Mittwoch, 17. Juli 2024

Wahl in Frankreich: Macron erntet, was er sät

Stefan Kornelius kommentiert in der Süddeutschen Zeitung das Ergebnis der Parlamentswahlen: Sein Neuwahl-Kalkül hat die Parteienlandschaft durchgeschüttelt – Frankreich wird sich dahinschleppen.

Gemischte Bilanz nach den Wahlen

Ein Teil des Zieles hat Macron erreicht. Nach dem 2. Wahlgang wurden die Rechtsradikalen erstaunlich klein gehalten, der zweite Teil der Rechnung ging nicht auf. Sein Mitte-Bündnis hat deutlich verloren, das Regierungsgeschäft wird nicht einfacher. Macron blies zur Wahl, um nicht als Getriebener zu erscheinen – die Ernte eingefahren hat aber die Linke. Diese schlossen sich überraschend schnell zu einem Bündnis zusammen.

Eine Ohrfeige für den Rassemblement National – und Macron

Le Pens Rassemblement National wurde im zweiten Wahlgang von der Nation mit einer Ohrfeige bedacht. Die neue Verteilung lautet: viel ultrarechts, viel links und immer weniger dazwischen. So wird Politik zum Geschäft des Stillstands. Die Wahl richtete aber sich auch gegen Macron. Es zeigen Sich die Konstruktionsfehler der Fünften Republik, das dem Parlament zu wenig Macht und dem Zusammenspiel der beiden Pole zu wenig Aufmerksamkeit schenkt.

Es fehlen die verlässlichen ideologischen Lager

Es fehlen Führungsfiguren, die aus verlässlichen Lagern kommen. Die Wahl brachte ein taktisches Bündnis für den republikanischen Konsens, aber keine Verabredung über einen Regierungskonsens. Die Suche wird Monate dauern, die Linke werden sich erst mal selber zerlegen. Der Autor zweifelt, ob des dann eine Koalition der Mitte gibt: Den Franzosen ist diese Methode des Interessenausgleichs nicht in die politische Wiege gelegt.


Mittwoch, 10. Juli 2024

Labour-Wahlsieg: Die Clownshow ist vorbei

Steffen Lüdke kommentiert im SPIEGEL den Labour Wahlsieg „Die Clownshow ist vorbei – Keir Starmer erlöst die Briten“

Die Konservativen wurden abgestraft

Nach 14 Jahren wurden die Konservativen abgestraft. Die Sparpolitik zehrte das Land aus, es folgten der Brexit, Boris Johnsons Lügen und das fatale Steuerexperiment von Liz Truss. Keir Starmer steht für das, was der britischen Politik in letzter Zeit abging: ein Mindestmaß an Seriosität. Die Clownshow ist vorbei.

Vier Gründe für Labours Erdrutschsieg 

Der Autor nennt vier Gründe für den Erdrutschsieg. 

1. Labour hat in Schottland gewonnen

In Schottland dominierte jahrelang die Schottische Nationalpartei. Durch viele Skandale verlor die Partei und Ansätzen und Labour nutze die Chance. Labour gewann viele Sitze, mit denen vor ein paar Jahren noch niemand rechnen konnte.

2. Starmer hat die Mitte erobert

Starmer hat sich als Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Jeremy Corbyn präsentiert und Labour in die Mitte gerückt. Starmer gewann rund 34 Prozent der Stimmen, weniger als Corbyn bei seiner Niederlage 2017. Er holte aber weitaus mehr Sitze, darunter auch viele in der »Red Wall«, traditionelle Labour-Hochburgen in den Midlands und im Norden Englands, die Corbyn verloren hatte. Labours Wählerschaft ist nun diverser, ein breites und fragiles Bündnis trug Starmer zum Sieg.

3. Die Linken wählten taktisch, die Rechten nicht

Die Liberaldemokraten holten mehr als 70 Site. Zu verdanken hat er dies den Wählen, die die Tories unbedingt abwählen wollten. Sie stimmten taktisch ab - mancherorts wählten sie Labour, mancherorts die Lib Dems, eine ehemals kleine Mitte-links-Partei, die nun drittgrößte Formation im Parlament ist.
14 Prozent stimmten für die Reform Partei von Nigel Farage, einen Putin-Fan, der Kandidaten aufstellte, die zum Teil offen rassistisch auftraten. Nur dank des britischen Wahlsystems resultierte das in lediglich vier Abgeordneten, einer davon ist Farage selbst  Diese Stimmen verschlimmerten die Niederlage der Tories. Einige wollen nun noch weiter nach rechts rücken. „Dabei verloren sie vor allem, weil sie als inkompetent und verlogen gelten.“

4. Starmer hat die Tories einfach machen lassen

Keir Starmer setze wie der englische Nationaltrainer Gareth Southgate darauf, Fehler zu vermeiden. Die Wahlkampf der Tories war ein Fehltrittfestival. Zum Schluss warnten sie einfach vor einer großen Labour-Mehrheit. Am Ende half nicht mal das.