Sonntag, 28. Oktober 2018

Neues Sorgenkind Italien

Treibt Italien die EU in eine neue Finanzkrise? Ein Artikel in der Süddeutschen und eine Kolumne auf ZEIT ONLINE beschäftigen sich mit dieser Frage.

Italien riskiert den großen Knall

Ulrike Sauer beantwortet in der Süddeutschen wichtige Fragen zur neuen Krise.
Erstmals hat die Kommission einen Haushaltsentwurf abgelehnt, Italien wiederrum hat das Angebot für einen konstruktiven Dialogs. Die drohende Geldstrafe von 3,6 Mrd. Euro ist gering im Vergleich zu den steigenden Kosten der Staatsanleihen, den Italien schon jetzt zahlen muss.
Eine Annäherung ist nicht in Sicht, da es der neuen italienischen Regierung im Hinblick auf die Europawahl offensichtlich um Radau geht.

Kann Europa den Erpressungsversuchen widerstehen?

Die Situation unterscheidet sich vom Krisenjahr 2011: Dank der Stabilisierungsmechanismen ist die Ansteckungsgefahr heute geringer. Allerdings geht es um andere Summe – Italiens Staatsverschuldung beträgt 131 % - mehr als 2 Billionen. Auch die Europäische Zentralbank kann nicht mehr in derselben Form eingreifen, der Zinssatz ist bereits auf 0 % und EZB-Chef Draghi hat bereits angekündigt, dass er seinen Landsleuten nicht unter die Arme greift.

Wenn Regeln nicht mehr gelten, ist die EU am Ende

Einen differenzierten Blick auf die Situation wirft Mark Schieritz in einer Kolumne für ZEIT ONLINE.
Er verweist darauf, dass Gerhard Schröder 2003 mit einer ähnlichen Begründung mehr Schulden gemacht als von Brüssel erlaubt – und kam damit durch. Da Italien bisher über kein funktionierendes soziales Absicherungssystem verfügt, ist auch die Einführung eines Grundeinkommens nachvollziehbar.

Die EU ist kein Superstaat, es wird durch Regeln zusammengehalten

Damit kommt Schieritz zum entscheiden Punkt: Regeln müssen eingehalten werden. Wenn jeder macht, was er will, kann die EU nicht funktionieren. Das gilt meines Erachtens auch für Angela Merkel, die im hessischen Wahlkampf angedeutet habe, dass Fahrverbote ja nicht unbedingt umgesetzt werden müssen.
Dazu gibt es auch kaum Alternativen: Weder die Abwicklung der EU noch ein europäischer Bundesstaat sind wünschenswert bzw. durchsetzbar.

Samstag, 6. Oktober 2018

10 Jahre Finanzkrise - bis zum nächsten Mal

In diesem Blogeintrag geht es nochmal um das traurige Jubiläum „10 Jahre Finanzkrise“. Die Autoren im SPIEGEL, der ZEIT und der Süddeutschen sind sich einig: die Gefahr einer weiteren Krise ist groß – im Gegensatz zu den Mitteln, die der Politik als Antwort darauf bleiben.

Die Amateure

Der SPIEGEL-Artikel Die Amateure Ist leider für Abonnenten aufrufbar. Die Autoren kritisieren, dass bis heute nicht vollständig aufgearbeitet ist, welche Fehler die deutsche Politik gemacht hat– und damit die Saat für die nächste Krise gelegt hat.

„Geschäfte ohne realwirtschaftlichen Nutzen. Aber mit horrenden Renditen“ so der damalige Chef der Deutschen Bank Ackermann. Das hielt die Deutsche Bank aber nicht davon ab, fleißig bei der Wetterei mitzuspielen. Die Autoren kritisieren, dass die Europäer nur halbherzig reagiert haben und anders als die USA mit Zwangskapitalisierung entschieden gehandelt haben.

Die nächste Finanzkrise wäre noch viel schlimmer

Ähnlich argumentiert William White, Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in einem Interview mit dem SPIEGEL. Zwar sei Dank der staatlichen Konjunkturprogramme und der Stundung von Krediten die Rezession nach der Lehman-Pleite schnell überwunden worden. Aber die damaligen Notmaßnahmen hätten verhindert, dass Firmen wettbewerbsfähiger - oder vom Markt verschwinden würden. Mehr noch als früher seien die großen Banken heute viel zu groß, um fallen gelassen werden zu können wie einst Lehman. "Das Krisenmanagement hatte unbeabsichtigte Konsequenzen", sagte White. "Die Schulden sind höher als je zuvor, vor allem in den Schwellenländern und China."

Geld drucken als bisherige Rettungsstrategie nicht mehr möglich

Die bisherige Antwort auf die Krisen war Geld drucken: Nach jeder Krise sind die Zinsen niedriger und die Schulden höher. Seine Forderung: Entscheidend sei, so White weiter, dass die Zentralbanken endlich den Krisenmodus verließen und eine antizyklische Geldpolitik betrieben - also angesichts der weltweit gut laufenden Konjunktur die Zinsen erhöhten

Dann bis zum nächsten Mal

Auch Uwe Jean Heuser sieht in der ZEIT die Gefahr für den nächsten Crash. Er argumentiert, dass Finanzkrisen ein „exzessives Kreditwachstum“ vorausgeht – zu viel Geld wird verliehen. Das ist der Fall – sowohl Unternehmen, Staatshaushalte, der Finanzsektor und Privathaushalte haben in den letzten Jahren gigantische Schuldenberge aufgebaut. Die gigantischen Geldmengen haben einen Boom bei Aktionskursen und Immobilienpreisen ausgelöst, aber so der Autor „Irgendwo wartet der nächste Crash“.
Sehr lesenswert auch das Interview mit Gerhard Schick. Der grüne Bundestagsabgeordnete verlässt den Bundestag, um sich auf seine Arbeit bei der Bürgerbewegung Finanzwende zu konzentrieren.
Die Bewegung setzt sich u.a. für eine Schuldenbremse für Banken und eine unabhängige Finanzberatung ein.

Lehmans Lehren

Rudolf Hickel ist ein streitbarer Ökonom, der oft gegen den Mainstream argumentiert hat.
In einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung würdigt er einige Maßnahmen von vor 10 Jahren – unter anderem die denkwürdige Versicherung von Angela Merkel und dem damaligen Finanzminister Steinbrück, dass die Einlagen der Sparer sicher sind. 
Andere Maßnahmen kritisiert er aber als nicht stimmig und schiebt die Schuld der einflussreichen Lobbyarbeit zu. Es ist das weltweit überschüssige Geldkapital, das immer wieder zu Spekulationsblasen führt. Die Treiber sind die Vermögenden und Einkommensstarken, die ihre illusorischen Renditeerwartungen auf völlig überschätzte Finanzmärkte konzentrieren.
Seine Forderung: Dabei würde es helfen, dem Übersparen entgegenzuwirken, indem Vermögen und Einkommen gerechter verteilt werden. Erwirtschaftetes Einkommen muss in die Realwirtschaft investiert werden. Dazu gehören auch Ausgaben für die öffentliche Infrastruktur, die einer nachhaltigen Wirtschaft nützen.