Montag, 24. September 2018

10 Jahre Finanzkrise - Gier frisst Hirn

Zum zehnten Jahrestag der Pleite von Lehman Brothers und dem Beginn der Finanzkrise gab es so viele interessante Artikel, Kommentare und Filme, sodass ich darüber in zwei Blogs darüber berichten möchte. Heute geht es um die Süddeutsche, die Heute Show und einen interessanten Film in der ARD, in der auch mal die Opfer zu Wort kommen.

Für die nächste Krise ist nicht vorgesorgt

Dies ist der zentrale Satz des Kommentars „Die Politik muss bei der Bankenrettung ehrlich sein“ von Claus Hulverscheidt in der Süddeutschen Zeitung

Er kritisiert den Begriff Bankenrettung: Gerettet wurde jener Umverteilungsmechanismus aus Einlagenverwaltung und Kreditvergabe, der den Kern des Bankgeschäfts ausmacht und ohne den keine große Volkswirtschaft der Welt funktionieren kann. Gerettet wurden jedoch auch und vor allem die Kunden, deren Sparguthaben sich ganz oder teilweise in Luft aufgelöst hätten, hätte der Staat ein Institut nach dem anderen in die Pleite geschickt.

Hulverscheidts Kritik: Die Politik hat nicht genug getan: Zwar sind die großen Geldhäuser der Welt heute mit viel mehr Kapital ausgestattet als 2008, allerdings um den Preis, dass Teile ihres Geschäfts - und zwar die gefährlicheren - in die unregulierte Welt der Schattenbanken abwanderten. Man kann fast darauf wetten, dass die nächste Krise hier ihren Ursprung haben wird. Auch fehlen bis heute eine Finanztransaktionssteuer, ein Verbot des Hochfrequenzhandels und eine effiziente Begrenzung von Managergehältern. Vor allem aber mangelt es weiter an Offenheit: Warum etwa gibt es immer noch keine einfache Webseite, auf der die Krisenkosten aufgeschlüsselt und begründet werden?

Jede Familie zahlt 3000 Euro für die Finanzkrise

Hulverscheidt beklagt auch, dass Zahlen erst auf eine Anfrage eines Abgeordneten publik wurden. Und die haben es in sich: Die Finanzkrise wird die deutschen Steuerzahler wohl mehr als 68 Milliarden Euro kosten – jede Familie zahlt 3000 Euro für die Finanzkrise.
Cerstin Gammelin kritisiert in ihrem Artikel darüber hinaus, dass die Folgen der Krise auch nach zehn Jahren noch nicht bewältigt sind. Bund, Länder und Kommunen sind weiter damit beschäftigt, heimische Banken zu stützen.

Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem Nichts losbrechen

Düster auch die Analyse von Ulrich Schäfer in der Süddeutschen Zeitung: Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem nichts losbrechen.

Schäfer wendet sich gegen die Kritik an der EZB und deren Chef Mario Draghi, der von vielen verantwortlich gemacht wird., sondern benennt als die wirkliche Schuldige: gierigen Spekulanten, trickreichen Investmentbankern und skrupellosen Händlern. Seiner Meinung nach wird hier der Gärtner zum Bock gemacht, denn die EZB hat mit ihrer Geldpolitik ja verhindert, dass die Staatsschuldenkrise in Europa ins Fiasko führte.

Mittellosen US-Bürgern wurden Ramschkredite aufgedrängt

Er sieht die Ursache vor allem in privaten Banken und Kredithaien, die mittellosen US-Bürgern ihre Ramschkredite aufdrängten. Investmentbanker schnürten die Kredite anschließend zu hochriskanten Wertpapieren und verschoben sie, versehen mit viel zu hohen Noten privater Ratingagenturen, rund um den Globus - ein Hütchenspiel, das ins Verderben führte. Auch den Vorwurf an die Aufsichtsbehörden lässt er nicht gelten, schließlich hat die Finanzlobby seit den späten 1980er-Jahren darauf gedrungen, die Kapitalmärkte zu deregulieren - die Politik ließ sich von diesem marktradikalen Denken infizieren.

Schattenbanken, Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften als Verursacher

Gefahren sieht er in den bis heute mächtige Schattenbanken, die ähnlich wie Geldhäuser agieren, aber viel schwächer überwacht werden; dazu zählen Hedgefonds ebenso wie Private-Equity-Gesellschaften. Sie verwalten etwa 34 Billionen Dollar - das entspricht der Hälfte dessen, was die Menschheit alljährlich erwirtschaftet. Zudem gibt es nach wie vor Abertausende Briefkastenfirmen, mit deren Hilfe die Finanzindustrie ihre Geschäfte abwickelt, sie sitzen in Steueroasen in der Karibik ebenso wie in Europa. Diese sogenannten Zweckgesellschaften haben meist nur einen Zweck: Sie sollen das Kapital strengerer staatlicher Kontrolle entziehen.

Die globale Ökonomie bleibt labil und krisenanfällig

Solange die Weltgemeinschaft es weiterhin zulässt, dass die Finanzindustrie ihre Geschäfte in solch trübe Gewässer leitet, besteht die Gefahr, dass scheinbar aus dem Nichts die nächste Finanzkrise losbricht. … Die globale Ökonomie ist und bleibt, trotz aller Maßnahmen, die Politiker ergriffen haben, labil und krisenanfällig.

Heute Show: Gier Royal 

Die Heute Show bietet nicht nur gute Satire, sondern auch gut recherchierte Informationen. In der Reihe „What the Fakt!?“ geht es um Gier Royal – 10 Jahre nach der Finanzkrise.
Sie verweisen auf einige interessante Quellen:
So eine Chronik der Ereignisse, eine Dokumentation im ZDF und einen Bericht über die wahren Lehman-Opfer – nämlich die deutschen Sparer, die von wertlosen Zertifikaten nun unter der Nullzinspolitik landen.
Auch die Sendung war wieder mal sehenswert.

Donald Trump als Mephisto der Finanzkrise

Der Wirtschaftshistoriker Harold James zieht eine direkte Linie von der Lehman-Pleite im Jahr 2008 bis zum Aufstieg des Populismus im Westen.
In einem Interview sagt James: Die einzige Möglichkeit, Trump zu verstehen, ist ihn als eine Art Antwort auf das Fallout der Krise von 2007/2008 zu sehen. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass die Politik, mit der Trump verbunden wird, irgendetwas Positives hinterlassen wird. Auf der anderen Seite hat Trump das System aufgemischt. Manchmal kommt er mir vor wie eine Art Mephistopheles. 

Gier frisst Herz

Zum Schluss noch ein Hinweis auf eine interessante Dokumentation über die Lehman-Pleite, die gestern in der ARD gesendet wurde. Das große Dokudrama zeichnet den Countdown bis zur Finanzkrise im Jahr 2008 nach. Ergänzt werden die Spielszenen durch radikal offene Interviews mit Zeitzeugen, geschädigten Bankkunden und Verantwortlichen für den Crash. Treffender Titel: Gier frisst Herz