Dienstag, 25. Juni 2024

Wo steht Europa nach der Wahl?

Das Ergebnis der Wahlen war bereits Thema einiger Seminare und bleibt auch in meinem überarbeiteten Seminarprogramm zu Europa ein wichtiges Thema. Die Bundeszentrale für politische Bildung fasst in einem Dossier einige der Reaktionen auf die Wahl zusammen.

Rechtsruck im Parlament

Bei den Wahlen haben die konservative EVP und die beiden rechten Fraktionen EKR und ID deutlich gewonnen. Liberale und Grüne haben deutlich verloren. Dieses Ergebnis ist vor allem durch die großen Länder geprägt, deshalb warnen einige Beobachter auch vor, die Ergebnisse überzubewerten. In einigen Ländern gab es gar kein Rechtsruck statt (Skandinavien) oder verschoben sich innerhalb des rechten Lagers (Italien) Außerdem haben die Parteien der Mitte weiterhin eine klare Mehrheit.

Europäische Achse Berlin-Paris geschwächt?

Größer ist die Furcht vor einer dauerhaften Schwächung der deutsch-französischen Achse. Sowohl Scholz als auch Macron haben deutliche Niederlagen eingefahren. El Pais kommentiert. „Für den deutsch-französischen Motor gibt es keinen Ersatz. Wenn Paris oder Berlin in die Hände von Regierungen fallen, die gegen die europäische Integration sind, wird die EU gelähmt oder tödlich verwundet.“

Was bedeutet das Ergebnis für die Klimapolitik?

Rückschritte sehen die Beobachter für die Klima- und Energiepolitik. Die Volkspartei hatte bereits vor der Wahl Zweifel am Green Deal geäußert und einzelne Maßnahmen abgelehnt, durch die Schwächung der Grünen könnte das Thema an Bedeutung verlieren.

Auswirkungen für die Außenpolitik gegenüber der Ukraine?

Den Erfolg radikaler Parteien hat den Kreml gefreut, dennoch erwarten die Beobachter keine großen Verschiebungen, da die wichtigsten Entscheidungen ohnehin nicht vom Parlament getroffen werden:
„Die pro-ukrainische Mehrheit hat sich zwar im Wesentlichen gehalten, aber der Vormarsch der extremen Rechten hat in Russland einen Zustand der Euphorie ausgelöst.“

Folgen der Wahl für die politische Situation in einzelnen Ländern

In manchen EU-Staaten hat die Europawahl die Lage deutllich. In Deutschland verloren die Regierungsparteien dramatisch, AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht gewannen deutlich hinzu. Auffällig dabei die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland und das Wahlergebnis der Erstwähler*innen. Einen interessanten Kommentar von Sascha Lobo finden Sie hier.
In Frankreich löste Macron das Parlament auf – ein weiterer Rechtsruck könnte die Folge sein.
In Italien gewann die Partei von Regierungschefin Meloni deutlich – die Verluste ihres Koalitionspartners Salvini waren aber noch höher. In Polen gewann die europafreundliche Partei von Donald Tusk den Stimmungstest. In Österreich wurden die Freiheitlichen stärkste Partei, im Herbst wird sich zeigen, ob sie auch bei nationalen Wahlen den Erfolg wiederholen könnte.

Wahlen

Darüber hinaus wird eine Wahl außerhalb Europas die Politik auf der ganzen Welt stark prägen – die Präsidentschafts- und Kongresswahlen in den USA. Auch zu diesem wichtigen Thema biete ich Seminare an – sowohl im Bereich Internationale Politik als auch Demokratie und Wahlen.

Mittwoch, 22. Mai 2024

Der Ruanda-Pakt ist zynisch

Michael Neudecker kritisiert in der Süddeutschen Zeitung den Ruanda-Pakt in Großbritannien. In einem weiteren Artikel beschreibt er den langen Weg zum Gesetz.

Der Ruanda-Pakt – 2,1 Millionen Euro pro Flüchtling

Das Gesetz erklärt Ruanda zu einem sicheren Drittstaat und schränkt dabei das Klagerecht ein
Der Fünf-Jahres-Vertrag mit Ruanda kostet die britische Regierung 370 Millionen Pfund. Die Kontrollstelle für Regierungsausgaben hat ausgerechnet, dass für jeden er ersten 300 Flüchtlinge 1,8 Millionen Pfund fällig, fast 2,1 Millionen Euro. fällig werden.

