Mittwoch, 16. April 2025

Europa: Es ist höchste Zeit für Selbstkritik

Ijoma Mangold kritisiert in der ZEIT  Europa. Es ist höchste Zeit für Selbstkritik und gibt „ein paar freundliche Hinweise, damit Europa in Bewegung kommt“.

Demütigungen von Vance haben einen wahren Kern

Die verbalen Attacken von US-Vizepräsident waren demütigend. Er sei es leid, die Europäer immer herauspauken zu müssen. Für die Autor hat dies einen unangenehmen Nebenumstand: sie haben einen wahren Kern. Wir sind im Zeitalter nackter Wahrheiten – vieles läuft ohne die Europäer. SO kommt Europa in die Gänge: Es formiert sich eine neue Geschlossenheit und Verantwortungsbereitschaft, die Sicherheit aus eigenen Kräften zu garantieren. Mangold warnt aber vor Selbstzufriedenheit und Selbstbegeisterung.

Für einen Platz in der Fünfer-Herrschaft muss Europa besser werden

Der Politologie Herfried Münkler skizierte für die multipolare Ordnung eine Pentarchie – eine Fünferherrschaft. Gesetzt sind USA, China und Indien – ob Russland und Europa dabei sind, ist für noch nicht ausgemacht. Europa muss sich mehr Selbstkritik zumuten. Zu oft wurden Kritiker als ewig gestrige Nationalisten abgetan. Anders als erhofft ist der Euro nicht zur Leitwährung geworden – sowohl beim Bruttoinlandsprodukt als auch beim Umtauschkurs hat Europa gegenüber den USA verloren.

Rückstand bei Bildung und Innovation  

Europa ist – von Ausnahmen abgesehen – auch bei der Spitzenforschung hintendran. Zwar denken amerikanischer Spitzenwissenschaftler durch die Trump-Rabauken ans Auswandern, dauerhaft muss man aber mehr anbieten, als die richtige Gesinnung. Dafür muss man den deutschen Exportschlager des Humboldtschen Bildungsideals als die Einheit von Forschung und Lehre zurück an seinen Ursprungsort holen.

Amerika innoviert, China imitiert und Europa reguliert

Für den Autor ist an der spöttischen Redewendung etwas dran, wonach Amerika innoviert, China imitiert und Europa reguliert. Dies zeigt sich am Beispiel KI: Wir haben zwar die weltbeste KI-Regulierung, nur leider keine KI in nennenswertem Umfang, die wir regulieren könnten! Die Platzhirsche aus dem Silicon Valley wurden zuletzt durch DeepSeek herausgefordert, ein chinesisches KI-Start-up. Da KI extrem energieintensiv ist, müssen auch die Kosten für Strom runter.
Junge Menschen mit unternehmerischer Eigeninitiative gehen auch eher in die USA, weil sie dort weniger Hindernisse sehen - Europa hat ein Braindrain-Problem.

Wertvollste Unternehmen in USA und China

Sieht man vom französischen Luxusgüterkonzern LVMH und SAP ab, gibt es kaum wertvolle Unternehmen in Europa. Die wertvollsten Unternehmen sind auch jung – Spotify wurde zwar in Stockholm gegründet, ging aber in New York an die Börse.
Bei der Produktion von Chips, E-Autos und Batterien geht der Trend in Richtung USA – oder in Aktion ausgedrückt - Wer jetzt Tesla-Aktien verkauft, wird nicht in Volkswagen umschichten, sondern in BYD und Xiaomi.

Schulden allein garantieren kein Wachstum

Die europäischen Staaten und allen voran Deutschland machen Schulden, damit sie sich die Aufrüstung und Investitionen leisten können. Dies ist ein Zeichen von Handlungsfähigkeit, aber auch ein Alarmzeichen, wenn die Politik nur noch durch Schulen handlungsfähig bleibt. Geld muss aber sinnvoll ausgegeben werden, so zweifelt der Autor den wirtschaftlichen Nutzens des Wiederaufbaufonds nach der Corona-Krise

Amerikaner versuchen Ausgaben zu kürzen

Die Amerikaner haben 36 Billionen Schulden und geben mehr für Zinsen aus als für Verteidigung. Auch wenn der aktuelle Versuch wie ein verrücktes Himmelfahrtskommando aussieht, versuchen die USA die Ausgabenseite zu kürzen und Bürokratie abzubauen.

Europäer brauchen mehr Dynamik

Großbritannien ist eines der Länder, die die Ukraine unterstützen. Sie finden zurück zu Europa, das ist aber gerade keine Reintegration in das System Brüssel. Der Autor fordert deshalb: Nutzen wir also dieses historische Momentum, um durch ehrliche Selbstkritik wieder beweglicher zu werden. Wir haben mehr Dynamik sehr nötig.