Freitag, 23. April 2021

Ferdinand von Schirachs Vorschläge für neue Grundrechte

Ferdinand von Schirach ist bekannt für eine ganze Reihe spannender Bücher und Filme. Nun hat er mit dem recht kurzen Buch „Jeder Mensch“ für Aufmerksamkeit gesorgt.
Er schlägt sechs neue Grundrechte vor, die von einem Verfassungskonvent der EU beschlossen werden sollen.

Neue Grundrechte in Europa

Auf der Seite „Neue Grundrechte in Europa“ werden die Gründe vorgestellt.  
Die Politik scheint mit sechs der größten Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr zurecht zu kommen: Umweltzerstörung, Digitalisierung, Macht der Algorithmen, systematische Lügen in der Politik, ungehemmte Globalisierung und Bedrohungen für den Rechtsstaat.
Nötig sind deshalb sechs neue Grundreche:

  • Artikel 1 – Umwelt: Jeder Mensch hat das Recht, in einer gesunden und geschützten Umwelt zu leben.
  • Artikel 2 – Digitale Selbstbestimmung: Jeder Mensch hat das Recht auf digitale Selbstbestimmung. Die Ausforschung oder Manipulation von Menschen ist verboten.
  • Artikel 3 – Künstliche Intelligenz: Jeder Mensch hat das Recht, dass ihn belastende Algorithmen transparent, überprüfbar und fair sind. Wesentliche Entscheidungen muss ein Mensch treffen.
  • Artikel 4 – Wahrheit: Jeder Mensch hat das Recht, dass Äußerungen von Amtsträgern der Wahrheit entsprechen.
  • Artikel 5 – Globalisierung: Jeder Mensch hat das Recht, dass ihm nur solche Waren und Dienstleistungen angeboten werden, die unter Wahrung der universellen Menschenrechte hergestellt und erbracht werden.
  • Artikel 6 – Grundrechtsklage: Jeder Mensch kann wegen systematischer Verletzungen dieser Charta Grundrechtsklage vor den Europäischen Gerichten erheben.

Jeder Mensch braucht kein Mensch

Natürlich gibt es auch Kritik, manchen fordern weitere Rechte, andere lehnen das ganze Projekt ab. Stellvertretend für diese Autoren stelle ich Thomas Fischer vor, der in seiner SPIEGEL-Kolumne "Jeder Mensch braucht kein Mensch" von Schierachs Vorgehen hart kritisiert.
Er attestiert ihm gute Absichten und Motive, zweifelt an der Umsetzung. Er verweist auf die bereits bestehende Grundrechtecharte, in der manche Rechte bereits erwähnt werden. Außerdem ist die Umsetzung schwierig bzw. unmöglich wie er an einigen Beispielen deutlich macht:
Beispiel Art. 4: „Äußerungen von Amtsträgern müssen »der Wahrheit entsprechen: „So einfach ist es mit der Wahrheit und den Amtsträgern nicht – leicht vorstellbar, dass es täglich zu hunderten Klagen gegen Unwahrheiten kommt. Auch bei den anderen Rechten erscheint die ernsthafte Umsetzung schwierig: Was bedeutet „gesunde“ und „geschützte“ Umwelt?

Fazit

Die Debatte über die von Ferdinand von Schierach genannten Grundrechte ist notwendig. Die beschriebenen Probleme sind real und die Forderungen nachvollziehbar und berechtig. Die Frage ist aber in der Tat, ob diese in Form einer Veränderung der Grundrechte geschehen sollte oder nicht viel mehr unseren Alltag bestimmen sollte: mehr für die Umwelt, mehr für die Wahrheit  
Und mehr für eine faire Globalisierung zu tun.