Der Pakt als Wahlkampfvehikel

Die britische Regierung investiert absurd viel Zeit und Geld für ein Vorhaben, dessen Erfolg höchst zweifelhaft ist. Es ist vor allem ein Mittel im Wahlkampf. Sunak hat das Gesetz durchs Parlament gebracht, die Probleme wird es kaum lösen. Selbst wenn ein paar Hundert Flüchtlinge nach Ruanda ausgeflogen werden, bleibt der Rückstand bei der Bearbeitung der Anträge und die Lagern in Frankreich. Flüchtlinge werden weiter versuchen, nach Großbritannien zu kommen – ein Land, dessen Sprache sie verstehen – und das kein Meldewesen hat

Sunak geht es nur um kurzfristige Erfolge

Labour hatte 2006 ein System mit Personalausweis eingeführt – David Cameron schaffte sie wieder ab. Sunak lässt sich den Slogan "Stop the boats" aufs Rednerpult schreien, um kurzfristige Erfolge zu erzielen. Glaubt man den Meinungsumfragen, wird ihm das nicht gelingen

Mittwoch, 17. April 2024

EU-Asylrecht: Europa tut, was getan werden muss

Josef Kelnberger bezeichnet in der Süddeutschen Zeitung  das neue EU-Asylrecht als bitter, aber auch notwendig.

Mit der Asylreform will die EU vor den Wahlen demonstrieren: Wir haben einen Plan. Ist er ein großer Wurf oder schlicht unmenschlich? Vor allem ist er bitter nötig.

Ein fürchterlicher und notwendiger Tag für die Europäische Union

Es ist einerseits ein fürchterlicher Tag: Familien mit Kindern werden unter haftähnlichen Bedingungen in Lager gesperrt. Rechte von geflüchteten Menschen werden beschnitten – Die EU baut „eine Mauer der Herzlosigkeit um den Kontinent.“
Anderseits ist ein großartiger Tag, denn nach vielen Jahren hat es endlich ein gemeinsames Instrumentarium. Das gemeinsame Ziel: die Zahl der in Europa ankommenden Flüchtlinge senken, ohne das Asylrecht zu schleifen. Es ist somit ein Zeichen der Stärke

Ein Tribut an den rechten Zeitgeist

Beide Positionen hält der Autor für legitim. Er fragt nach den Alternativen: Die Frage der Migration ist für viele Menschen wahlentscheidend, ein Scheitern hätte ein düsteres Bild gezeigt.
Die EU zeigt ihr Funktionstüchtigkeit und zeigt, dass sie ein Plan hat: Mit den Lagern an den Außengrenzen will man verhindern, dass Geflüchtete, die absehbar keine Chance auf Asyl haben, in die EU gelangen. Italien und Griechenland sollen unterstützt werden, nicht erreicht wurde eine faire Verteilung. Insgesamt ist die Reform ein Tribut an den rechten Zeitgeist.

Es wird nicht humaner

Die Diskussion ist nicht beendet, es wird aber kaum humaner. Es lohnt sich, bei der Ausgestaltung mitzuarbeiten. Es wird mindestens zwei Jahre dauern, bis der Gesetzestext mit Leben gefüllt, die Lager gebaut und die Abkommen geschlossen sind. Es wird als weitere Diskussionen geben, aber klar ist für den Autor: Es werden keine humaneren Modelle sein als jenes, das am Mittwoch beschlossen wurde.

Freitag, 22. März 2024

Verlängern Verhandlungen den Krieg in der Ukraine?

Alice Bota wendet sich in der ZEIT gegen Verhandlungen - diese würden den Krieg momentan nur verlängern. 

Verhandlungen wären falsch - im Moment

Die Autorin ist überzeugt – irgendwann wird der Krieg gegen die Ukraine mit Verhandlungen enden – im Moment wäre das aber ein Fehler. Putin spielt in die Hände, dass in vielen Ländern über eine Verhandlungslösung gesprochen wird. Sie verweist auf die Abkommen von Minsk, die letztlich keinen Frieden gebracht haben. Auch der Architekt des Minsker Christoph Heusgen betont, dass ein Abkommen mit Putins Unterschrift das Papier nicht wert wäre..

