Mittwoch, 12. Dezember 2018

Legt Europa in die Hand der Bürger

Einen radikal-demokratischen Vorschlag für Europa nennt Henrik Müller seine Idee, die er auf SPIEGEL ONLINE und gemeinsam Wolfgang Richter in einem Artikel für die Zeitschrift Wirtschaftsdienst vorgelegt hat.

Er konstatiert der Europäischen Union eine schwerwiegende Krise und betont, dass es so nicht weitergehen will. Damit ist er nicht allein, selbst der Kommission wird ja nachgesagt, dass sie für das Szenario „Weiter so“ die geringste Sympathie hat, siehe dazu meinen Blogeintrag.

Ein echtes Europaparlament mit grenzübergreifenden Wahllisten und europäische Parteien

Interessant ist der Ansatz eines echten europäischen Parlaments „one man, one vote“, das darüber entscheidet, wohin das Geld fließt. Auch der Ruf nach der Hoheit in Steuerfragen wird mit einem bekannten Anglizismus begründet „No taxation without representantion“ Die Wahlen zum Europaparlament finden dann nicht mehr gentrennt nach Ländern, sondern mit europäische Parteien grenzüber-greifend. Durch die Hoheit über das Geldausgeben entscheidet letztlich das Parlament über die inhaltlichen Schwerpunkte, in dem es entscheidet, ob Geld für die Regionalpolitik, Außen- und Verteidigungspolitik oder Grenzsicherung ausgegeben wird.

Ende des Steuerunterbietungswettbewerbs?

Interessant finde ich auch den Gedanken einer dualen Einkommenssteuer. Nationalstaaten können nach ihren Gerechtigkeitsvorstellung weiterhin über die Steuern auf Arbeit verfügen, das Kapital wird aber auf europäischer Ebene besteuert. Da das Kapital im Binnenmarkt völlig mobil ist, gehört es ja auch dahin. Könnte das das Ende des peinlichen Steuerunterbietungswettbewerbs innerhalb der EU sein?

Ist das wünschenswert und realisierbar? 

Man kann viele Einwände gegen diese Ideen vorbringen, denn zu einem „richtigen“ Parlament bräuchte man eine „richtige“ Regierung. Außerdem gelten die Argumente gegen das Szenario 5 der Kommission „Immer mehr Europa“ noch mehr: Schon heute wollen viele Europäer/innen an der Nation festhalten, durch dieses Modell wären die Macht der Mitgliedstaaten noch weiter eingeschränkt. Diese entscheiden letztlich über grundlegende Reformen und dass sie sich ausgerechnet auf dieses Modell entscheiden erscheint doch sehr utopisch.
Es ist immerhin ein Ansatz, der auch das Demokratiedefizit angeht und auch eine klarer Vorschlag - anders als die Kommission, die nur vage fünf Szenarien postuliert hat. Lesenswert und diskussionswürdig ist der Artikel allemal!