Samstag, 29. August 2020

Deutschland, die EU und die Flüchtlingspolitik - Was haben wir geschafft?

„Wir schaffen das“ – die Pressekonferenz mit dem wohl bekanntesten Satz von Angela Merkel jährt sich in diesen Tagen zum fünften Mal. Aus diesem Anlass blicken viele Medien zurück und ziehen Bilanz.

Gespaltene Bilanz – und gespaltene Gesellschaft?

Die Urteile fallen unterschiedlich aus, aber ohne Frage wurde einiges erreicht: Viele Geflüchtete haben einen Arbeitsplatz gefunden und sind gut integriert, andere haben es (noch) nicht geschafft. Ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung beschreibt anschaulich zwei Geschichten, deren Schicksale stellvertretend für viele stehen.
 

Fehler, die ich mache, zählen doppelt

Auch in der Bevölkerung wird das Thema noch intensiv und emotional diskutiert, wie eine interessante Dokumentation im ZDF zeigt. Zu Wort kommen hier auch einige Geflüchtete, die sich trotz Erfolgen nicht zuhause fühlen. Ein bedrückendes Zitat: Alles, was ich mache, zählt. Ich habe Angst, dass ich irgendetwas Falsches mache und dann wird es pauschalisiert. Die Fehler, die ich mache, zählen vielleicht doppelt.
 

Ein Armutszeugnis für die  EU

Eindeutiger ist das Urteil über die EU, die es auch nach fünf Jahren nicht geschafft hat, eine gemeinsame Asylpolitik zu erreichen.
Nicht mal bei der Entlastung der völlig überfüllten Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln funktioniert, ganz zu schwiegen von einer Regelung für alle Geflüchteten. In einer Dokumentation in der ARD kommt ein Mitarbeiter von Pro Asyl zu Wort, der der EU ein schreckliches Armutszeugnis ausstellt.
Informationen zu der Sendung, in der auch auf die vergangenen Jahre zurückgeblickt wird, finden Sie hier

Dienstag, 11. August 2020

Europäische Werte mit Geld verteidigen?

Gerald Knaus, österreichischer Soziologe, der als Initiator des EU-Türkei-Deals bekannt wurde, hat im SPIEGEL (leider nur für Abonnenten) ein spannendes Essay zu einem weiteren großen EU-Thema geschrieben: der Rechtsstaatlichkeit und der Frage, wie sich europäische Werte verteidigen lassen. Seine Antwort „Mit einer Sprache, die überall verstanden wird: der des Geldes.“

Fördermittel kürzen bei Verletzung des Rechtsstaatlichkeit

Es gibt viele Akteure, die die Kürzung von Geldern fordern, wenn Staaten rechtsstaatliche Prinzipien nicht einhalten. Groß war auch die Enttäuschung, das beim EU-Gipfel in dieser Frage nur ein schwacher Kompromiss erzielt werden konnte. Interessant finde ich die Diskussion, der die notwendige qualifizierte Mehrheit sogar als Vorteil sieht: Dann müssten die Staaten wirklich Geschlossenheit zeigen, Orban könnte nicht wie üblich wenigen Staaten die Schuld zu schieben.

Orientierung an Erweiterungspolitik

Interessant finde ich auch den Vergleich zur Erweiterungspolitik: Bevor Staaten der EU beitreten können, müssen sie strikte Kriterien erfüllen, erhalten jedes Jahr ein Zeugnis und erhalten Geld entsprechend der erzielten Fortschritte. Warum sollen diese Regeln nicht mehr gelten, wenn die Staaten der EU beigetreten sind?

Solidaritäts- und Demokratieverwaltung

Ein weiterer spannender Ansatz ist die Koppelung an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof. Diesem Modell zufolge würde der Europäische Gerichtshof Entscheidungen treffen, das Thema wäre nicht mehr von politischen Kompromissen abhängig.

Die Sprache des Geldes

Es ist traurig, dass wir innerhalb der Europäischen Union ernsthaft über die Einhaltung von rechts-staatlichen Prinzipien reden müssen. Ich finde es außerdem bedauerlich, dass Politiker*innen unterschiedlicher Couleur Ungarn, Polen und auch anderen Kandidaten nicht entschieden(er) entgegentreten (hier mein Blogeintrag). Gerade deswegen sind die Vorschläge von Knaus erfolgsversprechend, denn letztlich zählt (nur) die Sprache des Geldes.