Marktdisziplin und Risikoteilung unter einem Hut
Bereits im Januar haben 14 deutsche und französische Ökonomen ein Reformpaket vorgeschlagen. Diesen gehören auch Marcel Fratzscher (Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung) und Clemens Fuest (Präsident des ifo-Instituts) an, die sich sonst nicht immer einig sind. Sie eint der Wunsch den Euroraum robuster und krisenresistenter zu machen, für solide Staatsfinanzen zu sorgen und mehr Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Wichtige Basis der Vorschläge für die 6 Bereiche: Frankreich und Deutschland müssen aufeinander zugehen.
- Bankenunion und Kapitalmarktunion vervollständigen, unter anderem durch die Einführung des lang diskutierten gemeinsamen Einlagesicherungsmechanismus
- Eine neue Ausgabenregel anstelle des Maastricht-Defizitkriteriums. Statt der starren 3%-Regel solle es einfach Ausgaberegeln geben, die von unabhängigen Institutionen festgelegt und überprüft werden
- Grundlage für eine geordnete Schuldenrestrukturierung für Länder, deren Solvenz nicht durch Hilfskredite mit Auflagen wiederhergestellt werden kann
- Neuer gemeinsamer Fonds zur Unterstützung einzelner Länder bei großen wirtschaftlichen Krisen. Mitgliedsländer zahlen in den Fonds ein, wobei für wirtschaftliche Verwerfungen besonders anfällige Länder überproportional beitragen
- Neues Euro-Anlageprodukt als Alternative zu Staatsanleihen - ausdrücklich kein Euro-Bonds
- Reform der Institutionen: Präsident der Eurogruppe an die Kommission anbinden
Bewertung
Der Vorschlag ist ein Kompromiss, er enthält einige Vorschläge, die bereits in der Diskussion sind bzw. dort hingehören, so z.B. die Forderung nach Einbindung des Präsidenten der Eurogruppe, der im Moment ohne klare parlamentarische Kontrolle wichtige Funktionen wahrnimmt.Auch den Vorschlag anstelle der starren und willkürlichen 3 %-Regel eine neue Ausgaberegeln mit unabhängiger Kontrolle zu haben, finde ich interessant.
Ein Haushalt für die Euro-Zone
In der Süddeutschen Zeitung ist ein Reformaufruf erschienen, den 14 europäische Ökonomen und Politiker unterzeichnet haben, darunter auch der grüne Finanzexperte Gerhard Schick. Der Aufruf ist als Antwort auf einen Vorschlag der deutsch-französischen Gruppe zu verstehen.Institutionelle und politische Fragen in den Mittelpunkt
Statt rein ökonomischer Lösungsvorschläge sollten institutionelle und politische Fragen im Mittelpunkt der Reformdebatte stehenZu einem neuen politischen Ansatz müsste ein echtes europäisches Exekutivorgan gehören. Dieses würde Wirtschaftspolitik sachkundig und politisch eigenständig betreiben, gleichzeitig aber gegenüber einem parlamentarischen Gremium der Euro-Zone demokratisch rechenschaftspflichtig sein.
- Haushalt das Finanzsystem glaubwürdig absichern: Abwicklungsfonds und eine gemeinsame Einlagensicherung
- Stärkere makroökonomische Stabilisierung ermöglichen, beispielsweise durch eine Arbeitslosenversicherung kleineren Umfangs auf Ebene der Euro-Zone
- Ein Euro-Zonen-Haushalt, der im Unterschied zum EU-Haushalt die Befugnis hat, Steuern zu erheben, Ausgaben zu beschließen und Schuldtitel zu emittieren.
- Durch eine neuartige Kohäsions- und Konvergenzpolitik soll der Euro-Zonen-Haushalt Länder unterstützen, die mit strukturellen Problemen der Wettbewerbsfähigkeit und institutionellen Herausforderungen zu kämpfen haben.
- Ein Investitionsprogramm für Verteidigung, Innovation und Umwelt soll die gesamtwirtschaftliche Leistung der Euro-Zone verbessert werden
Bewertung
Anders als der Titel „Ein Haushalt für die Euro-Zone“ suggeriert, geht der Vorschlag über den auch von anderen Experten geforderten Haushalt und enthält Vorschläge, die Kritikern die Zornesröte ins Gesicht treibt. Die Vorschläge einer gemeinsamen Einlagensicherung und auch einer „kleinen“ europäischen Arbeitslosenversicherung wurden bereits von anderen Experten vorgeschlagen und dienen ja vor allem dazu, nicht genutzt zu werden. Auch dem Investitionsprogramm kann ich einiges abgewinnen, auch wenn Verteidigung an erster Stelle steht.Bleibt die Frage nach der Höhe: Ein weiteres Prozent würde faktisch eine Verdopplung der nationalen Beiträge für die EU bedeuten. Andererseits: nicht erst seit Trump werden 2 % des BIP von vielen als selbstverständlichen Beitrag für Verteidigung angesehen, wäre Europa das nicht auch wert? Dennoch dürften wohl die meisten der Vorschläge auf absehbare Zeit keine Realisierungschance haben.