Donnerstag, 30. November 2017

Ohne Werte ist Europa nichts

Heinrich August Winkler, emeritierter Historiker der Humboldt- Universität zu Berlin, hat in der ZEIT einen interessanten Artikel geschrieben: Ohne Werte ist Europa nichts.
Er konstatiert dem europäischen Projekt eine schwere Krise und betont, dass nur die liberalen Demokratien dieses Projekt retten können.

Die Nationalstaaten werden nicht verschwinden

Die Nationalstaaten werden nicht verschwinden, so Winkler:
Die Mitglieder der Europäischen Union sind, ob sie es wahrhaben wollen oder nicht, postklassische Nationalstaaten, die einige ihrer Hoheitsrechte gemeinsam ausüben und andere auf supranationale Einrichtungen übertragen haben. Auf sich allein gestellt, wären die europäischen Nationalstaaten auf vielen Gebieten überfordert.
Die nationalen Parlamente sind wichtig, allein schon, weil das ohne eine angemessene Mitwirkung sich europäische Entscheidungsprozesse nicht hinreichend demokratisch legitimieren.

Hoffnung auf Macron 

Winkler setzt viel Hoffnung in Macron - und die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich:
Wenn Frankreich und Deutschland voranschreiten, werden sich andere liberale Demokratien von Finnland bis zu den Niederlanden anschließen, darunter auch solche, die wie die baltischen Republiken jenseits des einstigen Eisernen Vorhangs liegen.
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Ein normatives Kerneuropa müsste also keine neue Ost-West-Spaltung des alten Kontinents zur Folge haben. Aber eines solchen Kerns bedarf es, wenn das Projekt Europa nicht scheitern soll. Für die nächste Bundesregierung, wie immer sie zusammengesetzt sein wird, liegt hier eine ihrer großen Herausforderungen.

Donnerstag, 16. November 2017

Soll sich die EU von den USA abwenden?

Die Zeit hat sich in zwei Artikeln mit den transatlantischen Beziehungen auseinandergesetzt
In „Im Westen was Neues“ plädieren Jörg Lau und Bernd Ulrich für eine neue Außenpolitik. Die Begründung: Amerika stellt unter Präsident Trump gemeinsame Werte infrage.

Supermacht EU? Bitte nicht! – So lautet die Antwort von Jochen Bittner und Martin Klingst: Europa muss sich von den USA verabschieden und die weltweite Führungsrolle einnehmen? Wer das fordert, übersieht, wie zerstritten der Kontinent ist.

Sie wenden sich auch zurecht gegen Hochmut seitens der Europäer:
Amerikas Gewaltenteilung funktioniert. Und es gibt Qualitätsmedien, die, anders als Trump wähnt, nicht scheitern, sondern Reichweitenrekorde feiern. Wo findet man all das in Mittel- und Osteuropa? Östlich der Elbe fehlt dem Kontinent wegen mangelnder Freiheits- und schlecht aufgearbeiteter Diktaturerfahrungen eine demokratisch-liberale Tiefengrundierung. Der Muslim-Bann ist de facto Realität in Ungarn, der Slowakei, Polen und Tschechien. Der Argwohn dieser Staaten gilt eher den Hegemonen in Berlin und Brüssel als dem in Washington. Kurzum: Die EU müsste erst einmal selbst auf die Therapeuten-Couch, bevor sie sich zum geistig-moralischen Vorbild der USA erklärt.

Eine strategische Außenpolitik

Bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung war Dr. Marco Overhaus zu Gast. Anstatt einseitig auf Abwendung oder Kooperation zu setzen, fordert er eine strategische Außenpolitik, die je nach Politikfeld unterschiedlich sein kann:
  • Kooperation bei klarer Abhängigkeit, z.B. Verteidigungspolitik 
  • Konflikt bei Handlungsoptionen, z.B. beim Iran-Abkommen 
  • Autonomie: Eigenständiges Vorgehen, wenn es andere Partner gibt, z.B. der Klimapolitik