Samstag, 28. März 2020

Europa in der Corona-Krise – gewinnt der Egoismus?

Die Corona-Krise stellt derzeit alles auf den Kopf. Sie wird langfristige Auswirkungen auf unsere Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben. Aufgrund der Bedeutung stelle ich in einem eigenen Blog Die Folgen der Corona-Krise Informationen zusammen.

In diesem Blog geht es um Europa: Rückt Europa in der Krise zusammen? Leider bisher nicht genug würde ich sagen, aber es ist auch noch nicht zu spät. In dieser Presseschau präsentiere ich Ihnen einige Kommentare, die mir aufgefallen sind.

Was für eine Enttäuschung

Der Titel des Essays im SPIEGEL vom 11. März spricht für sich. Nils Minkmar beklagt Kleinstaaterei und Konkurrenzdenken, die europäische Solidarität ist ein ferner Traum.

Alles nur Sonntagsreden?

Die EU-Staaten schlossen erst mal – unabgestimmt – ihre Grenzen, horteten medizinischen Materials und schauten erst mal auf sich:
Wie viele Sonntagsreden wurden zum Lob des großen Projekts gehalten? Wie oft wurde Europa als unser Rezept gegen Nationalismus, Irrationalismus und illiberale Tendenzen beschworen? Aber als es ernst wurde, waren Italien und dann Spanien allein.

Die Flüchtlingskrise ist auch noch da

In der Corona-Krise geht fast unter, dass wir auch noch eine Flüchtlingskrise haben. Auch hier legt Minkmar den Finger in die Wunde.

Unterdessen wurde auch schnell mal das Grundrecht auf Asyl außer Kraft gesetzt, auf das sich Flüchtlinge jederzeit berufen dürfen. Ein Schritt, den sich nicht einmal Trump traute. Das war also die berühmte Sicherung der Außengrenzen gegen die Ärmsten der Armen, was für eine Heldentat!  Unbewaffnete Zivilisten hart abzuweisen und sie wochenlang in schlimmsten Bedingungen hausen zu lassen ist kein Grund für Heldenrhetorik und eine Schande für Europa.

Der Egoismus gewinnt

Markus Becker beklagt in einem Kommentar auf SPIEGEL ONLINE die zögerliche EU.
Die Coronakrise bietet der EU die Chance, ihren Bürgern und ihren Gegnern zu zeigen, was sie kann. Doch die Europäer sind auf dem besten Weg, die einmalige Gelegenheit zu verspielen - wegen des Geldes.

Im Süden wird gestorben, im Norden wird gespart

Die hat mittlerweile gehandelt: Die Schulden- und Defizitregeln wurden ausgesetzt, im Haushalt wurden Milliarden umgewidmet. Aber beim Gipfel wurde wieder mal ums Geld gestritten, während China und Russland Italien beliefert – und sich diesen PR-Sieg nicht entgehen lässt.

Ein verstolperter Elfmeter

Dabei wäre durchaus die Chance gewesen, irrlichternden westlichen Partner eine Alternative aufzuzeigen, wie Becker ausführt:
Das Tragische daran: Noch nie war es für die EU so leicht wie jetzt, ihre Gegner vorzuführen. US-Präsident Donald Trump und der britische Premier Boris Johnson etwa beweisen gerade eindrucksvoll, dass sie einen Krisenmanager nicht einmal überzeugend spielen können. 

Europas Stunde schlägt noch

Stefan Kornelius ist in der Süddeutschen vom 28. März etwas optimistischer: Europas Stunde schlägt noch. Nationalstaaten sind nun mal die handlungsstärksten Institutionen – sie wirken mit Blick nach innen zum Wohl ihrer Schutzbefohlenen.
Wenn die Welle über den Kontinent zusammengebrochen ist und der Wiederaufbau beginnt, dann schlägt die Stunde der Gemeinschaft.

Die Hoffnung bleibt

So versuche ich auch in Bezug auf Europa optimistisch zu bleiben. Die Hoffnung habe ich auch durch die Menschen: Krankenhäuser übernehmen Kranke aus dem Elsass, die Bundeswehr hilft in Frankreich. Alles nur Symbole angesichts der gigantischen Probleme, aber manchmal sind auch Symbole wichtig.
Beeindruckend auch die Bilder in den Grenzgebieten, die angesichts der geschlossenen Grenzen zeigen: Das darf nur vorübergehörend sein, wir gehören zusammen!

Montag, 23. März 2020

Adieu Menschlichkeit, adieu Europa?

Trotz oder gerade wegen der Corona-Krise - durch den Virus verschlimmert sich die Situation der Geflüchteten - werfe ich in dieser Presseschau einen Blick auf die aktuelle Situation an den EU-Außengrenze.

Der fatale Rechtsbruch an den EU-Außengrenzen

Im Bericht des ARD-Magazins Titel Thesen Temperamente wird die Frage gestellt, ob wir an unseren humanitären Ansprüchen scheitern. Ja meinen die Interviewten dieses Berichts, darunter die Journalistin Heelberg, die die Aussetzung des Asylrechts kritisiert.
Für den Philosophen Julian Nida-Rümelin zeigt die Situation, dass die EU jahrelang nichts getan hat. Grenzsicherung hält er für gerechtfertigt, "aber sie sollten sie nicht unter Menschenrechtsverletzungen sichern. Schüsse zum Beispiel kommen nicht in Frage. Das ist auch nicht vereinbar mit europäischen Werten und mit europäischem Recht."



Griechenland braucht Hilfe 

Die Mitschuld und die perfide Taktik Erdogans wird im ARD-Bericht ebenso kritisiert wie von Tobias Zick, der in einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung Unterstützung für Griechenland einfordert. Die Europäer haben zu wenig gelernt aus den Ereignissen von 2015 und lassen Griechenland weitgehend allein mit den Asylsuchenden.
Die EU-Staaten müssen dafür sorgen, dass an ihrer gemeinsamen Außengrenze schnellstens wieder Recht und Ordnung einkehren; konkret: Sie müssen sicherstellen, dass nicht Sicherheitskräfte mit Tränengas und Bürgerwehren mit Knüppeln darüber entscheiden, wer in Europa ein Recht auf Schutz hat, sondern Beamte mit rechtsstaatlichen Mitteln.

Drei Dinge, die Merkel jetzt tun müsste 

Christoph Schult nimmt in einem Kommentar in SPIEGEL ONLINE die Kanzlerin in die Pflicht: Angela Merkel hat den EU-Deal mit der Türkei nach der Flüchtlingskrise von 2015 ausgehandelt, aber zu wenig getan, um den Syrienkrieg einzudämmen.  
Nach Schults Ansicht muss Merkel jetzt dreifach aktiv werden:
1. Ein neuer Deal mit Erdogan. Mehr Geld, aber auch die Hebel wie die Ansiedlung eines Volkswagen-Werks, das sich derzeit verzögert.
2. Merkel kann auch mit Putin verhandeln: Sie ist eine gute Vermittlerin und hat dies beim Thema Libyen bewiesen
3. Merkel muss sich (noch) stärker für einen Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU einsetzen.

Dossier zur Situation an der EU-Außengrenze 

Die Landeszentrale für politische Bildung hat ein interessantes Dossier zur Situation an der griechischen Grenze, mit Zusammenfassungen, einer Chronik sowie Zahlen und Fakten.