gesinnung. Dafür muss man den deutschen Exportschlager des Humboldtschen Bildungsideals als die Einheit von Forschung und Lehre zurück an seinen Ursprungsort holen.

Amerika innoviert, China imitiert und Europa reguliert

Für den Autor ist an der spöttischen Redewendung etwas dran, wonach Amerika innoviert, China imitiert und Europa reguliert. Dies zeigt sich am Beispiel KI: Wir haben zwar die weltbeste KI-Regulierung, nur leider keine KI in nennenswertem Umfang, die wir regulieren könnten! Die Platzhirsche aus dem Silicon Valley wurden zuletzt durch DeepSeek herausgefordert, ein chinesisches KI-Start-up. Da KI extrem energieintensiv ist, müssen auch die Kosten für Strom runter.
Junge Menschen mit unternehmerischer Eigeninitiative gehen auch eher in die USA, weil sie dort weniger Hindernisse sehen - Europa hat ein Braindrain-Problem.

Wertvollste Unternehmen in USA und China

Sieht man vom französischen Luxusgüterkonzern LVMH und SAP ab, gibt es kaum wertvolle Unternehmen in Europa. Die wertvollsten Unternehmen sind auch jung – Spotify wurde zwar in Stockholm gegründet, ging aber in New York an die Börse.
Bei der Produktion von Chips, E-Autos und Batterien geht der Trend in Richtung USA – oder in Aktion ausgedrückt - Wer jetzt Tesla-Aktien verkauft, wird nicht in Volkswagen umschichten, sondern in BYD und Xiaomi.

Schulden allein garantieren kein Wachstum

Die europäischen Staaten und allen voran Deutschland machen Schulden, damit sie sich die Aufrüstung und Investitionen leisten können. Dies ist ein Zeichen von Handlungsfähigkeit, aber auch ein Alarmzeichen, wenn die Politik nur noch durch Schulen handlungsfähig bleibt. Geld muss aber sinnvoll ausgegeben werden, so zweifelt der Autor den wirtschaftlichen Nutzens des Wiederaufbaufonds nach der Corona-Krise

Amerikaner versuchen Ausgaben zu kürzen

Die Amerikaner haben 36 Billionen Schulden und geben mehr für Zinsen aus als für Verteidigung. Auch wenn der aktuelle Versuch wie ein verrücktes Himmelfahrtskommando aussieht, versuchen die USA die Ausgabenseite zu kürzen und Bürokratie abzubauen.

Europäer brauchen mehr Dynamik

Großbritannien ist eines der Länder, die die Ukraine unterstützen. Sie finden zurück zu Europa, das ist aber gerade keine Reintegration in das System Brüssel. Der Autor fordert deshalb: Nutzen wir also dieses historische Momentum, um durch ehrliche Selbstkritik wieder beweglicher zu werden. Wir haben mehr Dynamik sehr nötig.

Donnerstag, 6. März 2025

Kann die EU die Ukraine alleine retten?

Nach dem Ukraines Präsident Selenskyj von Donald Trump rüde abgewiesen wurde, stellt die ZEIT die Frage, ob die EU alleine die Ukraine retten kann. Heinrich Wefing sagt ja, denn wir es nicht versuchen, riskieren wir unsere eigene Sicherheit. Nein sagt Martin Machowecz, wir müssen uns auf unsere eigene Verteidigung konzentrieren.

Wir müssen es versuchen

Heinrich Wefing argumentiert, dass es Deutschland gemeinsam mit seinen Verbündeten in Europa versuchen muss – für die eigene Sicherheit. 

Mehr Menschen und mehr Wirtschaftskraft als Russland

Putins Angriff und Trumps Ausfall haben die Europäer geschockt – und zusammengeschweißt. Sie haben sich auf ein gigantisches Paket geeinigt und versprechen Truppen zu stellen. Europa ist nicht machtlos: 500 Millionen EU-Bürgern stehen 140 Millionen Russen gegenüber. Die Wirtschaftsleistung des Halbkontinents ist fast zehnmal größer als die Russlands.