Putins versteht nur die Sprache der Stärke  

Putin wird die Schwäche des Westens nutzen. Er wird vergiftete Angebote unterbreiten und den Globalen Süden umgarnen. Die Ukraine hatte schon früh einen Friedensplan vorgelegt mit Punkten, die von der territorialen Integrität bis zur nuklearen Sicherheit reichen. Damit der Realität wird, muss, zweitens, die Ukraine militärisch stark bleiben, muss ihre Sicherheit in Zukunft garantiert werden. Nur dann hört Putin zu. Er versteht allein die Sprache der Stärke – andernfalls wird er ermutigt, seine imperiale Politik fortzusetzen.

Die Situation ist schwierig, aber nicht ausweglos

Die Russen erleiden enorme Verluste. Die Europäer verfügen über die Mittel, um die Ukraine zu unterstützen. „Dieser fürchterliche Krieg, der einer ganzen Generation von Kindern ihre Väter nimmt, wird irgendwann enden. Vermutlich durch Gespräche. Aber erst, wenn Moskau zuhört, weil es zuhören muss.“

Dienstag, 13. Februar 2024

Militärische Lage: Wie geht es in der Ukraine weiter?

In der Süddeutschen Zeitung beschreiben Nicolas Freund und Sebastian Gierke die militärische Lage in Ukraine und gehen der Frage nach, wie es in weitergehen könnte. Die Lage in der Ukraine ist so bedrohlich wie lange nicht mehr.

In vielen Bereichen unterlegen

Die russischen Invasoren setzen ukrainische Streitkräfte mit intensivem Artilleriebeschuss massiv unter Druck. Die russischen Angreifer rücken an verschiedenen Stellen vor
Der Munitionsmangel bei der Artillerie ist aktuell das größte Problem. Offensichtlich verfügen die Russen über deutlich mehr Munition. Besserung ist nicht in Sicht, denn die Amerikaner und Europäer können die versprochenen Granaten nicht liefern. Auch bei der elektronische Kriegsführung ist die russische Armee deutlich überlegen. Ukrainische Raketen und Drohnen werden massiv gestört.
Auch bei der Anzahl sind die Russen überlegen: 500 000 russische Soldaten befinden sich mittlerweile in der Ukraine – mehr als doppelt so viele wie 2022 zur Zeit der Vollinvasion.
Die Verluste der ukrainischen Truppen sind hoch, die Ukraine schafft es kaum, neue Soldaten zu rekrutieren.

Der Plan der Ukraine für 2024

Kiew bereitet sich auf einen langen Defensivkampf vor. Dazu werden Schützen- und Panzergräben ausgehoben, Bunker und Unterstände gebaut, Panzersperren errichtet, Minen verlegt. Das Ziel für 2024 ist es, dem Angreifer möglichst große Verluste zuzufügen – und die eigenen zugleich so gering wie möglich zu halten. Außerdem sollen die besetzten Gebiete befreit werden. Die Aussichten einer erfolgreichen Gegenoffensive hängen neben innenpolitischen Entscheidungen auch von westlichen Verbündeten ab.

Die Szenarien 

Im positiven Szenario bekommt die Ukraine die Probleme in den Griff, d.h. mehr Munition, mehr Soldaten und Fortschritte bei der elektronischen Kriegsführung. In diesem Fall könnte die Ukraine das Vorrücken der Russen verhindern. Bei einer denkbaren Gegenoffensive müssten die sehr tiefen russischen Verteidigungslinien überwinden können.
Im negativen Fall können die Ukraine den Russen kaum mehr standhalten, vor allem wenn die westliche Unterstützung ausbleibt. Im Falle eines Wahlsiegs von Donald Trump könnte dieses Szenario Realität werden. Die russischen Angreifer könnten dann weite Teile der Ukraine – einer möglichen weiteren Fluchtbewegung von Ukrainern inklusive.

Donnerstag, 25. Januar 2024

Der Brexit funktioniert nicht

 Eine Studie kommt zum Ergebnis, dass der Brexit jährliche Kosten von 140 Milliarden Pfund verursacht – die AfD-Chefin halten diese Zahlen nicht davon ab, den Brexit als Erfolg zu bezeichnen.