Unsicherer Erfolg, aber keine andere Option

Der Erfolg ist nicht sicher, aber es gibt keine anderen Optionen: Die Europäer werden nicht alles ersetzen können, vor allem bei der Luftverteidigung. Von den Ukrainern kann man das Improvisieren lernen. Zu Beginn haben sie mit Drohnen aus dem Baumarkt operiert, jetzt haben sie eine der effizientesten Drohnen-Armeen der Welt. Die ukrainischen Truppen erkämpfen uns Zeit, um kriegsfähig zu werden. Wer jetzt die Ukraine preisgibt, kapituliert vor Putin und vor Trump – es wäre ein politisches und moralisches Debakel für Europa. Millionen Menschen würden sich auf den Weg in den Westen machen – und kampferprobte russische Truppen stünden an der Grenze zu Polen.

Deutschland und Europa müssen sich auf ihre eigene Verteidigung konzentrieren.

Martin Machowecz argumentiert, dass Europa ohne die USA nicht retten kann. Wir müssen erst die Bundeswehr und ganz Europa aufrüsten-
Diese Antwort fällt ihm schwer, da er die Ukraine den Russen nicht zum Fraß vorwerfen will. Es muss in erster Linie sein Militär stärken. Die Waffenlieferungen ohne direkte Beteiligung haben geholfen, Russland lange nicht gewinnen zu lassen. Doch ohne die Amerikaner wird es immer schwerer. Die Amerikaner haben mit 64 Milliarden Euro mehr unterstützt als die Europäer zusammen – außerdem drohen sie mit dem Austritt aus der NATO 

Gleichzeitig aufrüsten und Ukraine unterstützen funktioniert nicht 

Für den Autor widersprechen sich zwei Ziele: Einerseits dafür zu sorgen, dass auch in 20 Jahre noch ein liberales Europa existiert, andererseits, der Ukraine maximale Geländegewinne zu ermöglichen.
Sein Vorschlag: Deutschland und Europa rüsten auf, um militärisch stark zu werden. Gleichzeitig sollte schnellstmöglich ein bestmöglicher Friedensschluss für die Ukraine gefunden werden.
Es dauert einige Jahre, die Bundeswehr zu ertüchtigen, dies würde die Russen und die Amerikaner beeindrucken. Die letzten funktionsfähigen Leopard-Panzer in die Ukraine zu bringen könnte die Angst verstärkt, in den Krieg hineingezogen zu werden.
Die Folgerung für den Autor: Sosehr es die Ukraine verdient hätte, es ist zu befürchten: Deutschland und Europa können sie allein nicht retten.
 

Dienstag, 18. Februar 2025

Von der Leyen will den EU-Haushalt radikal umbauen

In der Süddeutschen Zeitung beschreibt Jan Diesteldorf, wie die EU-Kommission den EU-Haushalt radikal umbauen will.

Langwieriger und komplizierter Prozess

Bisher war das das System des EU-Haushalts kompliziert und langwierig. Es ging um Hunderte Milliarden Euro, die sich über sieben Jahre erstrecken, aufgeteilt auf sieben Bereiche, ausgegeben in mehr als 50 Programmen, Fonds und „Instrumenten“. Für den letzten siebenjährigen Finanzrahmen stand 1,1 Billionen Euro zur Verfügung.

„Ein ehrgeiziges Budget, sowohl in Bezug auf die Höhe als auch auf die Ausgestaltung.“

Die Gesamtsumme wird höher liegen – was sparsame Länder wie Deutschand und den Niederlanden nicht gefallen wird. Entscheidend ist aber, dass die Struktur komplett verändert wird. Anstelle der starren Finanztöpfe sollen künftig Pläne für jedes Land treten. Darin enthalten wären dann die Regionalförderung und Agrarsubventionen, die bisher zusammen etwas zwei Drittel der gesamtnen EU-Ausgaben ausmachen.