Der Brexit funktioniert nicht

Die Süddeutsche Zeitung  berichtet über eine studie, die der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan in Auftrag gegeben hat. Demnach hat der Brexit die Wirtschaftsleistung um sechs Prozent geschmälert, was jährlich 140 Milliarden Pfund (163 Milliarden Euro) entspreche. Auch für die Zukunft sieht die Studie eher Nachteile: die Wirtschaft sinkt, die Inflation steigt. Allerdings hält sich die Labour-Partei, der auch der Bürgermeister angehört, weiterhin bedeckt, wie sie sich im Falle eines Wahlsiegs die Beziehungen zur EU vorstellt. Auch für Deutschland ist die Bilanz negativ. Der DIHK nennt den Brexit ein Desaster für beide Seiten, da das Handelsvolumen zurück und die Bürokratie deutlich nach oben gegangen ist-  


AfD-Forderungen Desaster mit Ansagen

Roland Preuß nennt deshalb auch die AfD Wirtschaftspolitik in der Süddeutschen Zeitung  ein Desaster mit Ansage. AfD-Chefin Alice Weidel nannte den Brexit goldrichtig und ein Modell für Deutschland. Die AfD will den Austritt nicht sofort, sondern nur wenn die anderen die EU nicht bereits sind, die EU so zurückstutzen wie die AfD es will.

Folgen für Deutschland noch verheerender

Der Autor verweist auf die oben genannten Studie und befürchtet für Deutschland noch gravierende Folge. Für die exportorientierte Wirtschaft wäre es ein schwerer Schlag, die Arbeitslosigkeit würde steigen. Der Dexit würde Grenzkontrollen zurückbringen, Scharen an Zollbeamten und Lkw-Staus an den Grenzen. So was soll "goldrichtig" sein?

Großbritannien auch beim Thema Migration kein Vorbild

Auch beim Thema Migration taugt Großbritannien nicht als Vorbild. Der Brexit hat viele EU-Bürger aus dem Land getrieben, dafür kommen viele aus anderen Ländern. Da Problem der Fachkräfte hat sich verschärft, die leeren Supermarktregale haben die Probleme anschaulich gezeigt.

AfD würde großen Schaden anrichten

Die AfD gibt sich gerne wirtschaftsnah und einige Vorschläge zur Entbürokratisierung kann man mit Recht diskutieren. Die Forderungen der AfD wäre würde aber absehbar großen Schaden anrichten. „Der Brexit ist dafür eine Mahnung - und kein Vorbild.“

Freitag, 22. Dezember 2023

EU-Migrationspolitik: Die Herberge will keine Flüchtlinge mehr

Detlef Esslinger analysiert in der Süddeutschen Zeitung  die Asylpolitik der Europäischen Union sowie europäischer Staaten.

Herberge künftig geschlossen

Ausgerechnet vier Tage vor Heiligabend hat Europa die Botschaft ausgesendet, dass die Herberge künftig geschlossen ist. Damit werden gleich drei Botschaften versendet. Die EU verkündete ein Konzept, dass Migranten künftig vor der Tür halten will. Frankreich beschloss ein Konzept, dass bereits Im Land Lebenden die Existenz erschwert. Deutschland beschließt Maßnahmen, um Flüchtlinge leichter loszuwerden.

Keine andere Wahl zu dieser Hartherzigkeit

Der Autor hat Verständnis für diese Hartherzigkeit. „Es hilft Afrika und den Afrikanern überhaupt nichts, jeden hier aufzunehmen, der kommen will - und dies womöglich so lange, bis sämtliche sogenannten "Fluchtursachen" beseitigt sind (also im 28. Jahrhundert oder so)“.
Damit ist weniger die ökonomische Endlichkeit gemeint – Deutschland wird nicht auf das Niveau von Eritrea zurückfallen, selbst wenn es noch viele Flüchtlinge unterstützt. Die Endlichkeit ist praktischer und kultureller Art: Gesellschaften haben nicht nur die Pflicht zur Barmherzigkeit, sondern müssen auch an den eigenen Zusammenhalt denken.

Verantwortung durch unverdientes Glück

Die Lösung ist nicht der „Schleichweg zu Populisten“. Menschen im Westen haben unverdientes Glück und tragen durch ihren Lebensstil mit zu den Problemen der armen Staaten bei. Dies zeigt sich beim Klimawandel. Deutschland stößt pro Jahr und Kopf acht Tonnen CO₂ aus – Guinea 0,2 Tonnen.
„Soll man sich dann wundern, wenn die Menschen ihr Heil in Europa suchen? Anders gesagt: Schon indem Populisten, gleich in welchem Land, stets die Klimakrise leugnen, plädieren sie in Wahrheit für Kontrollverlust bei der Migration.“