Neue Finanztöpfe für Wettbewerbsfähigkeit und Außenpolitik

Neben diesen Programmen soll es zwei neue Finanztöpfe geben. Der Fonds für Wettebewerbsfähigkeit soll strategische Sektoren und Technologien umsetzen. Der Bereich Außenpolitik soll neugestaltet werden und auf strategische Interessen ausgereichtet sein. Gemeint sind hier Abkommen mit Drittstaaten, um die Zahl der Migranten zu verringern. Bereits beschlossen hat die EU unter anderem Abkommen mit Tunesien und Jordanien.

Auftakt einer jahrelangen Auseinandersetzung

Das Papier ist erst der Anfang einer jahrelangen Auseinandersetzung. Die Sachlage wird noch komplizierter, da die gemeinsamen Schulen für den Corona-Wiederaufbau abgetragen werden müssen.

Samstag, 25. Januar 2025

Wie die EU auf den neuen US-Präsidenten reagieren sollte

Michael Sauga analysiert im SPIEGEL, wie die Europäische Union mit den Drohung von Präsident Trump umgehen sollte. 

Heftige Drohungen von Trump

Bei seiner Antrittsrede machte Trump deutlich, dass keine Verbündeten kennt, sondern nur Geschäftspartner, die über den Tisch gezogen werden müssen. Schon in der ersten Amtszeit hat er Europa mit Zöllen gedroht und tut dies nun wieder. Die EU betont, dass sie besser vorbereitet sei – mit Gegenzöllen, mehr Verteidigungsausgaben und einer neuen Geschlossenheit. Außerdem gibt es die Geheimwaffe Giorgia Meloni, die EU-freundliche Regierungschefin Italiens, die in der Brüsseler Zentrale genauso gern geherzt wird wie in Mar-a-Lago.

Politische Leerstellen und ökonomische Schwächen

Politisch ist Europa aber gelähmt. Deutschland ist noch lange mit Wahlen und Koalitionsverhandlungen beschäftigt, der französische Präsident Macron hat keine Mehrheit mehr. Europas Rechtspopulisten dürften bald in weiteren Ländern die Politik mitbestimmen. Neben den politischen Leerstellen kommen ökonomische Schwächen: Die Konjunktur lahmt, bei Handel und Gas ist Europa zunehmend von den USA abhängig – Trump hat das bessere Erpressungspotenzial.

Europa huldigt dem Status quo – und sich nicht einig

Die Europäer huldigen aber dem Status Quo und träumen von europäischer Souveränität. Während Frankreich darunter einen Aufbau eine Rüstungsfonds für den Kauf europäischer bzw. französischer Panzer versteht, wollen die Deutschen mit nationalen Mitteln amerikanische Waffen erwarben, um Trump zu besänftigen. Auch in der Wirtschaftspolitik gehen die Interpretationen auseinander. Frankreich will Nahrungsmittel aus EU-Produktion, Deutschland sucht Souveränität durch neue Handelspartner.

Deutsch-französische Achse reparieren

Europa muss wirtschaftlich und politisch Muskeln aufbauen. Als erster Schritt muss die deutsch-französischen Achse reparieren. Frankreich muss einsehen, dass ein rohstoffarmer Kontinent keine Autarkie anstreben kann, die nächste Regierung muss einen umfassenden Kompromiss mit Frankreich suchen: in der Handels- wie in der Energiepolitik, bei der Verteidigung wie im Finanzstreit.

Nicht alle Maßnahmen kosten viel Geld

Mario Draghi hat aufgeschrieben, was Europa braucht. Eine bessere Integration der Kapitalmärkte oder der Abbau von Bürokratie kostet nicht einem Geld. Dennoch wird es ohne zusätzliche Finanzmittel nicht gehen. Wichtig ist, dass schnell gehandelt wird – und es einen Deal zwischen Deutschland und Frankreich gibt. „Europa sei stets in Krisen gewachsen, heißt es in Brüssel. Wenn das stimmt, dann wird es dafür höchste Zeit.“